Frage an Katja Kipping bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Frage an Katja Kipping von Klaus S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Die "Politikverdrossenheit" hat sicher viele Gründe, insbesondere die geringe Wahlbeteiligung resultiert auch daraus, daß die Auswahl auf die (zufälligen) Direktkandidaten und die Listen weniger Parteien beschränkt ist.

- Wie stehen Sie zu einer Wahlmöglichkeit, die nicht nur auf die Auswahl der vorgegebenen Listen beschränkt ist, sondern auch eine Wichtung der darauf befindlichen Kandidaten ermöglicht ? Damit hätten nicht mehr nur Parteigremien, sondern der Wähler Einfluß auf die Chancen einzelner Kandidaten.

- Wie stehen Sie zu mehr direkter Demokratie (Volksentscheid, Volksbegehren) auch auf Bundesebene ?

- Halten Sie die 5%-Sperrklausel für notwendig ?

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Schneider

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schneider,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen wie folgend beantworten möchte:

Zu 1.: Eine solche Gewichtung innerhalb von Wahlvorschlagslisten auf Landes- oder Bundesebene kann ich nicht befürworten. Und stellt sich nicht regelmäßig eine „bunte Mischung“ von mehr als 30 verschiedenen Parteien- und Wählervereinigungen zur Wahl? Ich habe nichts gegen eine umfassende demokratische Entscheidungsfreiheit von Wählern. Faktisch ist aber deren Auswahlfreiheit durch die Monopolstellung von Parteien und Wählervereinigungen bei der Kandidatenaufstellung beschränkt. Aber Sie müssen wissen, dass diese Aufstellung von Wahllisten nicht beliebig erfolgt, sondern ein sehr komplexer und komplizierter Prozess ist, der darauf abzielt, die persönlich und fachlich geeigneten Personen zu benennen. Weiterhin ist in unserer Partei festgeschrieben, dass jeder zweite Listenplatz mit einer Frau zu besetzen ist, auch die regionale Herkunft der Kandidaten gilt es zu beachten. Schon für die vergleichsweise informierte Parteimitgliedschaft stellt das eine enorme Herausforderung dar. Hingegen werden die meisten Wähler die Kenntnisse und Fähigkeiten der einzelnen Kandidaten kaum beurteilen können. Manche haben vielleicht einmal ein Foto gesehen oder ein paar Sätze gehört, viel mehr wissen sie – wenn überhaupt – nicht über die Wahlbewerber. Und anhand dieser dürftigen Grundlage eine richtige Einschätzung treffen zu können, das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Damit übernehmen Parteien eine große Verantwortung, denn letztlich setzen die Wähler ihr Kreuz hinter den Namen einer Partei und nicht hinter Personen. Aber ich kann interessierte Leute nur immer wieder auffordern, sich in Parteien und Wählervereinigungen zu engagieren und an dieser Stelle auf die Listenzusammensetzung einzuwirken bzw. sich selbst zur Wahl zu stellen.

Auf kommunaler Ebene hingegen sieht die Lage etwas anders aus, da sehe ich die Möglichkeit einer Gewichtung innerhalb der Kandidaten sehr positiv. Für die Wähler ist zudem eine Einschätzung der Kandidaten auf lokaler Ebene viel besser möglich, da man Sie in vielerlei Art und Weise direkt erleben kann, in kleinen Gemeinden kennt man sich sogar häufig persönlich. In meinem Heimatland Sachsen gilt bei Kommunalwahlen ein Verhältniswahlsystem mit offenen Listen, d.h. Sie haben 3 Stimmen, die Sie beliebig auf Bewerber in einer oder in verschiedenen Listen verteilen können und das hat sich nach meiner Einschätzung bewährt.

Zu 2.: Mehr direkte Demokratie auf Bundesebene, vor allem durch Einführung von Volksentscheid und Volksbegehren kann ich ausdrücklich befürworten.

Zu 3.: Eine Abschaffung der 5%-Sperrklausel auf Bundesebene ist durchaus überlegenswert, da sie ja eigentlich dem Demokratieprinzip widerspricht. Zwar sind schon heute Parteien nationaler Minderheiten davon ausgenommen (wie der Südschleswigsche Wählerverband, der Ihnen vielleicht im Zusammenhang mit der letzten Bundestagswahl noch in Erinnerung ist), aber für neu entstehende und kleine Parteien stellt sie ein i.d.R. nicht zu überwindendes Hindernis dar. Natürlich muss man sich dann über die konkrete Ausgestaltung des – dann sehr bunten - parlamentarischen Alltages unterhalten. Auf kommunaler Ebene hingegen wurde die Überflüssigkeit von Sperrklauseln schon erkannt.

Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping