Frage an Konstantin von Notz bezüglich Recht

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Konstantin von Notz
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Frage von Wilfried M. •

Frage an Konstantin von Notz von Wilfried M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr von Notz,

Sie schrieben hier (1):

"EINZELFÄLLE wie etwa der Mollath-Fall in Bayern zeigen IMMER WIEDER, dass auch die Richterschaft zweifellos nicht von strukturellen Fehlern geschützt bleibt und es daher eines Gegenwichts bedarf."

Bitte teilen Sie mir mit, was Sie in Bezug auf den (auch mir recht gut bekannten) "Mollath-EINZELFALL" -und IMMER WIEDER- konkret meinen.

Was genau bedeutet hier - auf Juristendeutsch- "Schutz vor strukturellen Fehlern"?

In meiner Berufstätigkeit stehen (persönlichkeits-)"strukturelle" Probleme mit Charaktereigenschaften (und z.B. mit Neigungen zu dissozialem/ grenzverletztendem Verhalten, Lügen/falsch Zeugnis Reden/Desinformieren/ unrichtige Atteste und Gutachten ausstellen und ausreichen bzw. dieses geschehen lassen) im Zusammenhang.

Meinen Sie auch solche "strukturellen Fehler" der "Richterschaft" und ihrer Gehilfen / Sachverständigen?

Desweiteren möchte ich von Ihnen in Erfahrung bringen, ob Sie vernünftige (humanwissenschaftlich oder / und rechtsdogmatisch begründete) Einwände gegen die Einführung einer Videografie-Duldungspflicht für Sachverständige in Psychiatrie und Psychologie (auf Wunsch des Probanden, der sich vor unrichtiger Datenerhebung schützen will) kennen.

Wäre das Teil eines "Gegenwichts", dessen sowohl die Richterschaft und ihr Umfeld (zur Vermeidung von Rechtsirrtümern und weiterem Ansehensverlust) und der Bürger (z.B. zur Vermeidung von Leid auf der Grundlage warum auch immer falscher Psycho-Etikette) bedarf?

Mit freundlichem Gruß

Dipl. med. W. Meißner
Facharzt für Anatomie, Psychiatrie und Psychotherapie a.D.
Anti-Korruption . Reformation 2014 e.V.

1) http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_konstantin_von_notz-778-78548--f441270.html#q441270

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Sehr geehrter Herr Meißner,

vielen Dank für Ihre Fragen vom 18.03.2016, die ich im Folgenden gerne beantworte.

Das Schicksal des Herrn Mollath ist ein Beispiel für Fehlverhalten in Justiz und Psychiatrie. Immer wieder werden fragwürdige Gutachter- und Unterbringungspraktiken publik. Diese Fälle waren und sind Anlass für meine Fraktion Reformen im Strafprozessrecht und Maßregelungsvollzug zu fordern.

Für die politische Aufarbeitung ist es wichtig, den Fall Mollath nicht isoliert zu betrachten, sondern im Kontext struktureller Probleme zu analysieren. Unter strukturellen Fehlern verstehen wir rechtliche und tatsächliche Missstände in Justiz und Forensik, die unrechtmäßige Unterbringungen begünstigen, jedenfalls nicht effektiv verhindern.

Beispiele im Bereich des Gutachterwesens sind Tendenzvorgaben seitens der Justiz oder eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Gutachter von Justizaufträgen - beides scheint nun auch empirisch belegt. Die von Ihnen angesprochen persönlichen Charaktereigenschaften mögen ein zusätzlicher Faktor von Fehlverhalten sein. Um diesen effektiv entgegen zu wirken bedarf es rechtsstaatlicher Entscheidungs- und Prüfprozesse.

Der Regierungsentwurf zum Unterbringungsrecht ist insoweit unzureichend. Er bringt allein punktuelle Änderungen und lässt strukturelle Missstände unberührt. Hier verweise ich Sie auf die Plenumsrede meiner Kollegin Maria Klein-Schmeink zum von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf. Die Rede finden Sie hier: http://www.klein-schmeink.de/aktuelles/meldung/unterbringung-in-der-psychatrie.html .

Als grüne Bundestagsfraktion fordern wir eine echte Reform des Maßregelrechts. Auch das gesamte Gutachterwesen gehört auf den Prüfstand. Hier erlaube ich mir, Sie auf deine Pressemittelung meiner Kollegin Maria Klein-Schmeink und meines Kollegen Hans-Christian Ströbele zu verweisen. Sie finden Sie hier: https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2015/november/psychiatrie-reform-der-bundesregierung-bleibt-halbherzig_ID_4397040.html .

Es ist ferner zu untersuchen, ob die Bestellung von Gutachtern, Anforderungen an deren Eignung sowie der Ausschluss richterlicher Einflussnahmen bei der Gutachtenerstellung genauer geregelt werden sollte. Dies habe ich in einer Antwort auf eine Frage auf abgeordnetenwatch.de vom 3.8.2014 ausgeführt. Meine damalige Antwort finden Sie hier: http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_konstantin_von_notz-778-78548--f441270.html#questions .

In diesem Kontext werden wir auch die von Ihnen angeregte Einführung einer „Videografie- Duldungspflicht“ diskutieren. Zu untersuchen ist insbesondere, inwiefern diese mit der Vertraulichkeit einer Begutachtung zu vereinbaren ist. Eine abschließende Positionierung unserer Bundestagsfraktion hierzu steht noch aus. Ich erlaube Sie aber an dieser Stelle auf die Ausführungen meiner Kollegin, der Rechtsausschussvorsitzenden Renate Künast zu verweisen, an die Sie sich in der Vergangenheit ja ebenfalls bereits mit Fragen gewendet hatten: http://www.abgeordnetenwatch.de/renate_kuenast-778-78280.html#questions .

Mit bestem Dank für Ihr Interesse an diesen rechtspolitischen Themen und freundlichen Grüßen nach Saalfeld!
Ihr
Konstantin v. Notz

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