Wie ist Ihre Position zu Myalgischer Enzephalomyelitis (ME/CFS) und was werden Sie konkret unternehmen, um die sehr schlechte Versorgungslage zu verbessern?

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Kirsten Kappert-Gonther
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Max W. •

Wie ist Ihre Position zu Myalgischer Enzephalomyelitis (ME/CFS) und was werden Sie konkret unternehmen, um die sehr schlechte Versorgungslage zu verbessern?

Myalgische Enzephalomyelitis (ME/CFS) (G93.3) ist eine in Deutschland seit Jahrzehnten vergessene Erkrankung, obwohl sie häufig ist und eine humanitäre Katastrophe in Deutschland darstellt. Dies muss nun dringend und schnell beendet werden. Das Leid durch die Erkrankung und das im Stich lassen durch den Staat der vielen Betroffenen ist enorm! Nach aktuellem internationalem wissenschaftlichem Forschungsstand ist ME/CFS eine schwere, komplexe, häufige, chronische neuroimmunologische Multisystemerkrankung. Selbst in 2023 wurde noch keine grundlegende Versorgung erreicht.

Wie ist Ihre Position zu ME/CFS und was werden Sie und Ihre Partei konkret in 2024 unternehmen, um die katastrophale Situation und bisher nicht vorhandene Versorgung, kaum stattfindende Forschung und fehlende Anerkennung in Deutschland deutlich zu verbessern?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr W.,

vielen Dank für Ihre Zuschrift. Durch unseren kontinuierlichen Austausch mit Betroffenen wissen wir um die großen Einschnitte im Leben durch ME/CFS.

Für uns Grüne ist es ein wichtiges Anliegen, die Versorgung von ME/CFS-Erkrankten sowie Betroffenen von allen Symptomatiken, die sich unter Long-Covid, Post-Covid und Post-Vac einordnen lassen, zu verbessern und die Forschung sowie die Therapieentwicklung zu diesen Krankheitsbildern voranzutreiben.

Obwohl ME/CFS als neurologische Erkrankung bereits seit 1969 anerkannt ist, haben viele Vorgängerregierungen dieser Erkrankung und den Betroffenen kaum Aufmerksamkeit gewidmet, obgleich wir Grüne (beispielsweise durch eine Kleine Anfrage vom 7. August 2019, https://dserver.bundestag.de/btd/19/122/1912204.pdf?fbclid=IwAR0wrCUhCpAX8Ilf6k9RfCtPt8CeP2IfkAF67HYDezcb7cMPkjmpzRq6fko) die vorherige Regierung bereits dazu aufgefordert haben, sich des Themas endlich anzunehmen.

Erst seit Grüner Regierungsbeteiligung haben wir in dieser Legislatur endlich die mangelhafte Versorgungs- und Forschungslage auf die politische Agenda gesetzt. Nicht zuletzt haben ME/CFS und Long-Covid als zwei Krankheitsbilder erstmals auch explizit Eingang in unseren Koalitionsvertrag gefunden. Seit Beginn der Legislatur haben wir eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Forschung und Versorgung gezielt zu verbessern:

  1. Während für 2022 und 2023 Haushaltsmittel in Höhe von 22,5 Millionen Euro bereitgestellt wurden, konnten wir trotz angespannter Haushaltslage in den letzten Haushaltsverhandlungen weitere über 200 Millionen Euro für die Forschungsförderung zum Krankheitsbild selbst sowie zu Medikamenten und Therapien für die nächsten Jahre veranschlagen. So können nicht nur neue Forschungsvorhaben finanziert, sondern auch die Finanzierung von bereits laufenden Forschungsprojekten gesichert werden, darunter die Projekte im Rahmen der der Nationalen Klinischen Studiengruppe (NKSG) wie z.B. die klinische Studie an der Charité Berlin, in der die Wirksamkeit von vier Gruppen von bereits bekannten Medikamenten für die Behandlung von Patient*innen mit Long-Covid und ME/CFS erforscht wird.
  2. Weiterhin ist es für uns Grüne ein zentrales Anliegen, gemeinsam mit den Ampel-Partner*innen die Versorgungssituation durch Spezialambulanzen zu verbessern. Zu diesem Zweck haben wir im Rahmen des Krankenhausentlastungsgesetzes vom 20. Dezember 2022 den Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragt, bis Ende 2023 eine Richtlinie für die interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik von Long-Covid und Krankheitsbildern mit starken Erschöpfungs-Zuständen wie etwa ME/CFS zu erarbeiten. Die Richtlinie ist in der finalen Abstimmung und wird voraussichtlich in Kürze veröffentlicht.
  3. Zudem wurde eine Telefonhotline für Betroffene eingerichtet, um ihnen einen ersten Anlaufpunkt zu geben und sie über bereits bestehende Versorgungsangebote adäquat zu informieren und zu beraten. Eine erste Anlaufstelle stellt auch die neu eingerichtete Webseite (https://www.bmg-longcovid.de/service) des BMG dar, die aktuelle Informationen zu Long Covid und Post-Covid, aber auch ME/CFS, bündelt und neben einer Liste an aktuellen Beratungs- und Unterstützungsangeboten auch mehrsprachige Informationen sowie telefonische Beratung für Erkrankte und Ärzt*innen anbietet.
  4. Außerdem freue ich mich besonders über den Runden Tisch, der im Herbst 2023 einrichtet, wurde. In regelmäßigen Treffen diskutieren Vertreter*innen aus der Wissenschaft, Betroffenenorganisation, Ärzteschaft, den Krankenkassen sowie aus der Politik intensiv die zusammenhängenden Themen Long-Covid, Post-Covid, Post-Vac sowie ME/CFS diskutieren und loten Handlungsmöglichkeiten, um die Versorgung zu verbessern. Ein konkretes Ergebnis des Runden Tischs ist es, dass das BMG das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) damit beauftragt hat, eine Liste von Arzneimitteln zu erarbeiten, die im Off-Label-Use bei Long-COVID-Patient*innen verordnet werden können. Die Liste dient als Empfehlung an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), der Ausnahmen definieren kann, bei denen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Medikamente im Off-Label-Use übernehmen.

Ich werde mich auch weiterhin für eine bedarfsgerechte Versorgung und bessere Hilfen für Betroffene und Angehörige einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Kirsten Kappert-Gonther

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