Frage an Lothar Binding bezüglich Finanzen

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Lothar Binding
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Frage von Simon S. •

Frage an Lothar Binding von Simon S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Binding,
zur Bundestagswahl 2021 führen wir (Gemeinwohlökonomie GER, Monetative e.V., Samuel-Pufendorf-Gesellschaft für politische Ökonomie e.V., Entrepreneurs4Future Stuttgart & Genossenschaft für Gemeinwohl) eine mehrstufige Befragung aller Bundestagsparteien zu den Themen Geld- und Finanzpolitik durch. Nachfolgend finden Sie das erste Fragenpaket A zu Maßnahmen im Rahmen der Corona-Krise.
A.1 Um die durch die Corona Krise entstandenen wirtschaftlichen Einbußen auszugleichen, hat die Bundesregierung ihre Ausgaben erhöht, während die Steuereinnahmen einbrachen. Dies hat zu höherer Staatsverschuldung geführt. Sollten die gestiegenen Staatsschulden als notwendiger Fakt akzeptiert werden (Staatsanleihen mit “unendlicher” Laufzeit) oder sollten sie reduziert werden? Wenn aus Ihr Sicht eine Reduktion notwendig ist, wie sollte sie zustande kommen?
- durch Steuererhöhungen welcher Art?
- durch Sparmaßnahmen in der öffentlichen Daseinsvorsorge, wo genau: Bildung, Renten, Lohnkürzungen, Kürzungen von Sozialleistungen, öffentliche Infrastruktur
- durch mehr Wachstum
- durch andere Möglichkeiten (Schuldenschnitt, Inflation, Lastenausgleich etc.)
A.2 Die Corona-Krise macht u.a. deutlich, dass vorausgegangene Sparmaßnahmen im Gesundheitsbereich (Intensivbettenabbau, Krankenhausprivatisierungen) sich negativ auf die Daseinsversorgung auswirken. Welchen Mehrwert erzielt die zunehmende Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen aus Ihrer Sicht? Würden Sie die diese auch nach den Bundestagswahlen 2021 fortsetzen?
A.3 US-Amerikanische IT-Konzerne sind Profiteure der Corona-Krise. Sie bezahlen kaum Steuern und nutzen Stiftungen, um Einfluss auf gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen zu nehmen. Mit welchen Gesetzen kann deren Einflussnahme so begrenzt werden, dass das Gemeinwohl geschützt ist? Befürworten Sie Angela Merkels Forderung, IT-Konzern weltweit stärker zu besteuern?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Sonnenberg,

vielen Dank für „Ihre“ Fragen auf Abgeordnetenwatch, auch wenn ich die Methode, diese Plattform als Sprachrohr von Verbänden zu nutzen, kritisch sehe. Dazu habe ich unten einige Fragen an Sie.

Zu den Fragen:

Eine umfangreiche Stellungnahme von mir zum Thema Staatsverschuldung und dem Umgang mit dieser finden Sie in einem kürzlich auf meiner Homepage veröffentlichten Beitrag: https://lothar-binding.de/der-staat-ist-keine-schwaebische-hausfrau/ In Kürze zusammengefasst: Deutschland kann die Schulden gut tragen, sehr viel schlechter wäre es gewesen, sich durch die Krise durchzusparen. Eine Rückzahlung der Schulden, wie wir es aus dem privaten Bereich kennen, ist auf staatlicher Ebene nicht zwingend notwendig; Marginalisierung des Schuldenstandes durch Wachstum ist ein gutes Mittel, um die Schuldentragfähigkeit weiterhin zu garantieren.

Ihre Frage nach der Privatisierung ist leider vermischt mit einer Behauptung bzw. Unterstellung. Warum sollte die Privatisierung von Gesundheitseinrichtungen aus meiner Sicht einen „Mehrwert“ erzielen? Im Gegenteil, Einrichtungen des Gesundheitsbereiches sollten dem Wohle aller Patient:innen dienen und nicht den Interessen privater Konzerne. Sie hätten ebenso einseitig unterstellen können, dass Privatisierungen einen Minderwert erzielen, einen gesellschaftlichen Verlust. In beiden Fällen sehen wir eine Suggestivfrage, eine Frage, mit der sich jemand eine bestimmte Antwort zurecht legen will. Das ist die Kategorie von Fragen, mit der Bürgerinnen und Bürger hinters Licht geführt werden sollen.

Nicht nur „US-Amerikanische IT-Konzerne sind Profiteure der Corona-Krise“, auch viele andere Konzerne und leider auch einige Kolleg:innen aus den Reihen von CDU und CSU, die ihr Bundestagsmandat missbraucht haben, um sich in und an der Krise zu bereichern. Und mit Blick auf die Verbände und Stiftungen in Deutschland und deren Lobbyismus und Versuche die Gesetzgebung zu beeinflussen, ist es Aufgabe alle Mitglieder der Parlamente und Regierungen, sich dagegen zu immunisieren. Ein Beispiel: Wenn Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg die Kanzlerin im Auftrag des Vorstands von Wirecard beeinflussen kann, in China dies oder das zu tun… mangelt es an dieser Immunisierung. Und dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob der Vorstand eine kriminelle Bande ist oder nicht. Gleichwohl: auch wenn es sich von selbst versteht – Gesetze wären hilfreich. Hier verweise ich gern auf die Forderungen von LobbyControll unter https://www.lobbycontrol.de/ Diese Vorschläge unterstütze ich.

Darüber hinaus unterstütze ich das Bestreben von Olaf Scholz und sein Engagement auf Ebene der OECD oder besser weltweit, multinationale (IT-)Konzerne durch eine Mindest- und eine Digitalsteuer stärker am Gemeinwohl zu beteiligen.

Wenn Sie sich anschauen, wer über viele Jahre hinweg eine stärkere Besteuerung von Konzernen verhindert hat - denken Sie an die Wegzugsbesteuerung, die Hinzurechnungsbesteuerung, die Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs, die Blockade bei der Reform der ShareDeals, die Verhinderung hybrider Gestaltungen, das öffentliche Country-by-Country Reporting (pCbCR), die Anzeige von Steuergestaltungen (international und national) und eben auch die Digital- und Mindeststeuer - und stattdessen Steuersenkungen für Unternehmen oder die Abschaffung des Soli für die Reichsten fordert, dann fällt Ihnen sicher auf, dass Sie auch mit Ihrer letzten Frage in Wahrheit eine (falsche) Behauptung transportieren. Das Engagement von CDU/CSU liegt in der Steuervermeidung, nicht in einer konsequenten Besteuerung.

Ich komme auf meine Bemerkung „Abgeordnetenwatch, als Sprachrohr von Verbänden“ zurück. Sie hatten mich mit getrennter Post angeschrieben, ich zitiere aus Ihrer Mail:

„Wir, das ist ein Bündnis von NGOs und Initiativen, aktuell bestehend aus der Gemeinwohl-Ökonomie, dem Monetative e.V., der Samuel–Pufendorf-Gesellschaft, den E4F-Stuttgart und der Genossenschaft für Gemeinwohl. …

Viele Bürger*innen fragen sich, wie die Parteien diese Herausforderungen meistern wollen. Stellvertretend für sie werden wir Ihnen als Expert*innen im Bundesfinanzausschuss in den kommenden Monaten einen detaillierten Fragenkatalog vorlegen. Dieser besteht aus 6 Fragenpaketen mit Schwerpunkten, die wir Ihnen auf Ihr Profil bei abgeordetenwatch.de stellen werden. Im Sinne einer transparenten Meinungsbildung planen wir, Ihre Antworten und Lösungsansätze für die anstehende Legislaturperiode 2021/25 öffentlich zu diskutieren. Bitte nehmen Sie Ihre Wähler und Wählerinnen ernst!“

Deshalb frage ich Sie, wer Sie für diese Stellvertretung autorisiert? Ich frage das deshalb, weil sich meine Wählerinnen und Wähler und auch Bürgerinnen und Bürger die mich nicht wählen, direkt an mich wenden können und dies auch fleißig in Anspruch nehmen. Ich frage das auch, weil ich Bürgerinnen und Bürger ungern über verbandliche Filter (auch noch entlang bestimmter Suggestivfragen) informiere und ich Ihre NGO Konstruktion nicht kenne, nicht weiß, wer sie finanziert, wer dahinter steckt…

Mit freundlichen Grüßen
Lothar Binding