Frage an Konstantin von Notz bezüglich Innere Sicherheit

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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Peter M. •

Frage an Konstantin von Notz von Peter M. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Notz,

über den Sender DLF hatten sie im Interview zum "Staatstrojaner" (sinngemäß) verbreitet es würde schwer werden einen Trojaner herzustellen, der nur die erlaubten Funktionen bereitstellt, woraus ich schließe, dass sie generell den Einsatz solcher Software befürworten, solange dieser nur die erlaubten Funktionen aufweist.

Nun stelle ich ihnen als Experte des Bundestags für Netzpolitische Themen somit auch des Internets folgende Fragen:

Wie sollte Ihrer Meinung nach ein Trojaner technisch aussehen um den Ermittlungsbehörden keine illegalen Zugriffe zu erlauben? Wie möchten Sie sicherstellen, dass der Trojaner nur die legalen Funktionen erhält? Um eine Analogie aus dem nicht Digitalen Leben zu nennen: "Lässt sich Papier herstellen welches nicht die Fähigkeit hat in ein Papierflugzeug umgewandelt zu werden?"

Ich hoffe Sie können als Experte des Internets diese Fragen beantworten.

Des weiteren frage ich mich warum Sie keine Strafen für die Politiker fordern, die mit dem Einsatz dieses Trojaners gegen Gesetze verstoßen haben. Wenigstens könnte man Fordern, dass die verantwortlichen Politiker zurücktreten, wenn es sich bewahrheitet, so wie es die Piraten machen. Sozusagen als ersten Schritt.

Mit freundlichen Grüßen,

Peter Müller

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Müller,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre Frage vom heutigen 12. Oktober 2011. Über die Gelegenheit, Ihnen noch einmal meine Position genauer darlegen zu können, freue ich mich sehr.

In der Tat habe ich in dem von Ihnen erwähnten Interview gesagt, dass ich mir nur schwer vorstellen kann, dass die äußerst präzisen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, aus dem Urteil zur sogenannten Quellen-TKÜ, technisch tatsächlich zuverlässig umgesetzt werden können.

Ihre Schlussfolgerung, dass ich vor diesem Hintergrund generell den Einsatz einer solchen Software, solange diese nur die erlaubten Funktionen aufweise, befürworten würde, ist jedoch nicht zutreffend, im Gegenteil. Bereits am 9.10.2011 habe ich folgendes in einer Pressemitteilung erklärt:

„Der Einsatz der fraglichen Software muss sofort gestoppt werden. Es ist weder aus politischer noch verfassungsrechtlicher Sicht hinnehmbar, dass das heimliche Ausspähen von Computern unter der Hand schrittweise ausgeweitet wird. Das Ausspionieren aller Vorgänge auf einem privaten Computer, das offenkundig nicht nur den Sicherheitsbehörden sondern auch Dritten möglich ist, bedeutet einen massiven Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Privat- und Intimsphäre der Bürgerinnen und Bürger. Diese erhebliche Verletzung verfassungrechtlicher Grundsätze muss Konsequenzen haben.

Ein erster Schritt hierzu muss das Ende der heimlichen Online-Durchsuchung in Bund und in den Ländern sein. Die Auswüchse der technischen Überwachung müssen zurückgedrängt werden, Bürgerrechte gehören gestärkt und nicht schrittweise durch die tägliche Praxis abgebaut.“ Ich habe also bereits am Sonntag , direkt nach Bekanntwerden der Vorwürfe politische Konsequenzen und Aufklärung gefordert.

Auch in dem von Ihnen erwähnten Interview habe ich mich folgendermaßen erklärt:

„Also das Bundesverfassungsgericht hat ja, wie in Ihrem Bericht eigentlich sehr schön beschrieben, da versucht, sehr differenziert vorzugehen und genau auf die Problematiken hinzuweisen, die hier letztlich konfrontieren, nämlich dass, wenn wir über Telekommunikationsüberwachung im Jahr 2011 sprechen, wir es eben nicht mehr mit einem Drehscheibentelefon zu tun haben, wo der Enkel die Oma am Wochenende mal anruft und da so ein bisschen bequatscht, wie es im Garten aussieht oder so, sondern Telefone sind heutzutage in der Regel Computer, vor allen Dingen die mobilen, aber auch mit Online-Telefonie und so eben die festen, und insofern berühren sie immer, wenn sie hier überwachen wollen, eben einen Kernbereich, weil Menschen eben mit dem Computer nicht nur telefonieren, sondern ganz, ganz viele Dinge machen und eben auch sehr intime. Es werden Krankheitssymptome gegoogelt und die intimsten Briefe und Tagebuchaufzeichnungen gemacht, und insofern ist man immer mit einem Fuß sozusagen in der Grundrechtsverletzung drin und deswegen stellt sich auch jetzt bei dem offenbaren Skandal um diesen Staatstrojaner die Frage, ob eine grundrechtskonforme Computerüberwachung in der Form überhaupt technisch und tatsächlich möglich ist.“

Auf die Nachfrage des Journalisten, ob ich der Meinung bin, dass dies möglich sei, antwortete ich:

„ Also ich glaube, dass es ausgesprochen schwierig ist, die sehr feinen juristischen Unterscheidungen, die das Bundesverfassungsgericht vornimmt, dann auch technisch tatsächlich umzusetzen. Und wenn dieser Staatstrojaner, den der Chaos Computer Club da jetzt analysiert hat, wenn der von staatlichen Behörden in Deutschland eingesetzt wurde, obwohl das Bundesverfassungsgericht ganz klar gesagt hat, dass es so nicht geht, dann sind hinter dieser */Frage der Umsetzbarkeit drei Fragezeichen zu machen und man muss schon darüber diskutieren, ob es nicht grundsätzlich ein Verbot geben muss, in diesen Kernbereich von Privatsphäre von staatlicher Seite zu Überwachungsgründen vorzudringen./*/“/

Auf die nochmalige Nachfrage des Journalisten, ob ich sagen würde, dass Ermittler überhaupt kein Recht mehr haben sollten, überhaupt einen Computer auszuspähen, antwortete ich:

„Ich sage, dass der Anspruch auf Grundrechtskonformität für den Rechtsstaat sozusagen die Grundlage zu allem staatlichen Handeln ist. Und aufgrund der technischen Entwicklung reden wir eben bei der Überwachung jetzt von Telefonie und Kommunikation eben nicht mehr über das analoge Drehscheibentelefon von vor 30 Jahren. Da hat der Staat unter ganz schweren Hürden und rechtlichen Grenzen sozusagen unter Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts das tun können.“

Daraufhin fragte der Journalist, ob wir nicht genau deshalb, weil die Zeiten des Drehscheibentelefons vorbei seien, ab jetzt Computer überwachen müssten, woraufhin ich wiederum antwortete (wobei der erste Satz bezgl des "müssens" eine ironische Anmerkung im Hinblick auf seine Frage war):

„Wir müssen Computer überwachen, wenn sich das grundrechtkonform ausgestalten lässt, und anhand dieses Skandals jetzt dieser Software, die vorliegt und die wahrscheinlich - ich hoffe, dass das nicht der Fall ist - von staatlicher Seite eingesetzt wurde, unter Missachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, bleibt die Frage (und die müssen wir dann in den nächsten Monaten klären), ob diese grundrechtskonforme Umsetzung der Überwachung möglich ist bei Telekommunikationsgeräten, die eben immer einen Kernbereichsbezug haben. Wenn jetzt auch Sie als Journalist überwacht werden mit Ihrem Mobiltelefon, weil man irgendwie die Telefonie überwachen will und dann gleichzeitig eben immer Zugriff hat auch auf Ihre Aufzeichnungen und auf Ihre privaten Dinge und so, dann muss man eben in der Abwägung wahrscheinlich sagen, das ist so*/ein schwerer Eingriff in unverletzbare Bürgerrechte, dass das in der Form nicht geht/*.“

Das komplette Interview können Sie hier noch einmal nachlesen bzw. nachhören: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1574605/ ,
eine entsprechende Meldung dazu hier: http://www.dradio.de/nachrichten/201110101300/1 .

Sehr geehrter Herr Müller, ich hoffe, Sie sehen, dass auch ich, wie eine Vielzahl von Juristinnen und Juristen, aber auch zum Beispiel der Vertreterinnen und Vertreter des CCC, und auch genau wie Sie, ganz erhebliche Bedenken habe, was eine technische Umsetzbarkeit des Urteils des Bundesverfassungsgerichts angeht und mich seit langem intensiv mit dieser Frage auseinandersetze. Dies habe ich im Übrigen schon am Sonntag ausgesprochen, lange bevor dies andere taten. Ich sage es gerne noch einmal ausdrücklich: Sobald nur der kleinste Zweifel besteht, dass die Überwachung nicht grundrechtskonform ausgestaltet werden kann, würde ich jederzeit den Schutz der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger über divergierende Interessen stellen.

Im Übrigen fordere ich auch bereits seit letztem Sonntag - und zwar mehrfach täglich - das aus dem jetzigen Skandal, um nichts handelt es sich nämlich, wenn sich die vom CCC erhobenen Vorwürfe als tatsächlich zutreffend erweisen, Konsequenzen gezogen werden müssen. Hierfür müssen aber erst einmal die genauen Umstände und die Verantwortlichkeit lückenlos aufgeklärt werden. Für diese Aufklärung setzen wir uns seit Sonntag mit aller Entschiedenheit ein. So hat die Grüne Bundestagsfraktion in den letzten Tagen nicht nur die diesbezüglichen Aktivitäten der Länder koordiniert, sondern zudem auch Berichte der Bundesregierung sowohl im Rechts- als auch im Innenausschuss des Bundestages initiiert. Vor dem Hintergrund einer bislang völlig unzureichenden Informationspolitik der Bundesregierung halten wir es zudem für angebracht, dass sich die Bundesregierung im Rahmen einer aktuellen Stunde im Plenum des Bundestages zu den Vorwürfen erklärt. Ich halte es nicht für sehr zielführend, bereits/vor/ der Beantwortung der Frage der Zuständigkeit und der Verantwortlichkeit, Rücktrittsforderungen zu stellen - auch weil es eine Binsenweisheit ist, dass sich die Durchschlagskraft der eigenen Forderungen, wenn diese nicht glaubwürdig hinterlegt sind, von Tag zu Tag weiter abnutzt. Oder, um es anders auszudrucken: Manchmal ist es eben doch ganz gut, sein ganzes Pulver nicht am Anfang bereits zu verschießen, vor allem wenn man nicht genau weiß, gegen wen. Ich glaube, viele Piraten haben dies in den letzten Tagen durchaus auch erkannt.

Haben Sie nochmals herzlichen Dank für Ihre Frage.

Freundliche Grüße nach Paderborn!

Ihr Konstantin Notz

P.S. Wenn Sie unsere Aktivitäten in Sachen „Staatstrojaner“ verfolgen wollen, empfehle ich Ihnen einen Blick auf unser netzpolitisches Blog http://www.gruen-digital.de , wo wir tagesaktuell über die neuesten Entwicklungen berichten.

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