Frage an Maria Flachsbarth bezüglich Finanzen

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Maria Flachsbarth
CDU
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Frage von Klaus-Peter S. •

Frage an Maria Flachsbarth von Klaus-Peter S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Dr. Flachsbarth,

die Rede des Papstes im Bundestag haben Sie sicher gehört. Er erinnerte die Abgeordneten u.a. daran, vor insbesondere wichtigen Entscheidungen sein Gewissen zu befragen. Wie werden Sie In der in der kommenden Woche anstehenden Entscheidung über die Ausweitung des europäischen Rettungsschirms stimmen? Es ist Ihre Pflicht, nur nach Ihrem Gewissen zu entscheiden: Können Sie es verantworten, dass Deutschland Bürgschaften übernimmt, die im Zweifel im Falle Ihrer Einlösung unser Land in den Bankrott führen?

Mit frdl Gruß
K. Schinkel

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Schinkel,

vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie Kritik an der Europäischen Stabilisierungsfazilität (EFSF) und am vorgesehenen Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) äußern. Auch wenn ich Ihrer Kernforderung nicht zustimme, möchte ich deutlich sagen, dass ich mir, genauso wie Sie, Sorgen über die Lage der gemeinsamen europäischen Währung mache. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns an einer Wegscheide in Bezug auf die Zukunft des Euro befinden. Es gilt, jetzt die richtigen Lehren aus den Fehlentwicklungen der ver¬gangenen Jahre zu ziehen.

Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone haben in den vergangenen Monaten verschiedene Maßnahmen im Hinblick auf die befristete Fortführung des EFSF („Europäische Finanzstabilisierungsfazilität“) bis Mitte 2013 beraten. Diese Maßnahmen sollen sowohl zu einer Erweiterung der effektiven Ausleihkapazität der EFSF führen als auch ihre Befugnisse - etwa mit der Möglichkeit von Käufen am Sekundärmarkt - erheblich erweitern.

Ich bin der Auffassung, dass insbesondere mit der Ausweitung der Befugnisse der EFSF eine Verstärkung der parlamentarischen Mitwirkungs- und Kontrollrechte einhergehen muss. Dabei gilt es einen Mittelweg zu finden, der einerseits die Handlungsfähigkeit der EFSF im operativen Geschäft gewährleistet, anderseits aber eine angemessene Beteiligung des Deutschen Bundestags bei allen wesentlichen, insbesondere haushaltsrelevanten Fragen sicherstellt.

In diesem Zusammenhang verweise ich darauf, dass der Deutsche Bundestag im Anschluss an intensive Beratungen im Jahr 2010 vier Abstimmungen, im Jahr 2011 bislang drei Abstimmungen zur Bewältigung der Euro-Schuldenkrise durchgeführt hat. Von einem Außerachtlassen der parlamentarischen Rechte während der bisherigen Rettungsmaßnahmen kann daher nicht die Rede sein.

Auch mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September schlagen die Koalitionsfraktionen vor, im Rahmen der Änderung des „Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“ an der Bedeutung der jeweiligen Entscheidung orientierte, abgestufte Mitwirkungsrechte des Bundestags vorzusehen.

1. Vorherige Zustimmung des Deutschen Bundestags zu Entscheidungen der EFSF, die zu einer Inanspruchnahme von Gewährleistungen im Rahmen des StabMechG führen.
Kerninstrument der EFSF sind Notmaßnahmen (sog. „Financial Assistance Facility Agreements“), in deren Rahmen Hilfskredite, aber auch vorsorgliche Maßnahmen, die Rekapitalisierung von Finanzinstituten, sowie Anleihekäufe am Primär- und Sekundärmarkt vereinbart werden können. Beantragt ein Euro-Mitgliedstaat ein solches Hilfsprogramm, oder sollen andere Maßnahmen beschlossen werden, die den Bundeshaushalt betreffen können, darf der deutsche Vertreter in den relevanten Gremien erst dann zustimmen, wenn der Deutsche Bundestag vorher der Übernahme von Gewährleistungen nach Artikel 1 StabMechG zustimmt. Stimmt der Deutsche Bundestag nicht zu, hat der deutsche Vertreter mit Nein zu stimmen.

2. Billigung der operativen Richtlinien der EFSF durch den Haushaltsausschuss.
Die im Rahmenvertrag der EFSF vorgesehenen Leitlinien („guidelines“) für die konkrete, operative Ausgestaltung der Anwendung der neuen Instrumente (Vorsorgliches Kreditpro¬gramm, Rekapitalisierung von Finanzinstituten, Anleihekäufe am Primär- und Sekundärmarkt) sind vom Haushaltsausschuss zu billigen, bevor der deutsche Vertreter im Gremium der EFSF diesen zustimmen kann. Der Entwurf der Leitlinien ist dem Haushaltsausschuss unverzüglich zuzuleiten, sobald dieser der Bundesregierung vorliegt.

3. Zustimmung des Haushaltsausschusses zu Änderungen an den Bedingungen für laufende Programme.
Werden die Bedingungen für bereits genehmigte Notmaßnahmen nachträglich angepasst bzw. geändert, bleibt aber der genehmigte Gewährleistungsrahmen für das jeweilige Programm unverändert, ist die vorherige Zustimmung des Haushaltsausschusses erforderlich. Dies betrifft z.B. Änderungen an der Laufzeit bzw. an der Zinshöhe für bestehende Hilfskredite, aber auch Anpassungen bei den möglichen Instrumenten einer Notmaßnahme.

4. Zeitnahe und umfassende Information des Haushaltsausschusses zu allen operativen Entscheidungen der EFSF im Rahmen des jeweiligen Gewährleistungsrahmens.
Der Haushaltsausschuss ist zeitnah und umfassend über die übernommenen Gewährleistungen und ihre ordnungsgemäße Verwendung im Rahmen aller Hilfsmaßnahmen der EFSF zu informieren, z. B., wenn einzelne Tranchen eines Kreditpakets ausgezahlt werden.

Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion war immer klar, dass sich die Bundesrepublik Deutschland keinem unüberschaubaren, in seinem Selbstlauf nicht mehr steuerbaren Automatismus einer Haftungsgemeinschaft unterwerfen darf. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September ist nunmehr auch allen Kritikern vor Augen geführt worden, dass die Bundesregierung diese Grenze nie überschritten hat.
So gut wie ausgeschlossen hat das Verfassungsgericht die von der Opposition geforderten Euro-Bonds, also die Haftungsübernahme durch eine Vergemeinschaftung von Staatsschulden. Das ist eine schallende Ohrfeige für SPD und Grüne, die mit ihrer Politik zum Nachteil der deutschen Steuerzahler auch das europarechtliche Verbot der Haftungsübernahme für andere Staaten ignorieren.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich von Anfang an gegen Euro-Bonds ausgesprochen. Abgesehen von den vielen anderen mit ihnen verbundenen Risiken würde die rot-grüne Opposition auf jeden Fall steigende Zinssätze für die öffentlichen Haushalte in Deutschland billigend in Kauf nehmen. Allein bei den Zinszahlungen der Städte, Gemeinden und Landkreise bedeutete ein Anstieg des Zinssatzes um nur ein Prozent eine jährliche Mehrbelastung von rund 1,5 Milliarden Euro. Die Oppositionsparteien würden also nicht nur strukturelle Nachteile für die Haushalte von Bund und Ländern riskieren. Sie ignorieren auch die Interessen der Kommunen, die an dieser politischen Entscheidung gar nicht beteiligt sind.

Der auf europäischer Ebene ist darüber hinaus ein neuer ESM-Vertrag vereinbart worden. Er ist aus meiner Sicht ein guter und wichtiger Baustein im Gesamtgefüge der derzeit diskutierten Änderungen an den relevanten eu¬ropäischen Regelungen und Verfahren.Eine Währungsunion ist nicht zum Nulltarif zu haben. Sie kann nur funktionieren, wenn jedes Mitgliedsland aus eigener Kraft wettbewerbsfähig ist und solide wirtschaftet. Daher verbessern wir mit der Schärfung des Stabilitätspakts und der Einführung des Euro-Plus-Pakts die Rahmenbedingungen für eine stabile und wettbewerbs¬fähige Währungsunion. Akut in Schwierigkeiten gera¬tene Euro-Länder aber müssen kurzfristig von ihren Partnern unterstützt werden. Ein sonst möglicher Flächenbrand hätte unab¬sehbare Folgen für ganz Europa und damit auch für die deutsche Wirtschaft und unsere öffentlichen Haushalte. Ziel aller jetzigen und zukünftigen Maßnahmen darf aber nur die zielgerichtete Krisenhilfe sein. Und genau dafür brauchen wir einen verlässlichen und transparenten Europäischen Stabilitätsmechanismus.

Unzutreffend ist die von verschiedener Seite vorgetragene Befürchtung, dass mit der Umsetzung des ESM das Haushaltsrecht des Deutschen Bundestages auf einen „EU-Gouverneursrat“ verlagert wird. Das Haushaltsrecht ist und bleibt das Königsrecht des Parlaments. Die Beteiligung des Deutschen Bundestages ist allen Abgeordneten ein zentrales Anliegen. Ich lege sehr großen Wert darauf, dass der Deutsche Bundestag allen Vereinbarungen mit finanzieller Auswirkung zustimmen muss.
Zudem möchte ich Ihrer These widersprechen, dass mit dem ESM eine Transferunion und eine Haftungsgemeinschaft eingerichtet werden. Hilfen für notleidende Euro-Staaten wird es nur im Einzelfall und unter strikten Bedingungen und Auflagen geben, nicht zuletzt unter Beteiligung der privaten Gläubiger. Natürlich sind Belastungen für die Steuerzahler nicht ausgeschlossen. Ich glaube aber, dass das Risiko auf das notwendige Mindestmaß beschränkt bleibt.
Insgesamt bin ich von der Notwendigkeit des ESM überzeugt und setze mich daher ausdrücklich für die Zustimmung zum ESM im Deutschen Bundestag ein., der in den kommenden Monaten das Parlament noch intensiv beschäftigen wird.

Sehr geehrter Herr Schinkel, die Worte des Papstes im Plenum des Deutschen Bundestages in der vergangenen Woche haben mich tief beeindruckt. Als Politiker müssen wir nach unvorhersehbaren Entwicklungen oft wichtige Entscheidungen in kürzester Zeit treffen. Die Euro-Schuldenkrise ist dafür ein Beispiel. Als Abgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion versuche ich dabei stets, unser auf dem christlichen Menschenbild basierendes Wertefundament im Blick zu behalten.

Wäge ich nun vor diesem Hintergrund meine Entscheidung zur Rettung des Euro ab, ist eine Zustimmung zu den Gesetzentwürfen der Bundesregierung die vernünftigste. Würden wir Abgeordnete den Hilfsmaßnahmen nicht zustimmen, so wären die Folgen unübersehbar. Das Inkaufnehmen einer Zahlungsunfähigkeit Griechenlands würde umgehend all jene unzähligen europäischen Firmen und Banken in Schieflage bringen, die in Griechenland investiert haben. Spekulanten begännen sofort, massiv gegen weitere Länder wie Portugal, Irland und Italien zu spekulieren – es würde ein Dominoeffekt eintreten. Die Folgen auch auf Arbeitsplätze und private Renten in Deutschland wäre unabsehbar. Einer solchen Politik werde ich nicht zustimmen.

Es bleibt somit nur die für Griechen und Europäer aufreibende, mühsame Rettung des Landes. Insgesamt halte ich deshalb die genannten gesetzlichen Maßnahmen für unausweichlich, um die Stabilität des Euro, die im besonderen Interesse Deutschlands liegt, nicht nur kurzfristig, sondern auch auf die lange Sicht auf ein stabiles Fundament zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen

Maria Flachsbarth