Frage an Konstantin von Notz bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Leo L. •

Frage an Konstantin von Notz von Leo L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. von Notz,

Uns interessiert, was der NSA Ausschuß unternehmen würde, wenn die Bundesregierung nicht kooperiert und Fortschritte bei der Aufklärung verhindert.
Welche Kontrollmittel stehen dem Ausschuß dann noch zur Verfügung?

Mit freundlichen Grüßen,
Schüler des Gymnasium Altenholz

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lochte,
liebe Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums in Kiel-Altenholz,

vielen Dank für Ihre und Eure Frage zu meiner Arbeit im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Überwachungs- und Geheimdienstskandal. Als „Obmann“ von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag antworte ich heute im Namen meiner Fraktion.

Seit dem Start des Untersuchungsausschusses vor über einem Jahr und zwei Jahre nach den ersten Enthüllungen von Edward Snowden hat die Bundesregierung bereits zahlreiche Mittel genutzt, um die wichtige Aufklärungsarbeit des „1. Untersuchungsausschusses in der 18. Wahlperiode“ (sogenannter „NSA-Ausschuss“) zu behindern, zu erschweren und zu verzögern. Das haben wir als Grüne immer wieder kritisiert, vor allem vor dem Hintergrund, dass Kanzlerin Merkel ja selbst immer wieder eine umfassende Aufklärung versprochen hat.

Trotz dieses Versprechens bedient sich die Bundesregierung bei Ihrer Blockadehaltung auch der Mehrheit der Abgeordneten der Großen Koalition im Ausschuss selbst, die wichtige Vorhaben der Opposition immer wieder blockieren. Dies gilt zum Beispiel für eine Aussage von Edward Snowden, also demjenigen, der die ganze Diskussion durch seine Veröffentlichungen erst ermöglicht hat, vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin.

Wie diese sind auch viele andere Entscheidungen des Ausschusses an ein Mehrheitsvotum geboten, d.h. diejenigen, die mehr Stimmen im Ausschuss haben, können letztendlich oftmals entscheiden. Da die Große Koalition sowohl im Parlament als auch im Ausschuss derzeit über eine bequeme 80-%-Mehrheit verfügt, werden sehr viele unserer Vorschläge und Anträge zur Aufklärung des Skandals einfach niedergestimmt und somit abgelehnt.

Dies gilt auch für die Einladung von Edward Snowden nach Berlin, die mit fadenscheinigen Argumenten verhindert wurde, obwohl ein einstimmiger Beschluss aller Abgeordneten für seine Vernehmung vorliegt. Als Opposition bleibt uns nichts anderes übrig, als uns bestmöglich gegen diese Entscheidungen und Blockaden zur Wehr zu setzen. Dies können wir auf verschiedenen Wegen tun, zum Beispiel, indem wir das Vorgehen der schwarz-roten Bundesregierung und der Abgeordneten der Großen Koalition öffentlich kritisieren, aber zum Beispiel auch, in dem wir damit drohen, für unsere Rechte als Opposition vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen.

Leider hat in dem konkreten Fall der Vorladung Edward Snowdens vor den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Berlin das Bundesverfassungsgericht unsere Klage ab- und uns an ein anderes Gericht verwiesen. Wir werden jetzt also, wie vom Gericht vorgeschlagen, auch noch den Bundesgerichtshof anrufen. Solche Konflikte mit Bundesregierung und Großer Koalition kosten uns als Opposition natürlich viel Kraft und Ressourcen, die wir gerne in die Aufklärung stecken würden. Daher müssen wir immer sorgsam auswählen und entscheiden, an welchen Stellen es die Mühe lohnt, gegen die anhaltenden Blockaden von Bundesregierung und Großer Koalition vorzugehen.

Weitere Beispiele für Behinderungen der Arbeit des Parlamentarischen Ausschusses sind die umfangreichen Nichtlieferungen oder unvollständigen Lieferungen von Akten, die wir als Ausschussmitglieder bekommen, um die Vorgänge aufzuklären. Auch sehr umfangreiche Schwärzungen der Akten-Inhalte unter Berufung auf besondere Schutzerfordernisse machen uns die Aufklärung nicht gerade leichter. Manchmal bekommen wir auch beinahe komplett schwarze Seiten. Darüber hinaus sind viele Akten als geheim „eingestuft“, d.h. wir dürfen nicht darüber berichten, was wir in ihnen gelesen haben.

Der aktuelle, besonders heftig umstrittene Fall ist die Hergabe einer Liste mit Suchbegriffen des US-Geheimdienstes NSA (National Security Agency), die offenbar auf den Abhöranlagen des deutschen BND (Bundesnachrichtendienst) zum Einsatz kamen. Hier besteht nach Aktenlage und Zeugenaussagen der sehr konkrete Verdacht, dass der deutsche Auslands-Geheimdienst zu wenig überprüft hat, wonach die NSA in Deutschland suchte. So gehen wir derzeit dem Verdacht nach, dass der deutsche Geheimdienst der NSA dabei geholfen haben könnte, europäische und deutsche Ziele auszuspähen, obwohl er natürlich alles hätte tun müssen, um einen derartigen Missbrauch der Überwachungskooperationen zu verhindern.

Hier versucht die Bundesregierung gerade, den Ausschuss mit einer Art „Sonderermittler“, d.h. einer Person, die Einblick in die Listen bekommen und dann dem Ausschuss berichten soll, abzuspeisen. Als Oppositionsparteien werden wir es aber nicht hinnehmen, dass uns der eigene Zugang zu den Listen verwehrt wird, weil diese zum Aktenbestand des Untersuchungsausschusses zählen und deren Inhalt wesentliche Informationen zu Art und Ausmaß des Untersuchungsauftrages Telekommunikations-Massenüberwachung zulassen.

Ich hoffe dass deutlich geworden ist, in welchem Umfang uns derzeit die Aufklärung einerseits erschwert wird, wir als Oppositionsparteien andererseits versuchen, die Bundesregierung und die Abgeordneten der Großen Koalition daran zu erinnern, dass uns auch gewisse Rechte und eigene Instrumente zur Durchsetzung unserer Aufklärungs-Interessen zur Verfügung stehen.

In diesem Zusammenhang ist es für uns natürlich wichtig, dass auch die Öffentlichkeit weiter auf eine Aufklärung pocht. Letztlich kann vor allem durch Aufmerksamkeit und Druck aus der Bevölkerung und den Medien eine wirksame Aufklärung im Ausschuss vorangetrieben werden.

Ich hoffe, Euch damit ein wenig Einblick in den Stand der Dinge bei uns im Parlament bezüglich der Aufklärung des Überwachungs- und Geheimdienstskandals gegeben zu haben. Vielleicht kommt Ihr demnächst ja mal nach Berlin und wir können den Austausch fortsetzen.

Mit herzlichen Grüßen nach Kiel!
Ihr und Euer Konstantin von Notz

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