Warum stimmten Sie als Mitglied einer kleinen Partei für eine Sperrklausel von 3,5% bei künftigen EU-Wahlen?

MdEP Manuela Ripa (ÖDP)
Manuela Ripa
ÖDP
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Frage von Reinhard G. •

Warum stimmten Sie als Mitglied einer kleinen Partei für eine Sperrklausel von 3,5% bei künftigen EU-Wahlen?

Sehr geehrte Frau Ripa,

ich wundere mich, wenn Vertreter kleinerer Parteien für eine Sperrklausel stimmen, die ihrer Partei höchstwahrscheinlich die Chance nimmt, wieder ins EU-Parlament zu gelangen. Ich denke, dass das nicht an einem Fraktionszwang liegt? Ist eine EU-Wahl ohne Sperrklausel nicht demokratischer? Hat nicht auch das Bundesverfassungsgericht die frühere Sperrklausel von 3% bei EU-Wahlen für verfassungswidrig erklärt?

Mit freundlichen Grüßen

MdEP Manuela Ripa (ÖDP)
Antwort von
ÖDP

Sehr geehrter Herr G.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Ich habe bei der Abstimmung im Europäischen Parlament gegen die Einführung dieses neuen Wahlrechts gestimmt. Grund ist die darin enthaltene Sperrklausel von 3,5 Prozent für Europawahlen. Das würde nicht nur für die ÖDP das Aus auf europäischer Ebene bedeuten, sondern auch für die meisten der anderen kleinen Parteien aus Deutschland. Damit wären Millionen von Stimmen praktisch entwertet, und die nicht zugeteilten Sitze würden auf die großen Parteien verteilt. Sie würden also Mandate erhalten, die ihnen aufgrund des Wahlresultats eigentlich gar nicht zustünden. Insbesondere die großen Parteien aus Deutschland haben auf die Einführung der Wahlhürde bestanden. Außer Deutschland betrifft die Regelung auch kein anderes Land, da es bereits überall Sperrklauseln gibt, oder Länder so wenige Abgeordnete stellen, dass es quasi eine „natürliche“ Hürde gibt.

Bis heute haben es insbesondere CDU/CSU und SPD offenbar nicht verwunden, dass sie aufgrund der weggefallenen Sperrklausel bei Europawahlen einige Mandate an die kleinen Parteien abgeben mussten. Aber anstatt dafür zu sorgen, dass sie für Wählerinnen und Wähler attraktiver werden und dadurch ihre Ergebnisse verbessern, wollen sie sich stattdessen durch Herumpfuschen am Wahlrecht ihre Mandate zurückholen.

Das ist umso skandalöser, wenn man bedenkt, dass die ÖDP bei der letzten Europawahl ungefähr so viele Stimmen erhalten hat, wie das kleinste EU-Land Malta überhaupt Wahlberechtigte hat. Trotzdem verfügt Malta über sechs Mandate im Europäischen Parlament, aber die ÖDP soll zukünftig draußen bleiben.

Die Argumente für eine Wahlrechtshürde sind auch alle längst widerlegt. Die angebliche Zersplitterung des Europäischen Parlaments, die die großen Parteien immer wieder beklagen, hat nicht stattgefunden. Vielmehr haben sich fast alle Abgeordneten der kleinen Parteien einer Fraktion angeschlossen und sind somit in eine größere Gruppe eingebunden.

Doch noch ist unser Kampf nicht verloren. Das neue Wahlrecht muss erst noch vom EU-Rat beschlossen werden, bevor es dann von allen 27 nationalen Parlamenten ratifiziert werden muss. Meine Hoffnungen richte ich aber insbesondere auf das Bundesverfassungsgericht. Denn wie Sie richtig schreiben, hat dieses bereits zwei Mal Prozenthürden bei Europawahlen als verfassungswidrig eingestuft und dementsprechend verworfen. Nun versuchen die großen Parteien erneut, eine Sperrklausel einzuführen, diesmal über den Umweg des Europarechts.

Meine Position dazu ist auf jeden Fall deutlich: das verabschiedete Wahlrecht verstößt eindeutig gegen die deutsche Verfassung und darf deswegen nicht in Kraft treten! Meine Rede dazu im Plenum des Europäischen Parlaments können Sie hier einsehen: https://www.youtube.com/watch?v=bX_LXhwvIi4.
Gemeinsam mit der ÖDP werde ich entsprechende Schritte vorbereiten, um ggf. eine erneute Klage beim BVerfG in Karlsruhe auf den Weg zu bringen. Das schulden wir nicht nur den Müttern und Vätern unserer Verfassung, sondern auch der Demokratie insgesamt.

Mit freundlichen Grüßen

Manuela Ripa

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