Frage an Kirsten Tackmann

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Kirsten Tackmann
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Frage von Erich-Günter K. •

Frage an Kirsten Tackmann von Erich-Günter K.

Sehr geehrte Frau Dr. Tackmann,

angeregt durch die Äußerungen des Herrn Bundesministers Schmidt zur Gefährdung von Standards bei den TTIP-Verhandlungen, möchte ich Sie um Ihre Meinung bitten zu der Frage „Was wäre, wenn wir vor zehn oder zwanzig Jahren bereits ein Freihandelsabkommen mit den USA u.a. abgeschlossen hätten?“

Wären diese politischen Entscheidungen dann durchsetzbar gewesen? (Beispiele):
- Umweltpolitik (Emissionsschutz, Recycling, Energiewende, Atomausstieg)
- Biologische (Land-)wirtschaft

- Staatliche Subventionen in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Forschung, Sport, Kultur, Parteien, Kirchen

- Verbot von Steuerfluchtmodellen (Finanzsektor und internationale Konzerne)

Die Prozesse auf diesen Feldern waren und sind politisch mühsam genug. Hätten sie z.B. mit TTIP erreicht werden können?

Unterstellt, Politik u. Gesellschaft engagierten sich weiter für ambitionierte Zukunftsprojekte, wären Entscheidungen unter TTIP-Bedingungen künftig denkbar?

Staatliche Förderung
• Alternativer (Umwelt-)Technologien
• Alternativer Medizin (weniger Pharma- dafür mehr Naturheilprodukte, wo sinnvoll)
• Alternativer Geld- und Finanzwirtschaft

• Auflagen an die Internetwirtschaft (z.B. Einhaltung nationaler Standards und Regeln)
• Auflagen an die private Werbe- und Medienindustrie (Einschränkungen, Normen)

Diese Fragen stellen sich Bürger über den "Chlorhuhnhorizont“ hinaus. Außerdem meine ich, dass es sowohl Politik wie auch den Medien oft schwerfällt, die Komplexität dieses Vorhabens und deren massive Auswirkungen auf die Gesellschaft in Zukunft umfassend und zugleich verständlich darzustellen. Da fiel mir die Frage „Was wäre, wenn…“ in diesem Kontext ein.

Über Ihre Gedanken dazu würde sich sehr freuen

Erich-Günter Kerschke
50997 Köln

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Kerschke,

vielen Dank für Ihre kritische Nachfrage zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP).

Mit Ihrer Einschätzung „Was wäre, wenn…“ treffen sie den Nagel auf den Kopf. Viele uns wichtige gesetzliche Regelungen und Standards würden nach Inkrafttreten von TTIP gar nicht oder ungleich schwerer durchzusetzen sein bzw. ihre Durchsetzung würde sehr kostspielig für den öffentlichen Haushalt, also für uns alle werden.

Genau aus diesem Grund kritisiert unsere Bundestagsfraktion das geplante Abkommen TTIP, ebenso wie das ähnliche Abkommen zwischen der EU und Kanada (CETA). Wir lehnen diese Abkommen ab, weil es um viel mehr geht als das „Chlorhuhn“, wie auch Sie argumentieren. Über diese umfangreichen Verträge wird in unzählige nationale und europäische Bereiche der politischen Entscheidungsfindung und der Standard- und Normsetzung eingegriffen. Für das primäre Ziel des Abbaus von Handelshemmnissen sollen politische Vorhaben und Regulierungen zwangsläufig darauf geprüft werden, ob und wie sie den Handel und die Investitionen zwischen den Vertragspartnern behindern. Ausschlaggebend wird also das Interesse von Unternehmen, Banken und Unternehmensverbänden sein, die möglichst unbelastet von „Regulierungen“ (sprich Gesetzen und Verordnungen) in Europa, den USA oder Kanada ihre Profitinteressen durchsetzen können sollen.

Die LINKE steht mit zahlreichen kritischen Bürgerinnen und Bürgern sowie Bündnispartnerinnen und Bündnispartnern in Europa und weltweit für eine völlig andere Politik. Auch wir wollen eine bessere internationale Zusammenarbeit und lehnen den Handel und grenzüberschreitende Investitionen nicht generell ab, soweit sie im gegenseitigen Interesse sind. Für uns gehört darüber hinaus jedoch die Sicherung sozialer, arbeitsrechtlicher und ökologischer Aspekte in den Mittelpunkt der Verhandlungen. Dies setzt gemeinwohlorientierte, sinnvolle und effektive gesetzliche Regulierungen, Standards und Normen voraus. DIE LINKE will u.a. eine sozial-ökologische Wende, eine gemeinwohlorientierte Wirtschaft und mehr Demokratie. Die geplanten Freihandelsabkommen TTIP/CETA sind das Gegenteil davon. Unternehmen und Investoren aus Deutschland, Europa, den USA und Kanada würde ein Freibrief ausgestellt werden. Statt rechtsstaatliche Verfahren sollen mit exklusiven Klageprivilegien in geheimen Schiedsverfahren Investoreninteressen gesichert werden. Das ist absurd und undemokratisch. Deshalb wird DIE LINKE gemeinsam mit einer breiten gesellschaftlichen Mehrheit weiter Widerstand leisten.

Für weitere Informationen zu unserer Arbeit verweise ich auf die Themenseite unserer Bundestagsfraktion (http://linksfraktion.de/ttip-stoppen) und unserer Gruppe im Europarlament (http://www.fair-handeln-statt-ttip.eu/).

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Kirsten Tackmann