Frage an Maik Reichel bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Maik Reichel
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Frage an Maik Reichel von Andreas K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Reichel!

Ihrer
Antwort an Herrn Wegener entnehme ich, dass Ihnen ein paar Informationen fehlen. Sie behaupten, das sich die "Sicherheitslage in Deutschland in den letzten Jahren stetig verschärft" hätte. Das ist _falsch_. Zumindest widerspricht ihnen hier der 2. Sicherheitsbericht [1][2], der 2006 vom BMJ veröffentlicht wurde.

Stichwort Internet. Ihnen ist offenkundlich unbekannt, was schon jetzt alles (un-)möglich ist. Bestimmte Verschlüsselungsverfahren können nicht in sinnvoller Zeit (<1 Jahr) entschlüsselt werden. Da braucht man sich erst gar nicht mit den Problemen Datenflut und Steganographie zu befassen. In diesem Zusammenhang interessieren mich Ihre ominösen "Muster", um Straftaten auch im Internet verfolgen zu können. Die gibt es nämlich nicht. Die Entropie verschlüsselter Daten ermöglicht keinerlei Aussagen zum Inhalt oder zum Verschlüsselungsverfahren. Und glauben Sie ernsthaft, das Kriminelle Klartext-Nachrichten über öffentliche Kanäle austauschen? Das machen ja noch nichtmal Unternehmen. Mehr als eine Zuordnung der an einer Kommunikation beteiligten ist nicht möglich. Die Information an sich ist und bleibt geheim. Bei all den Gesetzen, die Ihre Partei derzeit mitverabschiedet würde es mich nicht überraschen wenn bald analog zum Hackerparagraphen [3] ein Kryptographieparagraph kommt.

Was Ihre Versicherungen anbelangt, so sollten Sie sich das Protokoll [4] der Sitzung doch einmal durchlesen! Die SPD und die CDU stellen 80mio Bundesbürger unter Generalverdacht. Das ist eindeutiger Verfassungsbruch. Nun das BVG vorzuschieben ist lächerlich. Die Abstimmung hätte bis zur Urteilsverkündung warten können. Zusätzlich haben Sie sich bei der Abstimmung "nicht beteiligt". Wieso?

M.f.G.
Kirsch.

[1] http://www.bmj.bund.de/files/-/1481/PSB.pdf
[2] http://www.bmj.bund.de/files/-/1485/2.%20Periodischer%20Sicherheitsbericht%20Langfassung.pdf
[3] http://www.linux-magazin.de/content/view/full/16801
[4] http://dip.bundestag.de/btp/16/16124.pdf

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Sehr geehrter Herr Kirsch,

ich entnehme Ihrer Frage, dass Sie sich durchaus tiefgründig mit diesem Gebiet beschäftigt haben. Dennoch kann ich einige Ihrer Aussagen nicht unkommentiert lassen.

Sie haben angeführt, dass sich die allgemeine Sicherheitslage in Deutschland verbessert hat. Dem ist zweifelsohne so. Allerdings, und das ist dem (in Ihrer Quellenangabe nicht aufgeführten) aktuellen Verfassungsschutzbericht des BKA zu entnehmen, hat sich die Anzahl der politisch motivierten bzw. antisemitischen Straftaten massiv erhöht (im letzten Berichtszeitraum bereichsweise deutlich mehr als 30 Prozent). Wenn man nun hinterfragt, was Antisemitismus mit Vorratsdatenspeicherung zu tun hat, wird Ihnen jeder Verfassungsschützer bestätigen, dass das Internet Hauptverbreitungsmedium extremistischer Inhalte ist. Warum? Weil eben aufgrund der Datenmenge eine aktive Überwachung quasi nicht mehr, und eine effektive Bekämpfung solcher Straftaten nur punktuell möglich ist. An dieser Stelle helfen die erfassten Verbindungsdaten dabei Netzwerke zu identifizieren. Natürlich ist mir bekannt, dass man auch den Zugriff auf Webseiten verschleiern kann, allerdings gibt es auch für diese mutmaßlichen Straftäter keine hundertprozentige Anonymität.

Wie Sie richtig bemerkt haben, ist mittels Kryptografie der Inhalt einer Nachricht ab einem bestimmten Niveau nicht mehr zu entschlüsseln. Hier haben Sie vollends Recht und genau dies ist auch das notwendige Indiz. Welcher Bürger verschlüsselt schon seine e-Mails oberhalb von 128 bit bzw. in einer Grafik? Kein normaler Mensch würde sich für mehrere hundert Euro Verschlüsselungssoftware kaufen oder telefoniert mit abhörsicheren Leitungen, wenn er lediglich seiner Mutter zum Geburtstag gratulieren möchte.

Auch die Anwendung von Administratoren-Tools wird in Deutschland nie unter Strafe stehen solange der Administrator berechtigt Zugriff auf einen anderen Computer erlangt. Es handelt sich für mich hierbei um unqualifizierte Panikmache und zeigt, dass diesen Menschen mit Nichten verstanden haben, worum es im § 202c StGB geht.

Ähnlich verhält es sich bei den zusätzlichen Erweiterungen, die im Rahmen des Gesetzentwurfes Vorratsdatenspeicherung beschlossen wurden. Mir ist in der Bundesrepublik nichts bekannt, was nicht durch eine zweite oder dritte Person kontrolliert würde. Und Sie können sich darauf verlassen, dass sich die betroffenen Staatsanwaltschaften nicht die sprichwörtliche Butter vom Brot nehmen lassen und den deutschen Sicherheitsorganen in diesen Dingen freie Hand geben werden.

In den Bereichen Internetkriminalität und Terrorbekämpfung verhält sich all das Geschilderte ähnlich. Und gerade auch deshalb ist es wichtig, dass die Bundesrepublik auch in der Verbrechensbekämpfung auf internationalen Austausch setzt. Sie kennen sicherlich ein Beispiel, was passieren kann, wenn die eine Hand nicht weiß, was die andere gerade macht. Datenaustausch auf internationaler Ebene schafft Synergien und ermöglicht, Schwerstkriminalität mit globalem Hintergrund umfassend zu bekämpfen.

Sehr geehrter Herr Kirsch, ich hoffe hiermit auch Ihre Anfrage vom 8. November 07 beantwortet zu haben. Sollten Sie Vorschläge haben, wie man all die genannten Probleme alternativ lösen kann, lasse ich mich gerne eines Besseren belehren.

Am Tag der Abstimmung habe ich mich aufgrund eines anderen wichtigen Termins im Wahlkreis beim Präsidenten des Deutschen Bundestages entschuldigt. Zudem möchte ich Ihnen hiermit ein persönliches Gespräch aufgrund Ihrer verbalen Entgleisung bezüglich des Vergleiches mit der NPD anbieten.

Mit freundlichen Grüßen
Maik Reichel, MdB