Frage an Katja Kipping bezüglich Soziale Sicherung

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Frage von Johannes D. •

Frage an Katja Kipping von Johannes D. bezüglich Soziale Sicherung

Liebe Frau Kipping,

in „Sozialismus 2.0“ lehnen Sie unsere "marktkonforme Demokratie" und "kosmetische Veränderungen" daran ab. Dazu bezeichnen Sie die Klima-Krise und die Fluchtbewegungen als willkommene "Gespenster“ und "Sollbruchstellen" für die aktuelle Ordnung.

Frage: Gleichzeitig aber loben Sie die Früchte des Bestehenden, wenn Sie schreiben, dass die Produktivität in diesem reichen Land es ermöglichen würde, dass alle gut leben könnten. Sehen Sie hier keinen Widerspruch?

Frage: Mit der "radikalen Umverteilung" und der Ablösung des "herrschenden Produktionsmodells" durch Wirtschaftsräte verfolgen Sie denselben Ansatz wie „Sozialismus 1.0“ und zielen auf weitreichende Enteignungen. Fürchten Sie nicht, dass Sie dadurch Arbeitsplätze gefährden könnten, und die „100 Milliarden“ für Ihr Sozialprogramm dann nur ein One-Hit-Wonder wäre?

Frage: OK, die „Revolution des Denkens, Fühlens und Handelns“ würde dem die soziale Brisanz nehmen. Doch ist eine solche Umerzierhungsabsicht vereinbar mit Ihrem lauten Bekenntnis zur „wirklichen Demokratie“?

Frage: Zudem würden Sie für Ihren „Sozialismus 2.0“ die Menschen hier in einem der reichsten Länder mit einem noch relativ breiten Wohlstand abholen. Sollten Sie dann die von Ihnen gepriesene Stärkung der direkten Demokratie nicht eher fürchten?

Mich macht die Radikalität Ihres Manifests und die Nähe zum "Sozialimus 1.0" traurig. Denn anstatt die Ansätze bei uns auszubauen, brechen Sie mit allem und nehmen dabei den Zusammenbruch unserer Gesellschaft in Kauf.

Sozialismus“ ist Opium für den Sozi. Das kommt mir dabei in den Sinn. Sie denken in starren Strukturen, statt das Ganze als offenes System zu begreifen und es stetig zu verbessern. Dadurch stehen Sie dem Sozialen im Wege und spielen dem Neoliberalismus und rechten Protestalternativen in die Hände. Meine Sicht.

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Antwort von
DIE LINKE

Lieber Herr Dilgmann,

vielen Dank für Ihre Email.

Zu ihren Fragen:

1. Ja, ich sehe hier sogar sehr viele Widersprüche. Es ist doch auch wirklich nicht zu fassen, dass eine Gesellschaft, deren technische Errungenschaften die Arbeit erleichtern und die Arbeitszeit für alle drastisch reduzieren könnten, es zulässt, dass die Früchte nur wenige tragen. Auch die Umstellung auf erneuerbare Energien wäre möglich, wird jedoch von den aktuellen Regierungen nur sehr, sehr langsam umgesetzt. Ich denke, die Zeit für einen sozialen und ökologischen Umbau ist längst reif.

2. Warum sollten andere Eigentumsverhältnisse, z.B. genossenschaftlich organisierte Unternehmen, Arbeitsplätze gefährden? Ich denke, dass sie sogar Arbeitsplätze sichern oder ausbauen könnten, da es in solchen Modellen nicht nur um die Profitmaximierung geht und so alle profitieren könnten.

3. Meine Vorstellung von einer Revolution des Denkens, Fühlens und Handelns beruht nicht auf einer Art gewaltvollen Umerziehung von oben, sondern auf einem Zusammenspiel von gesellschaftlichen Veränderungen und gemeinsamen Lernprozessen. Diese finden sowohl in der Bildung, als auch in allen anderen Tätigkeiten wie der Lohn- oder Familienarbeit. Wenn wir die Art und Weise wie wir produzieren und leben verändern, es dadurch auch weniger Ungleichheit gibt, dann stärkt das die Demokratie.

4. Warum sollte ich die Stärkung der direkten Demokratie fürchten? Ich denke, dass eine breite demokratische Teilhabe in jedem Land ein wichtiger Pfeiler für eine bessere Gesellschaft ist. Zentral ist hier unsere Forderung nach echte Wirtschaftsdemokratie. So z.B., dass die Schlüsselindustrien wie Energie, Wasser und Maschinenproduktion in öffentliche Hand gehören – nur so ist eine demokratische Kontrolle überhaupt möglich.

Für Bernd Riexinger und mich ist eine offene Gesellschaft, in der gemeinsame und individuelle Lernprozesse eine zentrale Rolle einnehmen, die sich nie als abgeschlossen ansieht, sondern immer weiterentwickelt, Grundstein einer befreiten Gesellschaft. Wenn Sie das unserem Manifest nicht entnehmen konnten, tut mir das sehr leid. Ich kann die erneute Lektüre nur empfehlen.

Beste Grüße
Katja Kipping