Frage an Katja Kipping

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Katja Kipping
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Frage von Peter K. •

Frage an Katja Kipping von Peter K.

Sehr geehrte Frau Kipping,

wie fühlen Sie sich heute, nachdem gestern am 04.04.2017 in Syrien wieder zahlreiche Menschen durch Chemiewaffen umgekommen sind?
Ich möchte von Ihnen nicht wissen, wer diese Waffen eingesetzt hat oder wie das Giftgas freigesetzt wurde, sondern einzig und allein, warum Sie dafür gestimmt haben, dass sich überhaupt noch Giftgas in Syrien befinden sollte.
Wie kamen Sie zu der Entscheidung, lieber Menschenleben zu riskieren als praktische Schritte zur Abrüstung zu unterstützen?

Mit freundlichen Grüßen
Peter Krause

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Krause,

Ihre erste Frage, wie ich mich gefühlt habe, nachdem ich die Berichte über einen mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Chan Scheichun gelesen, ist kurz zu beantworten: traurig und wütend. Der Einsatz von chemischen Kampfstoffen ist ein barbarischer Akt in einem barbarischen Krieg. Ich bin vielen Menschen begegnet, die vor Kriegen und eben auch vor dem Krieg in Syrien und dem dort herrschenden Regime geflohen sind. Wenn ich also solche Nachrichten lese, dann denke ich zunächst an diese Menschen, an ihre Familien und was sie in solchen Momenten erleiden. Und ich bin wütend. Auf alle Väter und Mütter dieses Krieges. Vom Assad-Regime bis zu den vielen anderen Konfliktparteien, die einen Stellvertreterkrieg in Syrien führen; und ich bin wütend auf jene, die durch ihre Militärinterventionen in der Region den Aufstieg des IS ermöglicht haben.

Ihre weiteren Ausführungen sind allerdings, ich muss es so drastisch sagen, bösartige Unterstellungen, die zudem jeder Faktengrundlage entbehren.

Die Frage, ob sich in Syrien Giftgas befinden sollte, ist klar zu beantworten: Nein. So wie in keinem anderen Land. Syrien ist im Oktober 2013 der Chemiewaffenkonvention beigetreten und hat sich verpflichtet, Chemiewaffen zu melden und zur Vernichtung zu übergeben. Ob dies vollständig war, ist Gegenstand von Untersuchungen durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW).

Dieses Verfahren haben wir als Fraktion unter anderem z.B. mit Fragen zu den von deutschen Firmen gelieferten Bestandteilen, die im Zuge der Untersuchungen durch die OPCW festgestellt wurden, begleitet. Es waren nicht zuletzt deutsche Firmen, die in verschiedenen Ländern die Giftgasproduktion erst ermöglicht haben.
Dass sich zivile Firmen in Deutschland an der Vernichtung von Giftgasrückständen beteiligen, finde ich überaus begrüßenswert.

Zu behaupten, ich oder ein anderer Abgeordneter hätte dafür gestimmt, dass sich „Giftgas in Syrien befinden soll”, ist absurd, falsch und verleumderisch.

Wogegen ich in der Tat gestimmt habe und darauf spielen Sie vermutlich an, ist ein Antrag der Bundesregierung auf Entsendung von Kriegsschiffen sowie 300 Bundeswehrsoldaten auf eine NATO-Mission ins Mittelmeer. Diese Soldaten sollten nicht Chemiewaffen vernichten, sondern für das amerikanische Spezialschiff „Cape Ray” als Begleitschiff dienen. Dieser Antrag der Bundesregierung wurde in der Tat kontrovers in der Fraktion diskutiert.
Gegenstand der Kontroverse war allerdings nicht die Frage, ob die syrischen Chemiewaffen vernichtet werden müssen oder nicht. Mein Kollege Jan van Aken, der zu dem Antrag gesprochen hat, hat dies auch gleich zu Beginn deutlich herausgestellt. Einigkeit über alle Fraktionsgrenzen besteht in einem Punkt: „Es ist völlig richtig und wichtig, dass die syrischen Chemiewaffen jetzt komplett vernichtet werden.”

Soweit zu Ihrer infamen Unterstellung.

Ich habe gegen den Antrag der Bundesregierung gestimmt, weil das Mandat den Einsatz militärischer Gewalt vorsah und dabei auch noch als NATO-Operation und nicht als UN-geführte Operation angelegt wurde. Die Bundesregierung hat zudem widersprüchliche Angaben darüber geliefert, wie viele Schiffe sie denn einzusetzen gedenkt. Zudem umfasst das vorgesehene Einsatzgebiet nicht nur das gesamte Mittelmeer, sondern auch den Nordatlantik und (!) „angrenzende Seegebiete”. Der Einsatz war also nicht nur schlecht angelegt, sondern die Regierung hat zudem um eine überaus unbestimmte Generalermächtigung gebeten und noch nicht einmal die zur Beurteilung relevanten Planungen vorgelegt.

Militäreinsätze sind in der Vergangenheit immer aus schönen Gründen und den angeblich besten Absichten durchgeführt worden. Ihre Ergebnisse im Südosten Europas, in Afghanistan und Irak sprechen deshalb dafür, sehr kritisch zu sein, wenn die Regierungen die Parlamente bitten, Soldaten in alle Welt zu entsenden.

Freundliche Grüße
Katja Kipping