Frage an Kirsten Tackmann bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Kirsten Tackmann
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Frage an Kirsten Tackmann von Unbekannt U. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Hallo werte Frau Tackmann.

Ich beschäftige mich schon seit einiger zeit mit Politik, nicht weil ich dieses Thema so toll finde, sondern weil meine Lage und das vieler meiner Freunde uns dazu zwingt dieses zu tun. Ich bin 23 Jahre und arbeitslos!
Wie wollen sie mir und vielen anderen Deutschen Arbeit geben?

Meine weite Frage ist: Wir sind mit 1.448.649.772.994 Euro verschuldet! Eine Zahl die eigentlich schon utopisch ist. Wie wollen sie diesen Schuldenberg abbauen oder ist dies gar nicht mehr möglich wegen der Zinslast die darauf liegt?

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(Anmerkung der Redaktion: Zu unserem Bedauern haben wir den Namen des Absenders versehntlich gelöscht. Wir möchten sie / ihn bitten sich bei uns zu melden.)

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte/r Ulli Schmidt,

leider haben Sie nicht mitgeteilt, welchen Schulabschluss bzw. ob Sie einen Ausbildungsabschluss haben, sonst hätte ich die Antwort vielleicht etwas spezifischer geben können. So muss ich mich auf das Grundproblem beschränken, auf das Sie mit Berechtigung hinweisen und mit dem sich ohnehin jede/r Politiker/in befassen muss. Denn die verfestigte Massenarbeitslosigkeit ist ein sehr zentrales Problem unseres Alltags.

Die Überlegungen der Linkspartei. PDS gehen davon aus, dass es grundsätzlich besser ist, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Erst Recht in Ostdeutschland, wo sich nach meiner Wahrnehmung viele Menschen noch mehr als in Westdeutschland über Erwerbsarbeit definieren. Gerade die Frauen, die in der DDR aufgewachsen sind, gehören ja zu der historisch gesehen am besten ausgebildeten Frauengeneration, für die ökonomische Unabhängigkeit eine Selbstverständlichkeit war. Auch aus diesem Grund hat hier auch die Arbeitslosigkeit spezifische – eben nicht nur materielle - Dimensionen für die Betroffenen. Dabei geht unsere Forderung nach „Arbeit in Würde“ noch einen Schritt weiter: nicht irgendeine Arbeit soll es sein, sondern jede und jeder sollte zumindest seine Existenz damit bestreiten können und, wenn immer möglich, sich nach seinen Fähigkeiten einbringen können.

Wie kann man das erreichen?

1. Schrittweise Einführung eines so genannten Öffentlichen Beschäftigungssektors Mehr als 85 Milliarden Euro kostet jährlich die Arbeitslosigkeit der Gesellschaft. Dieses Geld ist besser verwendet, wenn es in die Schaffung versicherungspflichtiger und existenzsichernder Arbeitsplätze investiert wird. Diese Arbeitsplätze sollen zusätzlich dort entstehen, wo im Interesse der Gesellschaft Arbeit geleistet werden kann, die für private Unternehmen als Dienstleistungen für Einzelne oder das Gemeinwesen nicht rentabel sind. Wir nennen das den „öffentlich geförderten Beschäftigungssektor“ (ÖBS) oder international „non-profit sector“. Das Finanzierungskonzept der Linkspartei.PDS für diesen ÖBS besteht aus drei Säulen:
* das Geld, welches Langzeitarbeitslose jetzt als ALG II plus Kosten für Unterkunft und Mehraufwandsentschädigung („Ein-Euro-Jobs“) erhalten (können), soll ihnen als Nettolohn, das heißt im Arbeitnehmerstatus und mit Arbeitsvertrag ausgezahlt werden – ohne die Zwänge und Demütigungen, die ihnen jetzt mit ALG II und Ein-Euro-Jobs zugemutet werden.
* diese Mittel sollen durch einen Teil der staatlichen Zusatzeinnahmen aufgestockt werden, die durch das von uns vorgeschlagene, gerechtere Steuersystem erzielbar wären (in Ganz-Kurzfassung: Minderung der Steuerlast für kleine und deutliche Erhöhung der Besteuerung großer Einkünfte und Gewinne - Wiedererhebung der Vermögungssteuer, Erhöhung des Spitzensteuersatzes, Erhöhung der Erbschafts- und Schenkungssteuer bei Vermögen über 5 Mio. Euro, volle Steuerpflicht für Dividenden und Veräußerungsgewinne). Netto wären mit diesem solidarischen Steuerkonzept 64 Milliarden Euro Mehreinnahmen für den Staatshaushalt erreichbar (134,2 Milliarden Mehreinnahmen, 70,2 Milliarden Mehrausgaben).
* ein weiterer Teil zur Finanzierung soll aus bereits jetzt vorhandenen Förderfonds der Länder, des Bundes und der europäischen Union in die Schaffung dieser Arbeitsplätze fließen.

2. Vorhandene Arbeit breiter verteilen
Der Trend, die Arbeitszeiten – auch Lebensarbeitszeit – wieder zu verlängern, hat die Arbeitslosigkeit nicht eingedämmt, im Gegenteil. Deshalb fordern wir eine wirksame Begrenzung der Überstundenzahl und die Reformierung des Arbeitszeitgesetzes. Wir gehen davon aus, dass mit einer durchschnittlichen regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden Arbeitsplätze in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft und der Dienstleistungen neu geschaffen werden. Die Linkspartei.PDS tritt im Weiteren für Arbeitszeitverkürzungen (mit Lohnausgleich für Beschäftigte mit geringerem Einkommen) ein, um die vorhandene Arbeit besser zu verteilen. Diese Arbeitszeitverkürzung bedeutet berufliche Perspektive für junge Menschen, mehr Zeit für Erholung, für Kinder, für Weiterbildung und bürgerschaftliches Engagement.

3. Gesetzlichen Mindestlohn einführen
Wir fordern die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes, wie er in der Mehrheit der anderen europäischen Industriestaaten bereits Gang und Gäbe ist (in 9 von 15 Ländern der „alten“ EU). Dieser Mindestlohn soll existenzsichernd sein. Wir sagen, dass er Netto der Grenze entsprechen sollte, die als nicht pfändbar anerkannt ist – also etwa 1.000 Euro. Ein gesetzlicher Mindestlohn hätte zwei Wirkungen: zum einen würde die Kaufkraft im Lande gestärkt, was dem Binnenhandel, den kleinen und mittelständigen Unternehmen Arbeit und Umsatz bringt (so auch zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt) und zum anderen in Kombination mit einem europäischen Entsendegesetz das schleichende Lohndumping in der Bundesrepublik bekämpft.

4. Stärkung der öffentlichen Investitionen
Die dramatisch gesunkene Finanzausstattung von Bund, Ländern und Kommunen haben dazu geführt, dass eine wesentliche Säule der regionalen Wirtschaftstätigkeit, die öffentlichen Investitionen, deutlich gesunken sind. Unterdessen scheitert oft sogar die Nutzung von Fördermitteln daran, dass der Eigenfinanzierungsanteil nicht mehr aufgebracht werde kann. Das muss sich ändern. Bei der Finanzierung hilf da wieder unser Steuerkonzept, das dem Bund 26,7, den Ländern 19,1 und den Kommunen 18,2 Milliarden Euro Mehreinnahmen bringen würde. Zum anderen schlagen wir vor, dass der Eigenfinanzierungsanteil für Fördermittel von 50 auf 25% reduziert wird.

Öffentliche Schulden
Die Zahlenangaben zur Höhe der Schulden differieren offensichtlich. Wir gehen von 1,3 Billionen Euro Schulden der öffentlichen Haushalte aus, für die jährlich mehr als 70 Milliarden Euro Zinsen an Kreditinstitute und andere Geldgeber zu zahlen sind. Das sind 15 Prozent der derzeitigen Steuereinnahmen, damit wird die Verschuldung der öffentlichen Haushalte zu einer sicheren Einnahmequelle für private Anlegerinnen und Anleger, insbesondere von großen Geldvermögen. Ursache für die ständig wachsende Staatsverschuldung ist zum einen die lang anhaltende hohe Arbeitslosigkeit – sie führt zu Einnahmeverlusten bei Steuern und Sozialversicherungssystemen und steigert die Ausgaben für die Arbeitslosenunterstützung. Zum anderen führen immer neue Steuergeschenke für Unternehmen ebenfalls zu sinkenden Steuereinnahmen. Aus Sicht der Linkspartei.PDS kann der schrittweise Abbau der öffentlichen Schulden vor allem durch Eingriffe in die bestehenden Verteilungs- und Vermögensstrukturen mit dem Ziel wachsender Staatseinnahmen erfolgen. Dazu soll der Körperschaftssteuersatz gewinnabhängig gestaltet werden, die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen von Kapitalgesellschaften aufgehoben und die Vermögenssteuer wieder eingesetzt werden. Gleichzeitig könnten weitaus höhere Einnahmen durch intensivere Betriebsprüfungen bei Großunternehmen und Banken sowie eine bessere personelle und technische Ausstattung der Steuerfahndung erzielt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Tackmann