Frage an Konstantin von Notz bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Heiko H. •

Frage an Konstantin von Notz von Heiko H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr von Notz,

bereits seit längerem ist eine große Diskussion um das EU-Urheberrechtsgesetzt, insbesondere die Artikel 11 und 13 der geplanten EU-Richtlinie im Gange.

Von sehr vielen Menschen wird befürchtet, dass eine weitere Ebene der Zensur eingezogen werden soll, und dass das Internet seinen heutigen Status als einigermaßen freies Netz verliert. Wieder scheint es auch, dass ein Gesetz, welches in Deutschland bereits vor Gericht gescheitert ist, "über Bande", d. h. über den Umweg der EU-Richtlinie eingeführt werden soll. Der weitere Vertrauensverlust der Bürger in die Politik scheint vorprogrammiert.

In diesem Zusammenhang interessiert es mich besonders, auch in Bezug auf die anstehenden Europawahlen im Mai 2019, wie die Parteien und Abgeordneten aus meinem Bundesland sich hierzu positionieren.

Von Ihrer Partei erhalte ich hierzu für mich sehr verwirrende Signale. Einerseits schreiben Sie bei Twitter mit Bezug auf das Europawahlprogram 2019 der Grünen "Unsere Beschlusslage könnte klarer nicht sein: wir lehnen #uploadfilter & #Leistungsschutzrecht klar ab"... andererseits haben ein Großteil der Grünen EU-Abgeordneten zuletzt FÜR den § 13 gestimmt (gem. saveyourinternet.eu).

Natürlich sind die Abgeordneten letzlich bei Abstimmungen nur ihrem Gewissen unterworfen. Allerdings stellt sich bei der Masse an sowohl breiter als auch fundierter Kritik an der EU-Richtlinie die Frage, warum so viele Grünen-Abgeordnte (Bütikofer, Cramer, Harms, Heubuch, Häusling, Trüpel) sich der bedenklich schwachen Argumente von Axel Voss (CDU) anschließen.

Ich würde Sie daher bitten mir mitzuteilen, wie Sie selbst zu den o. g. Konflikthemen stehen und wie Sie für die anstehende Abstimmung im EU-Parlament (im April 2019) Ihre Parteikollegen im EU-Parlament von der Demokratieschädlichkeit (für alle!) des derzeitigen Entwurfs der EU-Richtlinie überzeugen werden.

Mit freundlichen Grüße

H. H.

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr H.,

besten Dank für Ihre Frage zur EU-Urheberrechtsreform und Ihr Interesse an meiner Arbeit. Über beides habe ich mich sehr gefreut und gehe gerne auf Ihre Fragen ein.

Das neue EU-Urheberrecht wird derzeit extrem kontrovers diskutiert. Insbesondere das Leistungsschutzrecht für Presseverleger (Artikel 11) und die Haftung von Plattformen in Bezug auf urheberrechtliche Werke (Artikel 13) stehen im Blickpunkt der Diskussion.

Eine Petition gegen die Reform wurde von derzeit 4,8 Mio. Menschen unterzeichnet. Sie befürchten u.a. eine Einschränkung der Meinungsfreiheit durch sogenannte Uploadfilter. Gleichzeitig drängen KünstlerInnen und Kreative zu Recht auf einen angemessenen Schutz ihrer (Urheber)-Rechte.

Ihre Befürchtungen bezüglich des (zumindest indirekt verpflichtenden) Einsatzes von sogenannten Uploadfiltern und der Ausweitung des – in Deutschland und Spanien nachweislich gescheiterten – Leistungsschutzrechts für Presseverlage teilen wir ausdrücklich.

Die hinter der Urheberrechtsreform stehende Intention ist grundsätzlich begrüßenswert. Insgesamt ist die Reform nicht im Stande, die zahlreichen weiterhin bestehenden Fragen zu klären und die notwendige Rechtssicherheit herzustellen. Diese Rechtsunsicherheit müssen vor allem die vielen kleinen und mittleren Plattformen ausbaden, die sich dem Risiko der Haftung ausgesetzt sehen.

Um der Gefahr einer weitreichenden Haftung zu entgehen, werden sie im Zweifel Uploadfilter nutzen, die bis heute höchst fehleranfällig sind – und sich oftmals nur wenige große Anbieter leisten können. Die direkte Folge ist eine weitere Marktmachtkonzentration auf hierfür ohnehin höchst anfälligen digitalen Märkten. Umso mehr muss es hier alternative, ausgewogene, durchdachte und praxisnahe Regelungen im Sinne sowohl der UrheberInnen wie NutzerInnen geben.

Vor diesem Hintergrund lehnen wir als Grüne die entsprechenden Regelungen in dem nun vorgelegten Kompromiss, den auch die deutsche Bundesregierung mitverhandelt hat, ab. Wir wollen das Urheberrecht so modernisieren, dass Kreative fair an den mit urheberrechtlich geschütztem Material erwirtschafteten Erträgen beteiligt werden und die Meinungsfreiheit im Internet erhalten bleibt. Eine rein repressive Durchsetzung des bestehenden Urheberrechts hilft jedoch niemanden.

Während sich VertreterInnen der Großen Koalition derzeit gegenseitig die Verantwortung für den jetzigen Kompromiss zuschieben (SPD: #Merkelfilter bzw. CDU: #Barleyfilter), warnt selbst die Staatsministerin für Digitales im Bundeskanzleramt davor, ihm im EU-Parlament zuzustimmen.

Als grüne Bundestagsfraktion haben wir uns, wie auch unser Bundesvorsitzende, Robert Habeck, sehr klar positioniert. Als grüne Bundespartei beteiligen wir uns am 23. März an den europaweiten Demonstrationen und mobilisieren derzeit hierfür. Gleichzeitig wollen wir die Debatte sachgerecht und lösungsorientiert führen und die Gräben nicht einfach weiter vertiefen.

Eine Lösung für ein wirkungsvolles und angemessenes Urheberrecht muss endlich gefunden werden. Vor diesem Hintergrund haben wir sowohl im Europäischen Parlament als auch im Deutschen Bundestag immer wieder entsprechende Reformvorschläge vorgelegt.

Seit Jahren bestehende Partei-Beschlusslage ist, dass wir Uploadfilter und Leistungsschutzrecht klar ablehnen. Statt eine hoch anfällige technische Infrastruktur zu implementieren, die nach und nach auch auf andere Bereich ausgedehnt werden wird, und längst gescheiterte Instrumente auf die EU-Ebene zu übertragen, streiten wir weiterhin für tatsächliche wirkungsvolle Mechanismen zur Verbesserung der Einkommenssituation von Kreativen. In unserem aktuellen EP-Wahlprogramm zeigen wir diese ausführlich auf den Seiten 159f auf.

Das Urheberrecht muss an neue digitale Realitäten und mediale Gewohnheiten der Menschen angepasst werden. Die verschiedenen Ziele in Einklang zu bringen, ist zweifellos eine große Herausforderung. Die Bundesregierung duckt sich bislang jedoch vollständig weg. Sie fordern wir auf, endlich auch eigene Vorschläge fernab von Leistungsschutzrecht und Uploadfiltern zu unterbreiten. Sie hat bislang keine eigenen, substanziellen Vorschläge zur Verbesserung der Einkommenssituation der Kreativen im Digitalen vorgelegt, weder auf nationaler, noch auf europäischer Ebene.

Zu der von Ihnen erwähnten Abstimmung im Europäischen Parlament: Es ist richtig, dass mehrere grüne EP-Abgeordnete den ersten Entwurf in der Hoffnung, dass die Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht wieder herausgenommen werden, zugestimmt haben. Entsprechende Signale zur Bereitschaft hatte es von den Verhandlungsführern im Vorfeld der Abstimmung gegeben.

Mehrere dieser Abgeordnete haben zwischenzeitlich öffentlich klargestellt, dass sie dies nach der Vorlage des endgültigen Kompromisses, der immer noch l Uploadfilter und Leistungsschutzrecht enthält, bei der finalen Abstimmung nicht mehr tun werden, so dass ich davon ausgehe, dass die große Mehrheit der grünen Abgeordneten im Europäischen Parlament den jetzt vorliegenden Kompromiss – unserer klaren Beschlusslage folgend - im April ablehnen wird.

Ich selbst werde mich auch weiterhin, wie in den letzten zehn Jahren als Abgeordneter, dafür einsetzen, dass es zu echten Reformen beim Urheberrechts kommt, die für einen fairen Interessenausgleich im Netz sorgen und die sowohl die Rechte der Kreativen als auch die der NutzerInnen stärken. Ich freue mich, Sie bei diesem Anliegen an meiner Seite zu wissen.

Wir sehen uns auf einer der Demos am Ende März!

Mit besten Grüßen nach Ammersbek!

Ihr Konstantin v. Notz

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