Frage an Kerstin Celina bezüglich Gesundheit

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Kerstin Celina
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Barbara M. •

Frage an Kerstin Celina von Barbara M. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Celina,

ich lebe mit meinem Mann und meinem Sohn in Veitshöchheim. Seit einem Jahr halten wir uns tapfer an alle Corona-Sicherheitsmaßnahmen und noch mehr. Langsam geht uns die Luft aus, obwohl wir sehr gut verstehen, aus welchen Gründen wir dauerhaft vorsichtig sein müssen, damit das Gesundheitssystem nicht überlastet wird. Die politischen Entscheidungen bzgl. Corona kann seit mehreren Monaten nicht mehr nachvollziehen: viel zu späte und nicht ausreichende Lockdowns; Öffnungen trotz Mutationen und steigender Inzidenz; Stoppen der AstraZeneca-Impfungen; Kontakterweiterungen an Weihnachten und Silvester; kein Konzept für Öffnung der Schulen (z. B. durch flächendeckende Schnelltest vor der Öffnung); lahmes Impftempo u. v. m.

Nun interessiert mich, was Sie tun und tun können. Was wird dafür getan, dass das Impfen in Praxen besser organisiert wird? Wo liegen die Problemstellen und was wird getan, um sie zu lösen? Reden Sie mit Verantwortlichen von Ländern, in denen bisher erfolgreicher geimpft wird, um zu erfahren, wie der Impfprozess beschleunigt werden kann?

Das Stoppen der AstraZeneca-Impfungen hat mein Fass zum Überlaufen gebracht. Vergleicht man die Impfungen mit den Gefahren der Pille oder des Corona-Virus ist diese Entscheidung nicht nachvollziehbar.

Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass diese Situationen ein Ende nimmt.

Beste Grüße
Barbara März

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau März,

zum Zeitpunkt der Beantwortung ihrer Anfrage befinden wir uns jetzt im 14. Monat der Pandemie und mitten in der „3. Welle“, die Inzidenzen steigen wieder exponentiell und gleichzeitig ist erst ein kleiner Teil der Bevölkerung geimpft. Ich kann ihre Verärgerung sehr gut nachvollziehen und glaube, dass es vielen Menschen so geht, einschließlich mir selbst, und ich glaube, viel von dieser Verärgerung hätte durch eine bessere Politik vermieden werden können.

Wir Grüne fordern seit Monaten konsequentere Maßnahmen und vor allem ein zielgerichteteres Vorgehen statt einem „Fahren auf Sicht“ mit einem Hin und Her von Maßnahmen zur Kontaktvermeidung im Privatbereich auf der einen und Lockerungen auf der anderen Seite, bzw. keine merklichen Einschränkungen im Arbeitsleben. Für viele Menschen, Eltern, Unternehmer*innen fehlt dadurch die Planbarkeit und Perspektive. Schließungen von Geschäften, „Homeschooling“ und der schleppende Impffortschritt zermürbt viele, mir und meinem persönlichen Umfeld geht es ganz genauso. Keiner wiess so richtig, wo der Impfstoff landet; den einzelnen Regionen wird viel Impfstoff versprochen und fast immer weniger geliefert, immer kommt „etwas“ dazwischen: entweder die neue Beurteilung von Astra-Zeneca, weniger Impfstofflieferungen generell, mehr Impfstoff nach Oberfranken, weil dort ein Hotspot ist, mehr Impfstoff zu bestimmten Berufsgruppen, und ab demnächst – so plant es die CSU-Regierung - auch mehr Impfstoff für betriebsärztliche Impfkampagnen außerhalb der Priorisierungsregelungen und ein völliges Aufheben der Impfreihenfolge.

Damit wird die wissenschaftlich festgelegte Impfreihenfolge immer weiter ausgehöhlt, und auch die Geduld der Menschen über Gebühr strapaziert. Wer sich an Regeln hält und plant, erwartet auch, dass die Regierung aufgrund von Daten und wissenschaftlichen Erkenntnissen plant und Perspektiven schafft. Das ständige Ändern der Regelungen führt uns alle an den Rand der Erschöpfung, nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Ein Beispiel: Menschen mit einer Behinderung, die über die Impfkommission nach vielen Wochen des Wartens endlich eine Höhergruppierung entsprechend ihrer individuellen Krankheits- und Behinderungssituation bekommen haben, müssen jetzt erleben, dass inzwischen viele, viele andere Menschen unabhängig von ihrer individuellen Gefährdungssituation vorgezogen werden. In anderen Bundesländern wurde schon vor vielen Wochen Hausärzt*innen zugetraut, die Gefährdung ihrer Patient*innen fachkundig zu beurteilen und ggf. zu impfen, hier in Bayern ist man lieber den langwierigen und teuren Weg über eine Impfkommission gegangen, die den Menschen gar nichts bringt. https://www.gruene-fraktion-bayern.de/themen/gesundheit-und-pflege/2021/menschen-mit-behinderung-oder-vorerkrankung-niedrigschwellig-und-unkompliziert-impfen/?L=0 und

Sehr viele Menschen sind nach meiner Beobachtung zunehmend genervt von der Situation, blicken nicht mehr durch, welche Regeln denn jetzt wann und wo gelten und damit sinkt leider auch die Bereitschaft, sich an die Regeln zu halten. Gleichzeitig bin ich nach wie vor beeindruckt von der großen Solidarität und dem Verantwortungsbewußtsein mit dem die meisten Menschen diesen Herausforderungen begegnen. Dazu zähle ich ausdrücklich auch junge Menschen, die ich als sehr vorsichtig erlebe, obwohl ihnen – meiner Meinung nach zu Unrecht – immer wieder vorgeworfen wird, sie seien die „Infektionsbeschleuniger“.

Im Sommer 2020 hatten wir eine „Verschnaufpause“ und obwohl uns die Wissenschaft deutlich vor der zweiten Welle gewarnt hat, wurden wichtige Maßnahmen nicht konsequent genug angegangen: Die Schulen waren im Herbst nicht ausreichend vorbereitet, es gab nicht genug Belüftungsanlagen für Schulen und kein ausreichendes Konzept und digitale Infrastruktur für Distanzunterricht in einem erneuten Lockdown. Die Schüler*innen, die stundenlang mit Jacke bei offenen Fenstern im Unterricht saßen oder zuhause im Online-Unterricht Probleme hatten, mussten die Folgen ausbaden.

Gleichzeitig kam und kommt die Impfkampagne nicht schnell genug in Gang und es ist, wie ich vorhin schon geschrieben habe, für viele nicht klar erkennbar, wann man selbst mit einer Impfung rechnen kann. Versprechen werden von der Landes- und Bundesregierung gemacht und können nicht eingehalten werden; ich finde das fatal und letztlich demokratiegefährdend.

Auch handwerkliche Fehler summieren sich: so wurde etwa in Bayern der Impfstoff teilweise in Camping-Kühlboxen transportiert, die für medizinische Zwecke überhaupt nicht zugelassen waren, wodurch Impfstoff zum Teil unbrauchbar wurde. So etwas darf einer Regierung nicht passieren.

Bei vielen Maßnahmen wurden auch ganze Gruppen von Menschen schlicht vergessen, die teilweise deutlich stärker unter dem Lockdown und den damit einhergehenden Beschränkungen gelitten haben. Etwa Menschen mit Behinderungen, Obdachlose, psychisch erkrankte Menschen usw.

Was wir Grüne auch immer wieder kritisieren, ist das zögerliche Vorgehen im Bereich der Unternehmen und Schulen was Tests und auch Testpflichten angeht, während gleichzeitig im privaten Bereich sehr strikte Regelungen gelten. Auch das führt zu einer schwindenden Akzeptanz der Maßnahmen.

Wir Grüne sind im Bund und auch in Bayern in der Opposition, können daher nur immer wieder anmahnen und auf Mißstände aufmerksam machen. Manchmal werden wir gehört und unsere Vorschläge werden übernommen, in vielen Fällen aber passiert das gar nicht oder sehr spät. Viele (notwendige und oft nicht ausreichende) Maßnahmen haben wir mitgetragen, aber immer wieder Verbesserungen angemahnt. https://www.gruene-fraktion-bayern.de/dokumente/corona-gruene-initiativen-in-der-pandemie/ Das tue ich v.a im Sozialausschuss und im Gesundheitsausschuss https://www.kerstin-celina.de/corona-die-virusbekaempfung-aus-sozialpolitischer-sicht/
So ist auf meinen Druck hin etwa die Impfaufklärung in Gebärdensprache verbessert worden und es konnte die Situation von behinderten Schüler*innen verbessert werden.

Was das Impftempo insgesamt angeht, ist mittlerweile (leider viel zu spät) eine – vielleicht auch nur vorübergehende - Beschleunigung erkennbar. Es steht jetzt deutlich mehr Impfstoff zur Verfügung und durch das Impfen in Hausarztpraxen kann dieser auch schnell verimpft werden. Was die verschiedenen Impfstoffe und deren Risikoeinschätzung angeht, müssen wir uns an den Einschätzungen der EMA (European Medicines Agency) und STIKO (Ständige Impfkommission) orientieren, die Nutzen und Risiko abwägen. Es ist wichtig, dass neuere Erkenntnisse transparent einfließen in die Impfstoffbewertung. Dass es bei Astra-Zeneca zu diesem Hin und Her kam, ist bedauerlich, fachlich aber nachvollziehbar. Ich kenne selbst Frauen, die schon mehrmals Thrombosen hatten, und die sagen, Ihnen eröffnet die Diskussion die Möglichkeit, sich besser zu schützen und Risiken auszuschließen, indem sie einen anderen Impfstoff bekommen. Wichtig ist, dass Astra-Zeneca nun sehr schnell an die Menschen kommt, die ihr persönliches Risiko durch die Impfung für gering halten. Mit den verschiedenen, zur Verfügung stehenden Impfstoffen, sollte es machbar sein, die passende Impfung zu bekommen.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie gesund durch diese Krise kommen und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Kerstin Celina

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