Frage an Konstantin von Notz bezüglich Soziale Sicherung

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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Walter B. •

Frage an Konstantin von Notz von Walter B. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Dr. von Notz,

zurzeit gibt es eine rege Diskussion über die ansteigende Altersarmut. Den Arbeitnehmern wird geraten zu „Riestern“.
Der Bürger hat geglaubt, ich auch, dass die Zertifizierung zu einem fairen „Riestervertrag“ führt. Die Bearbeitungs- / Verwaltungsgebühren sind unangemessen hoch. Die staatlichen Zuschüsse und eigene Zahlungen werden über längere Zeit von den anfallenden Gebühren aufgezehrt.
Einem kritischen TV-Bericht zu Folge, wird in Schweden auch eine Zusatzrente angeboten. Dort wird die Zusatzrente von der staatlichen Rentenversicherung mit verwaltet. Das senkt die Verwaltungskosten und Gewinnstreben entfällt.
Dadurch fallen in Schweden nur ca. 7 % der Versicherungseinzahlungen als Kosten an. Bei den privaten Versicherern in Deutschland sind es durchschnittlich 15 %.
Für mich ergeben sich daraus drei Fragen zu freiwilligen Zusatzversicherungen im sozialen Bereich, die sie mir bitte beantworten.
1. Warum wurde (oder wird) die gesetzliche Rentenversicherung nicht für das „Riestern“ zugelassen bzw. geöffnet?

2. Für Bürger, die aus unterschiedlichen Gründen später über eine Grundversorgung nicht hinauskommen, wird die Riesterrente „verrechnet“. Damit trägt genau dieser Bürger dazu bei, trotz geringem Einkommen, die zu erwartenden Soziallasten zu mindern. Wollen Sie oder Ihre Partei diesen Zustand ändern, an dem nur die Versicherungen verdienen?

3. Ganz allgemein kann man feststellen, dass gesetzliche Sozialversicherungen von zusätzlichen Leistungsangeboten ausgeschlossen wurden. Die Krankenversicherungen dürfen keine Zusatzversicherung für z.B. Zahnersatz anbieten, obwohl die gesetzlichen Leistungen eingeschränkt wurden.
Bei der Pflegeversicherung wird wohl eine Zusatzversicherung nach dem Riestermodell angestrebt.
Hier haben private Versicherungen ein Privileg erhalten oder sollen es bekommen.
Werden Privatversicherer absichtlich bevorzugt und wenn ja, warum?

Mit freundlichen Grüßen
Walter Boller

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Boller,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an meiner Arbeit als Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag. Über beides habe ich mich sehr gefreut, zumal Sie mit der rentenrechtlichen Ungleichstellung von privater und gesetzlicher Sozialversicherungen bei der Zusatzvorsorge ein sehr aktuelles und relevantes Problem ansprechen. Da ich selbst in einem anderen Fachgebiet innerhalb der Fraktion arbeite, Ihnen aber dennoch eine fundierte Antwort zukommen lassen wollte, habe ich bei meinem fachlich zuständigen Kollegen nachgehakt und antworte Ihnen daher leider erst heute.

Durch vielfältige Reformen haben wir bislang erreicht, dass die Rentenversicherung ein Stück weit stabilisiert wurde. Diesen Weg wollen wir als grüne Bundestagsfraktion im Interesse der jungen Generation weitergehen. Hierzu gehört für uns auch der Ausbau der ergänzenden Vorsorge, damit im Alter der Lebensstandard gehalten werden kann.

Die Reformen, wie sie bisher von Frau von der Leyen vorgeschlagen wurden, bergen die Gefahr eines weiter steigenden Risikos der Altersarmut für bestimmte Gruppen. Als Grüne Bundestagsfraktion wollen wir deshalb eine „Garantierente“ einführen und langfristig die Rentenversicherung zu einer Bürgerversicherung fortentwickeln. Ursula von der Leyen bleibt in Sachen Rente eine Ankündigungsministerin. Ihr vorgelegter Entwurf musste noch vor der Ressort-Abstimmung wieder zurückgezogen werden. Auch der jetzige Kompromiss zeigt: Die FDP hat sich gegenüber der Ministerin mit ihren Vorbehalten offenbar durchgesetzt.

Zu Ihren Fragen im einzelnen:

ad 1) (Öffnung der gesetzlichen Rentenversicherung für „Riester“-Renten)

Das ist tatsächlich eine Frage, die wir geprüft haben und weiter diskutieren. Wir diskutieren derzeit die Einführung eines einfachen, transparenten, kostengünstigen und sicheren Basisprodukts als Standardweg für die staatlich geförderte zusätzliche Altersvorsorge. Dabei stellen wir uns auch die Frage, ob die gesetzliche Rentenversicherung ein solches Produkt anbieten könnte. Es gibt Argumente dafür und dagegen. Dagegen spricht, dass die Rentenversicherung bisher kaum Erfahrung hat mit der Anlage sehr großer Kapitalsummen.

ad 2) (Verrechnung von Riester-Beiträgen bei späterer Grundsicherung)

Wir schlagen die Einführung einer Garantierente für langjährig Versicherte vor, damit diese in der Regel nicht auf die Grundsicherung angewiesen sind. Bei der Garantierente sollen Einkommen aus der geförderten Altersvorsorge nicht vollständig angerechnet werden. Damit wollen wir sicherstellen, dass sich Riestern auch für Geringverdienende lohnt.

ad 3) (Sozialversicherungen und Zusatzangebote)

Wir sind - im Unterschied zu der Bundesregierung - nicht der Auffassung, dass private Versicherungen bei der sozialen Sicherheit bevorzugt werden sollten. Wir streben sowohl in der Pflegeversicherung, als auch in der Krankenversicherung schon kurzfristig eine Bürgerversicherung an. In der Rentenversicherung verfolgen wir das gleiche Ziel, wollen dies jedoch - aufgrund vieler Umsetzungsfragen - schrittweise erreichen. Ganz konkret schlägt die Bundesregierung z.B. vor den bisher nicht pflichtversicherten Selbständigen eine Wahlmöglichkeit zwischen privater und gesetzlicher Versicherung zu eröffnen. Wir halten das für falsch. Wir sind der Auffassung, dass alle Selbständigen besser in der gesetzlichen Rentenversicherung vorsorgen sollten. Denn nur so kann sicher gestellt werden, dass gleiche wirtschaftlichen Lagen auch gleich behandelt werden. Und nur so kann eine kontinuierliche soziale Sicherheit bei Erwerbsminderung und bei Reha-Bedarfen sicher gestellt werden.

In der Hoffnung, Ihre Fragen zufriedenstellend beantwortet zu haben, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen nach Groß Grönau.

Ihr Konstantin v. Notz

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