Frage an Maria Flachsbarth bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Maria Flachsbarth
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Frage von Christiane G. •

Frage an Maria Flachsbarth von Christiane G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr. Flachsbarth,

wie ich aus aufmerksamer Verfolgung der hier dargestellten Themen erkennen kann, ist die Frage zu "Volksentscheidungen" immer mal wieder aufgeworfen worden.

Die Bürger werden relativ abschlägig beschieden, mit der ja richtigen Begründung, dass wir eine parlamentarische Demokratie haben. Hier stellt sich für mich allerdings die Frage, ist diese mit einem Volksentscheid gegründet worden? Oder wer hat sich das für mich ausgedacht?

Auch wenn unsere jetzige Verfassung nicht auf Volksentscheide ausgelegt ist, sollte eine Regierung diese Stimmen nicht überhören. Offensichtlich zeigt sich doch, dass sehr viele Bürger nicht mit den Entscheidungen der Regierung einverstanden sind, ansonsten wäre der Wunsch nach Volksentscheiden gar nicht entstanden. Und wenn so deutlich rüberkommt, dass der Bürger (und Zahler) etwas möchte, sollte das in keinem Fall ignoriert werden.

Ich kann in Ihren Ausführungen an Herrn Hallemann nicht erkennen, dass Volksentscheide unzulässig sind. Ich verstehe Ihre Ausführungen so, dass zu diesem Thema das Grundgesetz nur "ausgelegt" wird, aber nicht spezifisch abschlägig zu diesem Thema formuliert ist.

Vielleicht wird es Zeit, die Verfassung anzupassen. Es kann ja nicht sein, dass die Verfassung entscheidet, was die Deutschen möchten, diese Entscheidungen sollten wir schon selber treffen dürfen. Ich bin absolut entsetzt darüber, wie die Regierung mit meinen Geldern und Wünschen umgeht. Die parlamentarische Demokratie nimmt mir die Macht, mein Schicksal selber zu bestimmen. Das kann nicht grundgesetzkonform sein. Wir alle wissen, dass Wahlen heute eine ganz andere Bedeutung haben als früher. Und was heute gesagt wird, gilt morgen nicht mehr.
Ich bin absolut dagegen, dass jemand für mich Entscheidungen fällt.

Was wird getan, um diesem vielfachen Bürgerwunsch entgegenzukommen? Um im Grundsatz dafür zu sorgen, dass wir ein bißchen mehr Mitbestimmungsrecht bekommen?
Gespannt auf Ihre Antwort verbleibe ich
CG

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Gleue,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 26. Juni 2010. Ich kann Ihr Anliegen Volksentscheide auf Bundesebene zuzulassen, gut verstehen. Dennoch möchte ich Ihnen im Folgenden begründen, warum ich dennoch gegen die Zulässigkeit von Volksabstimmungen auf Bundesebene bin.

Wie Sie selbst sagen, haben Sie meine Antwort auf das Anliegen von Herrn Hallemann sehr genau gelesen und somit meine Gründe bereits erfahren. Nicht nur die Entstehungsgeschichte und die Entwicklungsgeschichte unserer Verfassung sprechen gegen eine Verfassungsänderung und die Zulassung von Volksentscheiden, sondern, völlig unabhängig von einer Auslegung des Wortlautes des Grundgesetzes auch verfassungspolitische Gründe dagegen:

Im Gegensatz zu Plebisziten, die grundsätzlich nur Ja-/Nein-Alternativen kennen, bietet das Gesetzgebungsverfahren, so wie das Grundgesetz es vorsieht, ein größeres Maß an Verfahrensrationalität, Interessenausgleich und Gelegenheit zum Kompromiss. Die Gesetzgebung, wie wir sie kennen, ist ein lernendes Verfahren. Das wäre bei Volksentscheiden so definitiv nicht möglich.

Ich möchte Sie aber auch noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass die parlamentarische Demokratie niemanden vom politischen Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozess ausschließt. Durch ein Engagement in der Gesellschaft, ob im Rahmen von Bürgerinitiativen, Vereinen oder der kommunalen Selbstverwaltung besteht sehr wohl die Möglichkeit, Einfluss am politischen Leben zu nehmen.

Eine andere Art der Einflussnahme ist die der Petition im Deutschen Bundestag oder auch im jeweiligen Landtag. Artikel 17 des Grundgesetzes (GG) sieht vor, dass jedermann das Recht hat, sich einzeln oder in Gemeinschaft schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages behandelt diese schriftlichen Bitten und Beschwerden aufmerksam und kann ggf. Gesetzesänderungen in Gang setzen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Argumente gegen Volksentscheide noch einmal verdeutlichen und zum Ausdruck bringen, dass die Bundesregierung und der gesamte Deutsche Bundestag selbstverständlich über Anregungen und Bitten aus der Bevölkerung erfreut sind und diese mit höchster Aufmerksamkeit bearbeitet und berücksichtigt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. M. Flachsbarth