Frage an Kirsten Kappert-Gonther bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Kirsten Kappert-Gonther
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Peter W. •

Frage an Kirsten Kappert-Gonther von Peter W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kappert-Gonther,

danke für Ihre Antwort auf abgeordnetenwatch.de.

Ich habe die Anhörung vor dem Ausschuss live im Parlaments-TV mitverfolgt. Jede Fraktion darf Verbände benennen. Welche Experten hat Ihre Fraktion eingeladen? Leider war die DEGAM nicht vertreten, obwohl sie auf der Liste stehen. [2] Sie hatte sich in ihrer Stellungnahme kritisch zur Impfpflicht positioniert. [3] Kritisch hatten sich auch die Sachverständige Prof. Dr. Betsch [4], der Ethikrat [5] und die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände [6] geäußert. Warum wurde das nicht gehört?

Ihre Fraktion schreibt:

"Deswegen finden wir es angemessen und vertretbar, für Kinder einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern zur Voraussetzung für den Besuch einer Kita zu machen." [7]

"Wir Grüne haben uns mehrheitlich enthalten, da der Entwurf aus dem Hause Spahn zwar einige sinnvolle Maßnahmen enthält, insgesamt aber zu kurz gedacht ist." [7]

Ihre Fraktion ist ebenso für eine Impfpflicht. Sie geht Ihnen nur nicht weit genug? Diese Position finde ich noch bedenklicher, zumal eine Pflicht in der aktuellen epidemiolgischen Situation - und das wurde allen Fraktionen mehrfach in Form von Gutachten mitgeteilt [8][9] - verfassungswidrig ist.

"Ein sogenannter „Fraktionszwang“ besteht in [...] Deutschland nicht." [1]

In [10] wird Fraktionszwang sogar als verfassungswidrig beschrieben. In der Realität wird aber de facto Fraktionszwang praktiziert. Oder wie erklären Sie es sich sonst, dass trotz kritischer Stimmen im Vorfeld Ihre Fraktion sich gesammelt enthalten hat, die SPD vollständig dafür gestimmt hat, etc.?

Mit freundlichen Grüßen

[1] https://tinyurl.com/qp8odvn
[2] https://tinyurl.com/y39nwmn5
[3] https://tinyurl.com/y4njeaa5
[4] https://tinyurl.com/y488tmrj
[5] https://tinyurl.com/y2hgoo5t
[6] https://tinyurl.com/vs5vy2k
[7] https://tinyurl.com/v7h7lr8
[8] https://tinyurl.com/y4pq993p
[9] https://tinyurl.com/uaznfac
[10] Staatsbürger-Taschenbuch, ISBN 978-3-89331-741-7, S. 140

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Wunder,

vielen Dank für Ihr Schreiben. Neben den von der jeweiligen Gesetzgebung betroffenen Verbänden, die vom Ausschusssekretariat eingeladen werden, kann jede Fraktion eine*n Einzelsachverständige*n zur Anhörung einladen. Wir Grüne haben Frau Prof. Dr. Cornelia Betsch von der Universität Erfurt eingeladen. Frau Prof. Betsch hat wiederholt betont, dass eine generelle Impfpflicht sowie der Impfzwang keine sinnvollen Maßnahmen für eine höhere Durchimpfungsrate sind.

Die zu geringen Impfquoten betreffen im Übrigen nicht nur Masern, sondern auch andere durchaus gefährliche Infektionskrankheiten wie etwa Mumps oder Röteln. Wirksame Schritte für einen möglichst frühzeitigen Aufbau einer Immunabwehr gegen diese Erkrankungen sind daher sehr wichtig. Die Kombination der Impfungen gegen Masern, Mumps und Röteln in einem einzigen Impfstoff dient diesem Ziel und reduziert gleichzeitig die Zahl der nötigen Injektionen für die zu impfenden Kinder. Aus diesen praktischen Erwägungen heraus empfiehlt auch die Ständige Impfkommission bei der Masernimpfung den so genannten MMR-Impfstoff (1). Diese Kombinationsimpfstoffe sind nach Ansicht des RKI erprobt, Hinweise auf eine Überlastung der Immunabwehr gibt es nicht (2). Ein – inzwischen in Deutschland auch nicht mehr verfügbarer – Einzelimpfstoff gegen Masern ist daher nicht notwendig.

Die Einschätzung, dass eine Impfvoraussetzung für die Kita einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten würde, teilen wir allerdings nicht. Auch der Deutsche Ethikrat, der sich in seiner Stellungnahme (3) ansonsten durchaus kritisch zu einer Impfpflicht positioniert hat, hält die Regelung im Gegensatz zu einer „harten Impfpflicht“ für eine „verfassungsrechtlich möglicherweise zulässige Ausgestaltung“ (4).

Eine allgemeine gesetzliche Impfpflicht lehnen wir Grüne ab und halten diese auch für kontraproduktiv. Wir sind der Auffassung, dass Aufklärung, Informationen und ein guter Zugang zu Impfungen geeignet sind, den Impfschutz in der Bevölkerung zu erhöhen. Drohungen mit Sanktionen sind hingegen der falsche Weg. Sie richten Schaden an und untergraben das notwendige Vertrauen der Menschen.

Ich bin klar gegen eine generelle Impfpflicht, habe mich aber enthalten, da der Gesetzentwurf auch gute Passagen, wie z.B. die bessere Ausstattung der Gesundheitsämter, enthält.

Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Kappert-Gonther

(1) Vgl. Ständige Impfkommission: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut. Epid Bull 2019;34:313 – 364.
(2) Vgl. Antworten des Robert Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts zu den 20 häufigsten Einwänden gegen das Impfen. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Bedeutung/Schutzimpfungen_20_Einwaende.html#doc2378400bodyText11 (abgerufen am 13.09.2019)
(3) Deutscher Ethikrat. Impfen als Pflicht? Stellungnahme. Berlin 2019.
(4) Ebd. S. 43.

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