Frage an Konstantin von Notz bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Wolfgang R. •

Frage an Konstantin von Notz von Wolfgang R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Von Notz,

Sie sollen ein Befürworter des Bedingungslosen Grundeinkommens sein. Stimmt diese Aussage? Wie ist Ihre Position zum BGE? Werden Sie sich - falls Sie gewählt werden - im Bundestag für eine baldige Realisierung einsetzen?

fragt freundlich
Wolfgang Roehrig

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Roehrig,

haben Sie zunächst einmal herzlichen Dank für Ihre Fragen zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE), die ich im Folgenden gerne beantworten will.

Vorweg: Die visionäre Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) hat großen Charme. Der hinter dem BGE stehende Gedanke, jedem Menschen einen bestimmten Betrag (je nach Modell zwischen 600 und 1500 Euro) zur Existenzsicherung ohne Gegenleistung zukommen zu lassen, könnte eine attraktive Alternative zum bestehenden System werden. Doch auf die Details kommt es an, und da gibt es aus meiner Sicht bisher noch viele ungelöste Probleme.

Befürworter des Grundeinkommens betonen die Möglichkeit der Verwirklichung alternativer Lebenskonzepte sowie die Chance einer grundlegenden Vereinfachung der Steuersysteme und ein damit einhergehenden Bürokratieabbau durch den Wegfall sämtlicher bisher gekannter sozialer Transferleistungen.

Wie sie vielleicht wissen, wird innerhalb meiner Partei, Bündnis 90/Die Grünen, das BGE intensiv diskutiert. Bündnis 90/Die Grünen ist die einzige Partei, die der visionären Idee des Grundeinkommens auf einem Bundesparteitag diskutierte.

Damals setzten sich die Befürworter einer so genannten Grünen Grundsicherung - wenn auch knapp - gegen die Befürworter eines Grundeinkommens durch. Hierdurch erklärt sich, dass in der Grünen Grundsicherung auch Elemente des BGEs, wie zum Beispiel die Einführung einer Bedingungslosen Grundsicherung für Kinder, eingeflossen sind.

Auch einige Landesverbände, so zum Beispiel Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein, sprachen sich auf ihren Parteitagen für ein Grundeinkommen-Modell aus.So hat der Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen in Schleswig-Holstein auf seinem Parteitag am 11. November 2007 mit knapper Mehrheit einen Beschluss zur Einführung eines Grünen Grundeinkommens gefasst. Den Beschluss mit dem Titel "Das Grüne Grundeinkommen: Individuell, Existenz sichernd, bedingungslos. Für einen neuen sozialen Zusammenhalt" sowie die dazugehörige Rede unseres Landesvorsitzenden und jetzigen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2009, Dr. Robert Habeck, der ein Befürworter des Grundeinkommens ist, finden sie unter www.sh.gruene.de .

Mein Landesverband setzt sich demnach nach wie vor für ein Grünes Modell des Grundeinkommens ein. So heißt es in einem Beschluss, der auf dem Landesparteitag am 19.04.2008 in Schleswig gefasst wurde: "Diese Vision verfolgen wir weiter und kämpfen für innerparteiliche und gesellschaftliche Mehrheiten." Gleichzeitig, so heißt es in dem Beschluss, sei man sich darüber im Klaren, dass sich dieses Modell "nicht unverzüglich umsetzen lassen wird". Vor allem letztere Auffassung teile ich und möchte sie Ihnen im Folgenden kurz erläutern.

Die grundlegende Frage bezüglich der Umsetzungschancen eines Bedingungslosen Grundeinkommens scheint mir derzeit zu sein, wie hoch das BGE denn exakt liegen soll? Hier gibt es verschiedenen Zahlen, die in der öffentlichen Diskussion kursieren und manchmal scheint es beinahe so, als würden sich die Befürworter des Grundeinkommens gegenseitig überbieten wollen. In diesem Zusammenhang muss auch die Frage beleuchtet werden, wie das BGE überhaupt gegenfinanziert werden könnte? Auch hierzu gibt es unterschiedlichste Ansätze. Nach wie vor nicht geklärt ist zum Beispiel die Frage, wie das BGE mit Rente und Pflege, wie mit anderen staatlichen Zuwendungen für besonders Hilfsbedürftige, korrespondieren könnte? Wie soll ein Übergang vom "alten" Sozialmodell in ein "neues" Sozialmodell organisiert werden? Wie lange müssten Übergangszeiträume sein? Welche Dynamik liegt in der Finanzierung angesichts des demographischen Wandels? Wird das BGE auch für im Ausland lebende Deutsche ausgezahlt? Und schließlich: Was für Umsetzungschancen und -probleme hat das BGE überhaupt in einer zunehmend globalisierten Welt und einem sich weiter transnational vernetzendem Europa?

Angesichts all dieser Fragen - insbesondere der einer seriösen Gegenfinanzierung - und bisher aus meiner Sicht nur unzureichender Antworten, halte ich eine zeitnahe Umsetzung des BGE aus heutiger Perspektive für annähernd ausgeschlossen. Richtig ist aber - und deswegen lohnt die Weiterentwicklung der Idee eines BGE allemal -, dass unser gegenwärtiges Sozialsystem dringender Reformen bedarf.

Sehr geehrter Herr Roehrig, ich danke Ihnen an dieser Stelle für das Interesse an meiner Arbeit und hoffe, Ihre Fragen in einem für Sie befriedigendem Maße beantwortet zu haben.

Mit freundlichen Grüßen aus Mölln,

Ihr Konstantin von Notz

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