Frage an Konstantin von Notz bezüglich Recht

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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Klaus N. •

Frage an Konstantin von Notz von Klaus N. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr von Notz,

ich beziehe mich auf einen post im Spiegel-Forum http://www.spiegel.de/forum/gesundheit/organspende-spahn-verteidigt-widerspruchsloesung-im-bundestag-thread-833393-4.html#postbit_70485535 , der die Rede von Jens Spahn zur verpflichtenden Organ-Gewebeentnahme im Bundestag kommentiert.

Ich möchte Sie als Jurist fragen, ob die in diesem Post von isikat getroffene Aussage, dass "...Widersprüche dann einfach verschwinden - vor allem, wenn ein Politiker oder ein Reicher unbedingt ein Organ haben möchte. Im Gegensatz zur Zustimmung. Die muss nämlich vor Organentnahme definitiv vorliegen. Aber auch hier empfiehlt sich eine Prüfung der Unterschrift vor der Entnahme, denn auch eine Zustimmung kann gefälscht werden..." in der beschriebenen Weise, zumindest vom Ergebnis her betrachtet, juristisch überhaupt möglich ist?

Wenn ja, mit welcher Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit und daraus abgeleitet, welche rechtlichen Anforderungen sind an eine Körperverwertung in der auch von Ihrem Parteienkollegen Lauterbach leidenschaftlich geforderten Weise überhaupt - aus Ihrer fachkundigen Sicht - zu stellen?

heissSPOrN sagt: "..verlange ich ein sicheres und von mehreren unabhängigen Stellen überwachtes Register, wo die Widersprüche gesammelt werden und nach Organentnahmen staatsanwaltschaftlich überprüft wird, ob diese auch rechtmässig waren. Und widerrechtliche Entnahmen wie ein Tötungsdelikt geahndet werden!.." https://www.spiegel.de/forum/panorama/spahns-organspende-konzept-sterben-und-sterben-lassen-thread-825224-9.html#postbit_69937470 .

Wäre es aus Ihrer fachkundigen Sicht gar notwendig, sich - völlig unbürokratisch und klar - ein Tattoo auf der Brust anbringen zu lassen, wie von dem Kommentator j-c-ditters gefordert: "Hände Weg !!" http://www.spiegel.de/forum/panorama/spahns-organspende-konzept-sterben-und-sterben-lassen-thread-825224-28.html#postbit_69944092 ?

Für Ihre Antwort im Voraus vielen Dank.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr N.,

Haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen und das Interesse an unserer Arbeit.

Ich persönlich bin kein Befürworter von dem Vorschlag von Gesundheitsminister Spahn, die Zustimmung eines Menschen zur Organentnahme pauschal vorauszusetzen, wenn kein expliziter Widerspruch vorliegt. Ich halte Aufklärung und Selbstbestimmung in solch persönlichen und ethisch sensiblen Fragen für zentral; zudem merkt man gerade auch an der von Ihnen zitierten Debatte auf SPON, wie viel Misstrauen in der Bevölkerung durch so einen Vorschlag entsteht. Die Kollegen Spahn und Lauterbach wecken leider damit eher Ressentiments gegenüber der Organspende, die in den meisten Fällen völlig unbegründet sind. Ich werde mich daher in der nun anstehenden parlamentarischen Debatte dafür einsetzen, dass weiterhin Organentnahmen nur dann zulässig sind, wenn der/die Betroffene der Organspende zugestimmt hat.

Wie dieses Gesetzgebungsverfahren auch ausgehen wird - es ist immer sinnvoll, seine Entscheidung zur Organspende möglichst klar zu dokumentieren und auch nahestehenden Personen mitzuteilen. Die derzeit beste Möglichkeit ist das Beisichtragen eines Organspende-Ausweises; zukünftig auch die Eintragung der eigenen Entscheidung in das öffentliche Register. Mir sind bislang keine Fälle bekannt, in denen eine solche Entscheidung von den beteiligten ÄrztInnen nicht respektiert wurde.

Zu den von Ihnen zitierten rechtlichen und fachlichen Fragen:

- Es liegt bei dem von Ihnen zitierten Beitrag offensichtlich das Missverständnis vor, dass die Zustimmung zu einer Organentnahme heute schriftlich und mit Unterschrift vorliegen muss. Das kann zwar der Fall sein, z.B. wenn die Erklärung auf einem Organspendeausweis oder in einer Patientenverfügung abgegeben wurde. Es reicht allerdings nach geltender Rechtslage auch eine mündliche Erklärung der Betroffenen oder sogar schon die Feststellung des mutmaßlichen Willens durch die Angehörigen des Betroffenen.

- Ich teile die Ansicht, dass ein von einer unabhängigen Stelle geführtes Register, in dem Erklärungen zur Organspende gespeichert werden können, der beste Weg ist, um für die Betroffenen und die beteiligten ÄrztInnen Rechtssicherheit zu schaffen. Ein solches Register soll sowohl nach dem Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Spahn und Professor Lauterbach wie auch dem Gegenentwurf der Gruppe um Annalena Baerbock, der in der nächsten Woche vorgestellt wird, geschaffen werden.

- Transplantationszentren in Deutschland werden regelmäßig von den zuständigen Landesbehörden und der Prüfungs- und Überwachungskommission der Bundesärztekammer kontrolliert. Sollten sich dabei Anhaltspunkte für Straftaten ergeben, sind diese Institutionen verpflichtet, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Das gilt z.B. auch bei dem Verdacht einer Organentnahme ohne gültige Einwilligung. Dabei handelt es sich juristisch allerdings nicht um ein Tötungsdelikt, da mit dem Hirntod auch der rechtliche Tod des Menschen eintritt. Allerdings ist eine Organentnahme ohne gültige Einwilligung nach § 19 Absatz 2 TPG strafbewehrt.

- Es ist in Deutschland auf legalem Wege nicht möglich, einer bestimmten anderen Person gezielt ein Spenderorgan zukommen zu lassen (Ausnahme: Lebendspende unter Verwandten). Die entnehmende Klinik hat keinen Einfluss darauf, wer das von ihr gemeldete Organ enthält, da die Vermittlung in Deutschland zentral über Eurotransplant und in erster Linie nach dem Kriterium der Dringlichkeit erfolgt. Ausschlaggebend für die Zuteilung an den/die spätereN EmpfängerIn sind zudem Faktoren wie Gewebekompatibilität und Blutgruppe, die nicht manipulierbar sind.

Ein zentraler Hebel für eine Steigerung der Organspenderaten in Deutschland ist die Identifikation und Meldung potenzieller Organspender. Hierfür braucht es strukturelle Verbesserungen in den Kliniken.
Darüber hinaus muss das Wissen um Organspende stärker in der medizinischen und pflegerischen Ausbildung verankert werden. Und wir brauchen ein auf Freiwilligkeit basierendes Organspenderegister. Alle erwachsenen Menschen werden regelmäßig informiert und gebeten sich einzutragen. Der Eintrag geschieht freiwillig, wird selbst vorgenommen und kann jederzeit geändert werden. Es muss moralisch als gleichwertig gelten, ob ich mich dafür oder dagegen entscheide, im Fall der Fälle Organspenderin zu sein.

Mit besten Grüßen nach Erfurt,
Konstantin v. Notz

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