Frage an Manfred Grund von Daniel H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Grund,
vielen Dank für Ihre Antwort vom 21.05.2015.
Auf Ihre Frage nach dem Sinn der Wiedereinführung des §100 (3) StGB Landesverrat von 1951, antworte ich Ihnen sehr gerne:
Die Stärkung der Gewissensentscheidung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages durch die Wiedereinführung des §100 (3) StGB Landesverrat (sog. Whistleblowerparagraphen) von 1951-1968:
"Ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages, der nach gewissenhafter Prüfung der Sach- und Rechtslage und sorgfältiger Abwägung der widerstreitenden Interessen sich für verpflichtet hält,
einen Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes oder eines Landes im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse zu rügen und dadurch ein Staatsgeheimnis öffentlich bekannt macht, handelt nicht rechtswidrig, wenn er mit der Rüge beabsichtigt, einen Bruch des Grundgesetzes und der Verfassung eines Landes, abzuwehren."
Denken Sie nicht auch, dass die Abwehr eines Bruches des Grundgesetzes und der Verfassung eines Landes wichtiger ist als die von Ihnen genannte "Gefährdung der Vertraulichkeit und der Aufträge von PKGr und Nachrichtendiensten"?
Wie lautet die Quelle der von Ihnen genannten Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes?
Ist Ihnen folgendes Urteil des BVerfG bezüglich der anderen Forderungen von Historiker Prof. Josef Foschepoth ebenso geläufig?:
7.12.2011 Einschlägiges BVerfG-Urteil zu Überwachungsmaßnahmen im Bereich der Strafverfolgung:
"Der Anspruch auf Benachrichtigung von verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gehört zur wesentlichen Voraussetzung effektiven Grundrechteschutzes." [...]
Bereits genannte Quelle der Informationen: [1] "Foschepoth: "Überwachungsstaat Deutschland" (2/2) beim Whistleblower Award an Edward Snowden" (Forderungen ab Minute 17:38)
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Haaser
Sehr geehrter Herr Haaser,
erneut freue ich mich, auf Ihre Frage hin meine Position darstellen zu dürfen.
Zum Thema Gewährleistung des Geheimschutzes im Bundestages möchte ich abschließend feststellen, dass gerade durch die strikte Wahrung der Geheimhaltung, u.a. im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) der Bundesregierung im Falle einer beabsichtigten Informationszurückhaltung grundsätzlich sämtliche Argumente abgeschnitten werden sollen, die auf eine besondere Vertraulichkeit der Materie abstellen. Auf diese Weise kann das Informations- und Kontrollrecht des PKGr bis an die verfassungsrechtlich geschützte Grenze des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung (Prinzip der Gewaltenteilung) heranreichen. Ohne die Gewährleistung des Geheimschutzes ist dies nicht möglich.
Da wir dies offensichtlich unterschiedlich bewerten und uns wohl kaum gegenseitig überzeugen können, möchte ich abschließend lediglich Ihre konkrete Rückfrage beantworten. In den Gründen zum Urteil vom 17. Juli 1984 (BVerfGE 67, 100) ist z.B. ausgeführt: "Die Bundesregierung, die eine eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse hat, ist aber nicht verpflichtet, Verschlußsachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Untersuchungsausschuß vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet. Aus der Befolgung der Geheimschutzordnung folgt zugleich die Pflicht des Untersuchungsausschusses, in der Begründung seiner Beschlußempfehlungen und in seinem Bericht die Mitteilung der von der Regierung übermittelten Tatsachen zu unterlassen, die in nichtöffentlicher Sitzung erörtert wurden, es sei denn, sie ist unter Geheimschutzgesichtspunkten auch nach Auffassung der Bundesregierung unbedenklich."
Wegen der grundsätzlich strikten Wahrung der Geheimhaltung muss also die Öffentlichkeit, auch die Parlamentsöffentlichkeit der übrigen Abgeordneten des Bundestages ausgeschlossen werden können. Neben dem Öffentlichkeitsprinzip werden dadurch die Statusrechte der Abgeordneten auf Freiheit und Gleichheit der Mandatsausführung aus Art. 38 Abs. 1 GG beschränkt. Derartige Eingriffe sind jedoch dann gerechtfertigt, wenn ein von der Verfassung legitimierter zwingender Grund festgestellt wird. Als zwingender Grund kommen die Belange des Geheimschutzes in Betracht. Die aktuelle Rechtsprechung des BVerfG benennt das PKGr exemplarisch für diesen Anwendungsfall (BVerfGE 130, 318).
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Grund, MdB