Frage an Katrin Göring-Eckardt bezüglich Familie

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Katrin Göring-Eckardt
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Felix H. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von Felix H. bezüglich Familie

Auf Ihren engagierten, öffentlichen nachhörbaren Appell hin wurde aus dem Wahlprogramm der Grünen ein Textbaustein (Antrag) zu Getrennterziehenden gestrichen. Wie viele Alleinerziehende (Alleinerziehen-Müssende und Alleinerziehende-Wollende) gibt es in Deutschland im Vergleich zu Getrennterziehenden und Getrennterziehen-Wollenden? Welche konkreten Vorschläge hat Ihre Partei im Hinblick auf Getrennterziehende (einschl. Getrennterziehen-Wollende) und wie kann man ihre programmatische Unsichtbarmachung in Wahlprogrammen Ihrer Partei oder auch in Definitionskatalogen Statistischer Bundesämter - etwa durch stärkere Orientierung an feministisch-grün mitregierten Ländern wie Schweden - reformpolitisch reduzieren? Lässt sich der "lange Schatten der deutschen Mutter" (Prof. B. Vinken) mit Ihnen überwinden, und wenn ja, wie? Ist die einstimmig beschlossene Europarat-Resolution 2079/2015 ein Thema für Ihre Partei und hat ein Austausch mit schwedischen und anderen Grünen hierzu stattgefunden? Ist das Kindeswohl als rechtlich unspezifischer Begriff individuell, national oder EUropäisch?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihre Frage an Frau Göring-Eckardt. Sie hat uns gebeten, Ihnen zu antworten. Wir möchten das gern etwas umfassender tun. 

Familien wollen wir mit einer Kindergrundsicherung besser unterstützen, egal in welcher Konstellation sie leben. Aber es gibt eine Personengruppe, die hat es schwerer als andere: Alleinerziehende. Es macht einen Unterschied, ob sich Eltern das Kümmern im Alltag, die wichtigen Entscheidungen – überhaupt die Sorge -  teilen oder ob man mit all dem überwiegend allein ist.

In Deutschland gibt es laut Statistischem Bundesamt knapp 1,5 Mio. Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern. Das bedeutet, dass in jeder fünften Familie ein Elternteil allein mit seinen Kindern im Haushalt lebt. Häufig ist das die Mutter. Auch wenn sich die Verteilung von Sorgearbeit teilweise gewandelt hat und Väter auch nach der Trennung zunehmend mehr Verantwortung in der Kindererziehung übernehmen: Noch immer leisten vor allem Frauen unbezahlte Sorgearbeit und auch Alleinerziehende sind in etwa neun von zehn Fällen Frauen. Gleichzeitig sind ihre Möglichkeiten nach einer Trennung, die Familie allein finanziell abzusichern, oft schlechter als die von Männern.

Familien sind so vielfältig wie das Leben selbst, so ist auch unser Anspruch an das Familienrecht: vielfältigen Familienkonstellationen gerecht zu werden. Dabei stehen für uns die Kinder und ihr Wohlergehen im Mittelpunkt. Deshalb sind wir dafür, dass nach einer Trennung beide Eltern weiterhin gemeinsam Verantwortung für ihr Kind tragen und sich entsprechend um ihr Kind kümmern. Wie sich die Eltern diese Verantwortung im Alltag aufteilen, ist eine komplexe Frage und muss individuell beantwortet werden. Bei hohem Konfliktniveau ist das Wechselmodell für Kinder oft sehr belastend. Deshalb braucht es Einzelfallentscheidungen und keine starren gesetzlichen Lösungen. Wir wollen beide Eltern dabei unterstützen, trotz der Trennung gemeinsam Verantwortung für das Kind zu übernehmen.

Um getrennt erziehende Eltern bei der Ausübung ihrer Elternverantwortung zu unterstützen und Kinderarmut entgegenzuwirken, brauchen wir ein ganzheitliches Reformpaket. Dafür müssen rechtliche Hürden, die dem Wechselmodell im Wege stehen, identifiziert und abgebaut werden, etwa im Unterhaltsrecht oder durch einen Umgangsmehrbedarf im Sozialrecht. Änderungen im Unterhaltsrecht müssen ausgleichend und keinesfalls konfliktverschärfend wirken. Wichtig ist, dass Entlastungen des einen Elternteils nicht zu Belastungen für den anderen Elternteil führen. Jede gesetzliche Änderung muss den Vorrang des Kindeswohls gewährleisten und zum Ziel haben, das Einvernehmen der Eltern in Hinblick auf die Belange des Kindes zu fördern und zu unterstützen, weil das Kindeswohl durch die streitige Auseinandersetzung der Eltern belastet wird. Gleichzeitig sollte eine partnerschaftliche Aufteilung der Betreuung nach der Trennung möglich sein und getrennte Eltern sollen dafür bessere Rahmenbedingungen vorfinden.

Nach einer Trennung soll es für getrennt erziehende Eltern bei der Betreuung nicht zusätzlich knirschen, Mehrkosten für die Ausübung des Umgangs und Betreuungsleistungen müssen angemessen berücksichtigt werden. Bisher werden zusätzliche Ausgaben barunterhaltspflichtiger Elternteile, die ihre Kinder auch miterziehen und -pflegen, steuerlich nicht berücksichtigt. Wir wollen hierfür steuerliche Maßnahmen wie Entlastungsbeträge und Steuergutschriften prüfen, die Getrennterziehende besser unterstützen.  Damit wollen wir auch eine partnerschaftliche Übernahme von elterlicher Verantwortung nach der Trennung fördern. Eltern im SGB II Bezug können sich eine solche Aufteilung der Sorgearbeit oft nicht leisten. Um das zu ändern, wollen wir einen Umgangsmehrbedarf im SGB II einführen.

Mit freundlichen Grüßen
Büro Göring-Eckardt

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