Frage an Kerstin Tack bezüglich Soziale Sicherung

Kerstin Tack
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SPD
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Frage von Inge R. •

Frage an Kerstin Tack von Inge R. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Tack,

als Mutter einer schwerstbehinderten Tochter von 30 Jahren bitte ich Sie um eine Stellungnahme zu dem geplanten Bundesleistungsgesetz. Im Ergebnisprotokoll der Arbeits- und Sozialministerkonferenz vom November 2013 kann man (auf Seite 98 ab Zeile 655) nachlesen, dass das geplante Teilhabegeld bis auf einen Selbstbehalt auf die Leistungen der Eingliederungshilfe angerechnet werden soll, wenn der behinderte Mensch weiterhin darauf angewiesen ist. Gleichzeitig soll der Anspruch der Eltern auf Kindergeld für ihre erwachsenen Töchter und Söhne entfallen (siehe Seite 98 ab Zeile 639). Dadurch entfallen den Eltern die Nachteilsausgleiche, die ein erwerbsunfähiges Kind steuerlich nicht geltend machen kann, die aber trotzdem zustehen bzw. entstehen ( Schwerbehindertenpauschale, Fahrtkosten, außergewöhnliche Belastungen etc). Bei Eltern im öffentlichen Dienst mindert sich obendrein der Familienzuschlag. Ausgerechnet bei denjenigen, denen absolut kein Selbstbestimmungsrecht zugestanden und das Teilhabegeld auf die Werkstatt- oder Förderstättenkosten angerechnet werden soll, sollen mit der irreführenden Begründung des "selbstbestimmten Lebens" massive finanzielle Kürzungen vorgenommen werden. Wie stehen Sie als behindertenpolitische Sprecherin der SPD Bundestagsfraktion zu diesen Empfehlungen und Vorgaben der ASMK? Wie stehen Sie als Bundestagsabgeordnete der SPD zu diesen Empfehlungen und Vorgaben der ASMK? Und wie werden Sie sich in diesen beiden Ämtern für diejenigen Menschen einsetzen, deren Fähigkeiten wirtschaftlich nicht verwertbar sind?
Schon jetzt vielen Dank für eine aussagekräftige Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Inge Rosenberger

Kerstin Tack
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Rosenberger,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf abgeordnetenwatch.de, in der Sie auf den Vorschlag der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) zur Ausgestaltung eines Bundesteilhabegesetzes eingehen und mögliche Auswirkungen auf die Lebenssituation von Eltern erwachsener Kinder mit Behinderungen aufzeigen.

Seit etlichen Jahren ist im Bereich der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen ein kontinuierlicher Anstieg der Zahl der Leistungsempfänger zu verzeichnen. Allein im Jahr 2012 erhielten 821.000 Personen Leistungen der Eingliederungshilfe. Im Jahr 2005 waren es noch 586.000 Personen.

Verbunden mit der steigenden Zahl der Leistungsempfänger in der Eingliederungshilfe ist eine kontinuierliche Kostensteigerung in diesem Bereich von insgesamt 11,3 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf 15,1 Milliarden Euro im Jahr 2012 zu konstatieren.

Träger der Eingliederungshilfe sind die einzelnen Bundesländer und Kommunen. Vor dem Hintergrund des starken Kostenanstiegs drängen diese bereits seit Jahren darauf hin, entlastende Maßnahmen zu ergreifen. Im Rahmen der Verständigungen zum Fiskalpakt im Juni 2012 trafen Bund und Länder deshalb die Vereinbarung, gemeinsam „unter Einbeziehung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ein neues Bundesleistungsgesetz in der nächsten Legislaturperiode [zu] erarbeiten und In-Kraft [zu] setzen, das die rechtlichen Vorschriften zur Eingliederungshilfe in der bisherigen Form ablöst.“

Der SPD-Bundestagsfraktion ist es jedoch vor allem vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention sowie aus sozialpolitischer Sicht ein ganz besonderes Anliegen, noch in dieser Legislaturperiode ein Bundesteilhabegesetz auf den Weg zu bringen, das dem aus der UN-Konvention resultierenden Anspruch auf Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen Rechnung trägt. Gemeinsam mit meiner Fraktion werde ich mich deshalb dafür engagieren, dass das Bundesteilhabegesetz noch im Jahr 2016 verabschiedet wird und im Jahr 2017 in Kraft tritt.

Gegenwärtig geht es zunächst einmal darum, dass Gesetz inhaltlich auszugestalten. Für mich ist ganz klar, dass die Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen im Mittelpunkt einer solchen inhaltlichen Ausgestaltung zu stehen hat. Als Sozialdemokratin und behindertenpolitische Sprecherin meiner Fraktion werde ich mich deshalb persönlich dafür einsetzen, dass Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für Menschen mit Behinderungen zukünftig einkommens- und vermögensunabhängig sowie personenzentriert und unter Berücksichtigung des Wunsch und Wahlrechts erfolgen.

Ziel ist, die Eingliederungshilfe aus der Fürsorge herauszuführen und als eigenständigen Bereich im SGB IX zu verankern. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, dass die Betroffenen und ihre Verbände von Anfang an beteiligt werden. Hinweise und Anfragen zur konkreten Ausgestaltung eines neuen Bundesteilhabegesetzes nehme ich daher sehr ernst und mit großem Interesse zur Kenntnis.

Die Erarbeitung des neuen Bundesteilhabegesetzes ist eine Gradwanderung. Zwar müssen die Leistungen zur gesellschaftlichen Teilhabe finanzierbar sein, sie müssen andererseits aber auch den aus der UN-Behindertenrechtskonvention resultierenden Anforderungen genügen.

Das Teilhabegeld ist eine aus dem Bundeshaushalt steuerfinanzierte monatliche Geldleistung für Menschen mit Behinderungen, die nach bestimmten Voraussetzungen vergeben wird. Als ergänzende Leistung zu den übrigen Teilhabeleistungen halte ich das Teilhabegeld für einen guten Weg, um einerseits Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen zu stärken und andererseits eine nachhaltige Finanzierung der dafür erforderlichen Leistungen durch eine Entlastung der kommunalen Haushalte zu gewährleisten.

Tatsächlich wäre das Teilhabegeld nach den Vorschlägen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge sowie der ASMK aufgrund der sich mit der Eingliederungshilfe überschneidenden Zweckrichtung auf Leistungen der Eingliederungshilfe grundsätzlich anrechenbar. Die unterschiedlichen Finanzierungsvorschläge hierzu sowie zur Höhe des Teilhabegeldes und des Selbstbehaltes sind allgemein bekannt, können jedoch allenfalls als richtungsweisend betrachtet werden. Denn eines ist klar: Das Bundesteilhabegesetz darf kein Sparmodell sein. Vorrangiges Ziel ist die Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen. Der von der ASMK geäußerte Vorschlag nach Wegfall des Kindergeldes für Eltern erwachsener Kinder mit Behinderungen erfährt daher von meiner Seite aus keine Zustimmung.

Klar ist aber auch: Die Finanzierung des Bundesteilhabegesetzes muss auf geeignete und verlässliche Weise gewährleistet werden. Diesbezüglich vorliegende Vorschläge werden wir, sofern dies sinnvoll erscheint, im Rahmen der Erarbeitung des Gesetzes in unsere Überlegungen mit einbeziehen und gegebenenfalls weiterentwickeln.

Mit freundlichen Grüßen

Kerstin Tack