Frage an Manja Schüle bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

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Manja Schüle
SPD
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Frage von Ulrike H. •

Frage an Manja Schüle von Ulrike H. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Dr. Schüle,

Sie haben bei der kürzlichen namentlichen Abstimmung im Bundestag FÜR die Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration gestimmt. Haben Sie sich vor dieser Entscheidung einmal angesehen, wie diese Art der Kastration durchgeführt wird? Welche Pro- Argumente überwogen das augenscheinlich unermessliche Tierleid, welches durch diese Methode in Kauf genommen wird?

Mit fassungslosen Grüßen,
U. H.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau H.,

ich kann Ihre Sorgen sehr gut nachvollziehen und mir sind die Tiere keineswegs gleichgültig. In der Tat: Tierschutz ist ein Verfassungsziel.
Ich möchte Ihnen nachfolgend kurz schildern, was mich und meine Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion dennoch bewogen hat, dem Antrag der Bundesregierung auf eine Verlängerung der Übergangsfrist zuzustimmen, obwohl ich mit dem Verfahren sehr hadere. Aus diesem Grund habe ich auch eine persönliche Erklärung abgegeben, die ich im Anschluss an meine Antwort hier beifüge.

2013 wurde in einer Änderung des Tierschutzgesetzes die betäubungslose Kastration verboten und gleichzeitig eine Übergangsfrist bis 31. Dezember 2018 geschaffen. Das zuständige CDU-geführte Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, hat seitdem nichts unternommen, um Betäubungsmethoden, die einfach durchführbar sind und gleichzeitig effektiv betäuben, anwendungsreif zu machen.
Wir standen im Oktober dieses Jahres vor der Entscheidung: Entweder gefährden wir durch das Auslaufen der Übergangsfristen vor allem kleine und mittlere Ferkelzuchtbetriebe in ihrer Existenz, denn dann wären im Ausland gezüchtete Ferkel nach Deutschland importiert worden, die mit Methoden kastriert worden sind, die dem deutschen Tierschutzgesetz nicht entsprechen. Oder wir stimmen einer Fristverlängerung zu, die die Existenz der Ferkelzüchtenden in Deutschland sichert und holen bei den Verhandlungen wichtige Punkte für den Tierschutz heraus und legen rechtssicher fest, dass spätestens zum 31. Dezember 2020 Schluss ist mit betäubungloser Kastration.
Wir haben uns für letztere Möglichkeit entschieden und dabei erreicht:
- dass das Bundeslandwirtschaftsministerium mit einer zum 30. Mai 2019 vorzulegenden Rechtsverordnung endlich zum Handeln verpflichtet wird, nachdem es über Jahre hinweg durch Nichtstun eine unsichere Situation für die Ferkelzüchtenden herbeigeführt hat;
- dass der hohe Tierschutz-Standard von NEULAND (Betäubung mittels Masken) zukünftig bundesweit als praxistaugliche Alternative zur Verfügung steht,
- dass eine Informationskampagne durchgeführt wird, damit auch andere Alternativen wie die Ebermast oder Impfung (Immunokastration) eine realistische Chance am Markt bekommen;
- dass es Unterstützung für die Ferkelzüchtenden bei der Einführung der neuen Betäubungsmethoden geben wird;
- dass wir eine Informationskampagne und ein Förderprogramm zur Unterstützung bei der Anschaffung der Narkosegeräte auflegen, um vor allem kleine und mittlere Betriebe zu unterstützen; dass wir in einem Entschließungsantrag festhalten, dass wir nun endlich auch beim Kupieren von Schwänzen und Enthornen von Tieren den Ausstieg einläuten.

Vor diesem Hintergrund und nach Abwägung der Interessen der Ferkelzüchtenden und des Tierschutzes, konnten wir der Verlängerung der Übergangsfrist bis spätestens zum 31. Dezember 2020 letztmalig zustimmen.
Da aus unserer Sicht nicht sichergestellt ist, dass das BMEL die ausreichende Zeit bis Ende 2020 für eine Klärung auch tatsächlich nutzt, enthält der Gesetzentwurf detaillierte und verbindliche Vorgaben an das BMEL. So stellen wir sicher, dass Ferkelzüchtende nicht erneut im Stich gelassen werden.
Die Narkosemethode, die NEULAND anwendet, wird als praxistaugliche Alternative zur Verfügung stehen (Inhalationsnarkose mit Isofluran). Durch entsprechende Verpflichtungen wird es in der Übergangszeit notwendige arzneimittelrechtliche Zulassungen für Narkosemittel und die Konzeption entsprechender Schulungen für Landwirtinnen und Landwirte geben.
Erfreulicherweise haben einige Einzelhandelsketten bereits öffentlich bekannt gegeben, dass sie in ihrer Einkaufspolitik auch Fleisch aus der Ebermast und der Immunokastration (Impfung) akzeptieren werden.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen und der beigefügten persönlichen Erklärung meine Entscheidung verständlich machen.
Herzliche Grüße
Manja Schüle

Hier meine persönliche Erklärung, die ich zu dieser Abstimmung abgegeben habe:

Persönliche Erklärung nach §31 GO BT

zu der namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes mit der Drucksachennummer 19/5522 am 29.11.2018

Die heutige Abstimmung über die tierschutzrechtlichen Regelungen im Zusammenhang mit der Kastration von Ferkeln beschäftigt viele Menschen, so dass wir in dieser Erklärung zur Geschäftsordnung noch einmal darlegen wollen, warum wir dieser Fassung des Gesetzes zustimmen:

1. Zu Recht wird die Verweigerungshaltung des früheren Bundeslandwirtschaftsministers Schmidt sowie weiter Teile der Funktionäre der Verbandsvertreter und großer Teile der CDU/CSU in den vergangenen Jahren kritisiert, die fünfjährige Übergangsfrist für die Entwicklung wirklicher Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration zu nutzen. Stattdessen haben sie auf einen sogenannten vierten Weg gesetzt, der die Veränderung des Schmerzbegriffes im Tierschutzgesetz voraussetzen würde. Diese Änderung hat die SPD-Bundestagsfraktion verhindert.

2. Leider existiert in der EU kein einheitliches Tierschutzrecht. Aufgrund der unter 1) beschriebenen Defizite, stehen aktuell in Deutschland die Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration nicht flächendeckend zur Verfügung. Würde es jetzt nicht zu einer Fristverlängerung kommen, wäre zu befürchten, dass es in Deutschland zu massiven Strukturbrüchen bei den deutschen Sauenhalterinnen und Sauenhaltern käme, mit der Folge, dass Ferkel aus Ost- und Nordeuropa importiert werden würden, die gerade nicht nach deutschen Tierschutzstandards kastriert wurden und noch dazu weite Transportwege zurücklegen müssten. Vor diesem Hintergrund haben sich nahezu alle Sachverständigen in der Anhörung des Landwirtschaftsausschusses am 26. November 2018 für die Fristverlängerung ausgesprochen. Der von der Fraktion Die Linke benannte Sachverständige Dr. Palzer vom Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V. (bpt) schreibt in seiner Stellungnahme:

„Aus all diesen Gründen hält der bpt eine Verschiebung des Termins schon seit längerem für unabdingbar.“

3. Eine bloße Fristverlängerung war für die SPD-Bundestagsfraktion jedoch keinesfalls ausreichend. Anders als es CDU/CSU und FDP im Jahr 2012 getan haben, haben wir nun im Gesetz Sicherungen eingebaut, die garantieren, dass nach zwei Jahren nun wirklich die Alternativen flächendeckend zur Verfügung stehen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium wird verpflichtet, die bisherige Verweigerungshaltung aufzugeben und unter anderem im Rahmen einer Rechtsverordnung die Voraussetzungen für die Alternativmethoden flächendeckend zu schaffen – so z.B. durch die Entwicklung und Bereitstellung von Schulungsprogrammen, durch die Unterstützung der Betriebe bei der Anschaffung von notwendigen Narkosegeräten und durch entsprechende Aufklärungskampagnen. Die SPD-Bundestagsfraktion geht davon aus, dass so die Methode, die Neuland mit seinen besonders tiergerechten und umweltschonenden Haltungsformen schon seit Jahren praktiziert, Standard werden kann und somit auch eine europäische Ausstrahlungskraft entfalten kann.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), eine Organisation, die vor allem kleinere bäuerliche Betriebe vertritt und die jedes Jahr in Berlin mit vielen anderen Organisationen zu einem Paradigmenwechsel in der Agrarwirtschaft unter dem Motto „Wir haben es satt“ aufruft, begrüßt ausdrücklich den vorliegenden Gesetzesinhalt:

„Jetzt gilt es, die für Betriebe möglichen Alternativen rechtlich so schnell wie möglich abzusichern, die entsprechenden Arzneimittel und Narkosegeräte in der Fläche verfügbar zu machen und die Praktikerinnen und Praktiker im tier- und sachgerechten Umgang zu schulen … Der Gesetzentwurf, den die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD heute beschließen wollen, legt nun fest, dass das Bundesministerium BMEL endlich zu handeln hat. Das ist ein riesiger Fortschritt“

Wer die AbL kennt, weiß, dass sie diese Würdigung nicht leichtfertig abgibt.

4. Die Diskussion um die Versäumnisse des Bundeslandwirtschaftsministeriums im Zusammenhang mit der Ferkelkastration haben wir zudem dazu genutzt, generell einen Paradigmenwechsel in der Nutztierhaltung einzufordern und klare Verabredungen unter den Koalitionsfraktionen zu treffen. So fordern wir in einem heute zu beschließenden Entschließungsantrag unter anderem das BMEL darüber hinaus dazu auf, bis Mitte der Legislatur die Nutztierstrategie weiterzuentwickeln und dabei Lösungen für nicht-kurative Eingriffe, wie das Kürzen von Ringelschwänzen und das Enthornen von Rindern, vorzulegen und das Töten von Eintagsküken so schnell wie möglich zu beenden.

Ende 2019 gilt dann die Revisionsklausel, die die Umsetzung der Vorhaben dieser Koalition insgesamt beurteilen soll. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird Jede und Jeder beurteilen können und müssen, ob den Forderungen des Entschließungsantrags Rechnung getragen worden ist.

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