Frage an Katja Kipping bezüglich Umwelt

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Katja Kipping
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Frage von Georg C. •

Frage an Katja Kipping von Georg C. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Frau Kipping,

ich schreibe Ihnen im Namen einer Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern Ihres Bundestags-Wahlkreises. Wir sind die Dresdner Lokalgruppe des Vereins „Micha Deutschland“ (www.micha-deutschland.de), in dem sich Christinnen und Christen aus ganz Deutschland und darüber hinaus in einem internationalen Netzwerk für globale Gerechtigkeit, Armutsbekämpfung und Nachhaltigkeit einsetzen. Unser Ziel ist, als zivilgesellschaftliche Gruppierung zur Umsetzung der Agenda 2030 bzw. zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele (SDGs = sustainable development goals) der Vereinten Nationen beizutragen, indem wir Vorträge, faire Stadtradtouren, Workshops etc. veranstalten und mit Politikern ins Gespräch kommen.

Um auf Dauer auf diesem Planeten zu bestehen ist uns vor allem die ökologische Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit sehr wichtig. Der Earth Overshoot Day, der in diesem Jahr 13 Tage früher erreicht wurde als im letzten Jahr, zeigt dies sehr deutlich: Am 02.08.2017 hat die Weltbevölkerung bereits alle Ressourcen verbraucht, die die Erde in diesem Jahr auf natürliche Weise zur Verfügung stellen kann. D.h., ab letzter Woche leben wir bis zum Ende des Jahres auf Kredit unserer Kinder und anderer Nationen. Deshalb sind wir insbesondere daran interessiert wie ressourcenschonendes Wirtschaften auf lokaler, nationaler und globaler Ebene realisiert werden kann.
Unsere Fragen an Sie sind:

Was muss aus ihrer Sicht getan werden, damit sich im Industriestandort Deutschland nachhaltige Geschäftsmodelle flächendeckend durchsetzen?
Welche Konzepte haben Sie, um den CO2-Ausstoß und Ressourcenverbrauch auf nationaler Ebene drastisch zu reduzieren?

Wir sind gespannt auf Ihre Antwort und wünschen Ihnen alles Gute und Gottes Segen für Ihre Arbeit,
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre „Micha-Lokalgruppe“

https://michadresden.wordpress.com/
https://www.facebook.com/michainitiativedresden/

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr C., sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Mai und das Interesse an meinen Positionen.

Um auf Dauer auf diesem Planeten zu bestehen, ist uns vor allem die ökologische Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit sehr wichtig. Der Earth Overshoot Day, der in diesem Jahr 13 Tage früher erreicht wurde als im letzten Jahr, zeigt dies sehr deutlich: Am 02.08.2017 hat die Weltbevölkerung bereits alle Ressourcen verbraucht, die die Erde in diesem Jahr auf natürliche Weise zur Verfügung stellen kann. Das heißt, ab letzter Woche leben wir bis zum Ende des Jahres auf Kredit unserer Kinder und anderer Nationen. Deshalb sind wir insbesondere daran interessiert wie ressourcenschonendes Wirtschaften auf lokaler, nationaler und globaler Ebene realisiert werden kann.

Zu Ihren Fragen:

1. Dies ist eine sehr weitreichende Frage, die - weil sie die Grundlagen unser gegenwärtigen Wirtschafts- und Konsumweise berührt - in wenigen Sätze kaum zu beantworten ist. Gleichwohl ist diese Frage natürlich ein zentrales Thema der LINKEN. Unsere Bundestagsfraktion hat dazu vor einigen Jahren das Projekt „Plan B“ www.plan-b-mitmachen.de/ gestartet. Im Januar fand hierzu eine große Konferenz in Essen statt, auf deren Ergebnisse ich Sie hinweisen möchte www.nachhaltig-links.de/index.php/konferenz-2017-genug-fuer-alle . Sie hatte den Titel „Genug für Alle“. Damit war allerdings explizit nicht gemeint, die Produktion von Gütern und Dienstleistungen immer weiter auszudehnen, sondern im Gegenteil, die Gesellschaft zukunftsfähig zu gestalten, indem die natürlichen Grenzen unseres Planeten berücksichtigt werden und die Verteilung des geschaffenen Reichtums gerecht organisiert wird.

PLAN B ist unser rotes Projekt für einen sozial-ökologischen Umbau. Wir wollen über die Tagespolitik hinaus schauen und diskutieren, wohin sich eine Gesellschaft entwickeln muss, wenn sie nicht nur gerecht und emanzipatorisch, sondern auch ökologisch verträglich sein soll. Einen solchen Kompass braucht das politische Tagesgeschäft. Gerade wenn es um Umweltfragen geht, muss sich DIE LINKE um Leitplanken bemühen. Denn bei selbstkritischer Betrachtung wird klar, ihr standen in der Vergangenheit soziale Gerechtigkeit und Arbeitsplätze oft näher als die Sorge um die ökologischen Folgen des Wirtschaftens.

In einer ersten Phase des PLAN B haben wir darum für die Bereiche Energie, Verkehr, Agrar und Industrie langfristige Szenarien entworfen. Im Anschluss daran ging es um die Weichen, die mit Blick auf die kommenden Jahre gestellt werden müssen. Wir haben uns angeschaut, was aktuell und mittelfristig auf der Agenda eines sozialökologischen Umbaus stehen muss. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit. Es geht darum, exemplarisch festzuhalten, was an wirklich Neuem, an Umbrüchen und möglichen Konflikten vor der Tür steht. Und auch darum, welche Geschäftsmodelle zukunftsfähig sein können. Die Ergebnisse finden Sie unter anderem in den Broschüren zu Stadtwerken und Kommunen in der Energiewende, zum Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr und zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft.

2. Für die nahe Zukunft ist neben der Friedenssicherung der Kampf gegen die weitere Klimaerwärmung wohl die wichtigste Menschheitsaufgabe. DIE LINKE steht hier klar zu den Pariser Klimaschutzzielen. Sie hierzulande umzusetzen, ist eine Frage der globalen Gerechtigkeit. Deshalb muss Deutschland seinen Beitrag dazu leisten, die weltweite Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst 1,5 Grad, zu begrenzen. Um dies zu erreichen muss der Kohleausstieg sofort beginnen und spätestens 2035, möglichst deutlich früher, abgeschlossen sein. Die geltenden Ökostrom-Ausbaudeckel des EEG müssen fallen. Wir brauchen zudem eine Verkehrswende, nicht nur eine Antriebswende. Das heißt insgesamt deutlich weniger Verkehr, vor allem weniger motorisierten Individual- und Schwerlastverkehr, dafür mehr und besseren öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie Schienengütertransport. Die Hauptantriebsart muss künftig der E-Antrieb sein. Zudem muss die Bundesregierung endlich einen sozial abgefederten Start bei der energetischen Gebäudesanierung hinlegen und den Anteil regenerativer Energien im Wärmebereich steigern. In Industrie und Gewerbe sowie bei Produkten ist die Effizienz deutlich zu erhöhen.

Eine weiter große - und bislang weitgehend ungelöste - Aufgabe ist die Begrenzung des Ressourcenverbrauchs. Auf öffentlichen Druck hin hatte der 16. Deutsche Bundestag dazu eine Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" eingerichtet, in der DIE LINKE intensiv mitgearbeitet und eine dezidiert wachstumskritische Position eingenommen hat. Den Schlussbericht finden Sie hier. Er enthält ab Seite 775 auch das Sondervotum der von den LINKEN benannten Mitglieder der Enquete-Kommission. Daraus möchte ich folgenden Abschnitt zitieren, der auch meine Meinung zum Thema zusammenfasst:

„Offensichtlich laufen im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung zwei mit Blick auf den Wohlstand gegenläufige Entwicklungen ab: Zum einen steigen mit einer Zunahme der Wirtschaftsleistung die durchschnittlichen Möglichkeiten, mehr Waren und Dienstleistungen zu nutzen. Hiermit ist auf niedrigem Einkommens- und Produktivitätsniveau noch ein unmittelbarer Wohlstandsgewinn verbunden. Mit zunehmender Befriedigung grundlegender Bedürfnisse sinkt andererseits aber der Nutzen zusätzlicher Waren und Dienstleistungen und damit auch die Bedeutung weiteren Wachstums. Gleichzeitig nehmen negative Begleiterscheinungen des Wachstums zu: Der Raubbau an natürlichen Ressourcen (in vielen Ländern als Entwicklungsmodell des Extraktivismus dominant), Klimawandel, Erosion der Biodiversität, schlechte Arbeitsbedingungen sowie stark zunehmende Verteilungsungleichgewichte bei Einkommen und Vermögen verbunden mit einer sich ausweitenden Armut breiter Bevölkerungsschichten. Im Ergebnis wird es notwendig, diesen Entwicklungspfad zu verlassen, wenn statt hoher Wachstumsraten und überhöhter Kapitalprofite in Zukunft Wohlstand und Lebensqualität für alle Menschen im Vordergrund stehen sollen.“ Diesem Sondervotum können Sie ausführlich unsere wachstums- und systemkritische Position entnehmen. Konkrete Schritte zur Umsetzung finden sich unter anderem innerhalb unseres eingangs zitierten Plan B-Projekts sowie bei der parlamentarischen Arbeit unser Bundestagsfraktion, hier insbesondere im Bereich der Klima- und Energiepolitik sowie der Kreislaufwirtschaftspolitik.

Freundliche Grüße

Katja Kipping