Frage an Lothar Binding bezüglich Gesundheit

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Lothar Binding
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Frage von Heinz-Dieter S. •

Frage an Lothar Binding von Heinz-Dieter S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Binding,

mit Interesse habe ich heute in der Welt gelesen, dass sie zusagen der Vater des Rauchverbotes sind. Als Nichtraucher begrüße ich es, dass es Ihnen mit anderen Abgeordneten gelungen ist, das Rauchverbot u. a. auf in Restaurants durchzusetzen.
Es wird immer wieder argumentiert, dass es um die Gesundheit der Menschen geht. Daher wäre es wohl logisch, wenn man den Anbau von Tabak und den Verkauf von Zigaretten ganz verbieten würde.
Letzteres ist aber wohl mit der Selbstbestimmung der Menschen nicht vereinbar. Insofern meine ich, auch als Nichtraucher, dass man den sogenannten Besitzern von "Eckkneipen" erlauben sollte, nach eigenem Ermessen zu entscheiden, ob in ihre Kneipe geraucht werden darf oder nicht. Bei einer entsprechendne Kennzeichnung wäre es den Bürgern überlassen, ob sie eine solche Kneipe aufsuchen oder nicht.

Wofür ich überhaupt keine Verständnis habe, ist die Tatsache, dass die EU den Tabakanbau immer noch subventioniert, obgleich in vielen (oder in allen?) Eu-Staaten das Rauchen in öffentlichen Gebäuden verboten ist.
Es müssen sich doch eigenltich alle Abgeordneten Europaparlmentarie -bis auf wenige Lobbyisten - einig sein, das diese Subvention gestrichen wird. Warum dauert in Brüssel so lange?

Mit freundlichen Grüßen

Heinz-Dieter Schneider

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Sehr geehrter Herr Schneider,

Sie haben Recht. Es wäre logisch, „wenn man den Anbau von Tabak und den Verkauf von Zigaretten ganz verbieten würde“. Das wäre auch mit der „Selbstbestimmung der Menschen“ vereinbar, ähnlich dem Verbot von anderen Drogen oder Giften. Aber hier beginnt ein Problem, das sich jenseits der Logik ergibt: Es gibt Verfassungsinterpretationen, nach denen z.B. Tabak weder Gift noch Genussmittel ist.

Aber selbst wenn es dieses Problem nicht gäbe, wäre ich nicht für die logische Lösung, weil das einer Prohibition gleich käme. Ich schreibe deshalb „Prohibition“, weil dieses Stichwort auf die negativen Erfahrungen in den USA verweist, gewissermaßen ein Großversuch. Mit Totalverboten, wie gesagt: z.B. dem Alkoholverbot in den USA, gehen Folgewirkungen einher, die schlimmer sind als gedacht: Illegale Produktion und Vertrieb, Schmuggel, Beschaffungskriminalität etc. etc.

Ihren Gedanken „…den sogenannten Besitzern von "Eckkneipen" erlauben sollte…“ fand ich anfangs auch nicht schlecht. Er führt jedoch zu juristischen Problemen bei der Abgrenzung "Eckkneipe" und verletzt das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes - eine Bedienung hat nicht die freie Wahl, sich für einen nicht kontaminierten Arbeitsplatz zu entscheiden.

Außerdem ist es auch eine Frage der Freiheit. Die Freiheit des einen endet dort, wo die Freiheit des anderen eingeschränkt wird. So wie der Nichtraucher in der Gaststätte keinen Lärm machen darf, der die Organe der anderen Gäste schädigt, darf der Raucher nicht rauchen, weil sein Rauch alle anderen Gäste schädigen würde. Jeder soll sich so verhalten, dass niemand den Raum verlassen muss, will er vom anderen nicht geschädigt werden.

Sie schreiben: „…wäre es den Bürgern überlassen…“ – nein. Einem Bürger, der sich keinem erhöhten Krebs- oder Herzinfarktrisiko aussetzen möchte, ist es nicht überlassen… er hat nur die Wahl, auf den Besuch dieser Gasthäuser zu verzichten.

Ihre Bemerkung „…dass die EU den Tabakanbau immer noch subventioniert“ zeigt auf, wie unlogisch noch immer mit Tabak, Tabakanbau, Tabakvertrieb und Tabakkonsum umgegangen wird. Die EU-Politik ist in diesem Punkt absurd. Ab 2010 soll jegliche Tabak-Anbau-Subvention abgeschafft werden – und kurz zuvor werden die Subventionen erhöht? Leider haben sich hier bestimmte konservative Kräfte mehrheitlich durchgesetzt. Ich bin auf deren (unlogische) Erklärung gespannt.

Ich hoffe noch immer, dass die Erkenntnisse über die schlimmen Folgen des Tabakkonsums für den Körper reifen: das Krankheitsrisiko steigt erheblich, Infarkte, Kreislaufprobleme, Kehlkopfkrebs, Lungen- und Hautkrebs, aber auch Armut nehmen zu, um nur die schwerwiegendsten Folgen zu nennen. Gelbe Finger, Dauergeruch der Kleider und des Atems, regelmäßig unregelmäßiges Abhusten, schlechtere Haut will ich gar nicht erwähnen. Dazu kommen die Schäden durch Tabakanbau in den südlichen ärmsten Ländern, die Zerstörung des Miombo, des afrikanischen Urwalds, und so weiter.

Ich habe eine Beobachtung gemacht: Wenn die Wirte eine gute Ausstrahlung haben und freundlich empfangen, mit der neuen Gesundheitskomponente in Ihrem Lokal werben, saubere Toiletten zur Verfügung stellen, guten Service und gute Produkte anbieten … – dann erübrigt sich sowieso die Debatte.

Falls Sie meine Argumentation etwas genauer kennen lernen möchten, können Sie auch in mein Buch „Kalter Rauch“, erschienen im Verlag Orange Press, nachlesen.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding