Frage an Konstantin von Notz bezüglich Innere Sicherheit

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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Martina L. •

Frage an Konstantin von Notz von Martina L. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr von Notz,

Heiko Maas setzt sich noch nicht mit den schweren Missständen in der Pflege auseinander. Wie ist Ihre Meinung dazu? Sollte gerade die gesetzliche Betreuung nicht Thema werden? Ich wünsche mir, dass der Pflegebeauftragte dieselben Kompetenzen bekommt wie der Wehrbeauftragte, der für Whistleblower offen ist und auch die Kasernen inspiziert. Er ist unabhängig von der Bundesregierung. Wie sehen Sie das?

Wie stehen Sie dazu, dass der Sohn des ermordeten Herrn Buback dafür kämpfen muss, dass der Name des ausführenden Mörders ans Tageslicht kommt? Er stößt da auch Widerstand. Wie sehen Sie das? Sollte man ihm nicht ebenso unterstützen wie die Angehörigen der NSU-Opfer, die ja Gott sei Dank nach langen qualvollen Jahren ihren Frieden finden werden?

Sie sind informiert über die schweren Menschenrechtsverletzungen in den Heimen - was daheim passiert ist noch gar nicht Thema - die keine Einzelfälle sind. Warum sind die Grünen so zurückhaltend in der Bewertung dessen, was auf dem Tisch liegt? Kein Grüner, der aktiv in der Pflegeaktivistenszene ist. Die VDK-Klage wird nahezu ignoriert? Sehen Sie als Jurist keinen Handlungsbedarf? Muss man nicht endlich die von der EU auch festgestellte Gesetzeslücke Altenschutz schließen. Kein empörtes Wort über die Pflege?

Mit freundlichen Grüßen

Martina Lenzen

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Lenzen,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre Frage vom 26.06.2015 und Ihr Interesse an meiner Arbeit als Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen. Über beides habe ich mich sehr gefreut. Die Beantwortung Ihrer Frage hat auch deswegen einige Tage in Anspruch genommen, da es mir ein wichtiges Anliegen war, mich mit meinen Fachkollegen noch einmal hierzu auszutauschen, um Ihnen eine fundierte Antwort geben zu können.

Nun aber zu Ihren konkreten Ausführungen: Die Einschränkung von Rechten von hilfebedürftigen Menschen, die nicht mehr selbstbestimmt für sich sorgen können, ist eine Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzung und wird oft nicht als solche wahrgenommen und daher geahndet. Dabei kommt es nicht nur in Pflegeheimen, sondern auch im ambulanten Bereich oder bei der häuslichen Pflege leider oftmals zu Gewalt und freiheitsentziehenden Maßnahmen. Diese Umstände sind weder Einzelfälle, gleichzeitig aber eben auch nicht die vorwiegende Realität in den unterschiedlichen Pflegesettings. In den meisten stationären Einrichtungen ebenso wie von den meisten ambulanten Diensten wird fachlich und menschlich eine sehr gute Arbeit für die pflegebedürftigen Menschen geleistet. Um Missstände in der Pflege zu verhindern und ihnen vorzubeugen setzt grüne Politik an mehreren, ganz entscheidenden Schaltstellen an:

1. Wir brauchen eine ausreichende Personalbemessung für Pflegeeinrichtungen, damit Bewohnerinnen und Bewohner gut versorgt werden können. Wir wollen nicht, dass die Pflegekräfte aufgrund von Unterbesetzung Überlastungsanzeigen schalten, unzufrieden sind und dann aus dem Beruf aussteigen, denn damit verstärkt sich der Personalmangel noch zusätzlich. Um eine angemessene Personalausstattung zu erreichen, brauchen wir eine bundeseinheitliche, verbindliche und nachvollziehbare Regelung zur Personalbemessung, die wir anders als die unterschiedlichen heimrechtlichen Regelungen auf Landesebene zum Personalschlüssel auf Bundesebene prüfen können.

Wir Grüne sehen es als zielführend an, ein Personalbemessungsinstrument einzuführen, das es ermöglicht, den Personalbedarf vom Pflegebedarf der Bewohnerinnen und Bewohner abzuleiten. Basiert ein solches Instrument auf begründbaren und wissenschaftlich fundierten Kriterien, so liefert es gültige und zuverlässige Ergebnisse. Der Einsatz von Versichertengeldern für das benötigte Pflegepersonal lässt sich auf diese Weise transparent und nachvollziehbar begründen. Unter folgendem Link finden Sie einige weiterführende Informationen: http://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2015/mai/arbeit-der-pflegekraefte-angemessen-wuerdigen_ID_4395377.html

2. Wir setzen uns als Grüne Bundestagsfraktion auch weiterhin dafür ein, dass die Rechte von Menschen in Kliniken und stationären Pflegeeinrichtungen gemäß der Charta der Rechte Hilfe- und Pflegebedürftiger Menschen eine tatsächlich bindende Geltung erlangen. Diese Forderungen von uns Grünen sind in einem Antrag von Mai dieses Jahres zur Umsetzung der UN-Menschenrechtskonvention eingegangen. Unter folgendem Link finden Sie unseren Antrag: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/048/1804813.pdf

3. Das Ziel, gute Pflege in allen Pflegesettings zu erreichen, kann nur gelingen, wenn über die erbrachte Pflegeleistung Transparenz hergestellt wird. Wir benötigen eine gut durchdachte Qualitätssicherung und keine neuen Schnellschüsse. Als Grüne Bundestagsfraktion wollen wir die Ergebnisqualität in den Einrichtungen weiter voranbringen. Das kann zweifellos nicht von heute auf morgen passieren, und deshalb sollten bis zur flächendeckenden Einführung einer neuen Qualitätsmessung die Pflegenoten unseres Erachtens ausgesetzt werden. Gleichzeitig benötigen wir ein unabhängiges und multidisziplinär besetztes Institut für Qualität in der Pflege, damit die Qualitätskriterien auf einem guten wissenschaftlichen Fundament stehen und nicht nach dem Motto - Versuch und Irrtum entstehen. Es ist unseres Erachtens unnötig, eine Qualitätssicherung zu haben, die nur der Selbstbeschäftigung dient. Sie muss einen tatsächlichen Mehrwert haben - einen Mehrwert für alle Beteiligten. Für die Menschen mit Pflegebedarf, für deren Angehörige, für die Pflegekräfte und für die Gesellschaft. Unter folgendem Link finden Sie einige weiterführende Informationen: http://www.gruene-bundestag.de/themen/pflege/mehr-qualitaet-und-echte-transparenz-schaffen_ID_4394441.html

4. Gerade der verbesserte Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (engl. Whistleblower), mit dem ich mich in den letzten Jahren als Fachpolitiker intensiv auseinandergesetzt habe, ist mir ein persönliches Anliegen. Mit unserem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz) wollen wir Menschen schützen, die in ihren Arbeitskontexten Missstände erfahren, die Verstöße gegen geltendes Recht insbesondere gegen Menschenrechte darstellen und diese anzeigen. Hier ist auch und vor allem der Pflegebereich ein sensibler Bereich, der eine gesetzliche Regelung notwendig macht. Unseren Gesetzentwurf finden Sie hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/030/1803039.pdf

Ich hoffe, sehr geehrter Frau Lenzen, Ihnen weitergeholfen zu haben und verbleibe mit herzlichen Grüßen nach München!

Konstantin von Notz

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