Sehr geehrter Herr S.,

zunächst vielen Dank für Ihre Frage zur Bildung und Forschung.

Bildung und Forschung ist grundsätzlich in weiten Bereichen bislang Ländersache. Aus meiner Sicht müssen weitgehende Kompetenzen, gleichzeitig aber auch Finanzierungen, auf den Bund übertragen werden.
Es ist für mich nicht verständlich, warum wir uns in Deutschland 16 unterschiedliche Bildungsschwerpunkte auf allen Schul- und Studienebenen leisten und ebensoviele Finanzierungsunterschiede haben.
Durch diese Übertragungen von Verantwortung und Vereinheitlichung von Systemen sowie Rahmenplänen und Anerkennungen würde Transparenz geschaffen, überbordende Bürokratie- und Entscheidungsebenen abgebaut. Gleichzeitig käme es zu enormen Kostenreduzierungen durch Verschlankung des "Apparates", der dann wieder in Schulen und Universitäten, in Wissenschaft und Forschung - mindestens im Verhältnis 1:1 - investiert werden könnte.

Folgenden Forderungen habe ich, die auch in hohem Maße ÖDP-Forderungen sind:

6 Jahre Grundschule mit 2 Lehrkräften in einer Klasse
Erhalt der Förderschulen - Erhalt der Werkstätten für behinderte Menschen als "lebenslanges Arbeitsrecht"
Wesentlich kleinere Schulklassen - gerade im Primar- und Sekundarbereich I
Wiedererstarken / Förderung des (weltweit geschätzten) dualen Ausbildungssystems
Verbot von Schulgeld für staatlich anerkannte schulische Ausbildungen (z.B. Physiotherapie, Logopädie etc.)
einheitliches G9 - Abitur
Abkehr vom "Bulemie-Lernen" ("pauken" - "getestet werden" ("auskotzen") - vergessen") hin zu einem nachhaltigen und fächerübergreifenden, gesamtgesellschaftlichen Lernen
staatliche Förderung und Verbot (Schulen) bzw. streng reglementierte Wirtschaftsförderung (Universitäten)
Abkehr vom Bachelor und Master und Wiedereinführung von Diplomen, Staatsexamen etc. bei gleichzeitiger Entschleunigung von Lernen und Lernprozessen
Einführung eines fairen Grundeinkommens (insbesondere finanziert durch ökologische Steuerabgaben) und damit Möglichkeit der weitestgehenden Selbstfinanzierung eines Studiums ohne den Zwang, neben dem Studium zeitlich hoch belastende Jobs dauerhaft annehmen zu müssen

Noch ein Hinweis: Die ÖDP begrüßt grundsätzlich technik- und forschungsfreundliche Neuerungen, allerdings mit der klaren Zielsetzung ihres Grundsatzes: "Mensch vor Profit" - "Umwelt vor Profit". Eine allgemeine Lebensentschleunigung aufgrund immer höherer Arbeits- und Lebensverdichtung wird seitens der ÖDP angestrebt. Mehr Zeit zum (ganzheitlichen, auch selbstbestimmteren) Lernen. Viel mehr Kompetenzen für die Schulen vor Ort bei der Stoff- und Themenauswahl und bei dem, was wann abgefragt wird. Mehr ganzheitliches, umfassenderes Lernen.

Frei nach dem Motto: "Nicht für die Schule - für´s Leben lernen wir". Und ich füge hinzu: "... und das Leben besteht nicht nur aus Arbeit und Pflichterfüllung, deshalb sollte Bildung mehr umfassen als reine (Fächer-)Schulbildung aus Aus- und Fortbildung für einen Beruf.

Herzliche Grüße

Kurt Rieder