Frage an Markus Herbrand von ingo m. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Herbrand,
der Bundestag hat Ende vergangenen Jahres Änderungen am EstG u.a. im Hinblick auf die Anrechenbarkeit von Verlusten aus s.g. Termingeschäften beschlossen (Drs. 649/19 Art. 5).
Ist Ihnen bekannt, dass diese Änderungen etwa bei "Stillhaltergeschäften" zu Steuersätzen von mehreren Hundert Prozent des erzielten Einkommens führen können, die Steuerlast u.U. dramatisch invers zur erzielten Einkommenshöhe schwankt und ggf. sogar Verluste erheblich besteuert werden?
Wie beurteilen Sie angesichts des (in Abhängigkeit vom erzielten Einkommen) willkürlichen Steuerverlaufs die verfassungsrechtliche Qualität der Entscheidung (Prinzipien der horizontalen und vertikalen Leistungsfähigkeit) und beabsichtigt die FDP Fraktion diese überprüfen zu lassen?
Vielen Dank für Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Moll
Sehr geehrter Herr Moll,
vielen Dank für Ihre Frage vom 14. Januar 2020, in der Sie mich nach meinem Kenntnisstand zu den Folgen der vom Finanzausschuss mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD beschlossenen Änderungen bei der Anrechenbarkeit von Termingeschäften im Rahmen des „Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“ befragen. Die Folgen sind uns Freien Demokraten sehr deutlich.
So können Verluste aus Termingeschäften, insbesondere aus dem Verfall von Optionen, infolge der in meinen Augen unseriösen Nacht-und-Nebel-Aktion kurz vor Weihnachten und der dabei neu eingeführten Regelung in § 20 Absatz 6 Satz 5 EStG künftig nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit den Erträgen aus Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden. Die Verlustverrechnung ist dabei auf 10.000 Euro beschränkt. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 10.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Stillhalterprämien verrechnet werden, wenn nach der unterjährigen Verlustverrechnung ein verrechenbarer Gewinn verbleibt. Die Verluste können nicht mit anderen Kapitalerträgen verrechnet werden.
Wie Sie richtig ausführen, sind durch diese Beschränkung der Verlustverrechnung bei Einkünften aus Termingeschäften und aus dem Ausfall von Kapitalanlagen im Privatvermögen einseitig private Anleger steuerlich erheblichen Mehrbelastungen ausgesetzt. Auch Ihr Hinweis, dass bei der kritisierten Gesetzeslage sogar Konstellationen denkbar sind, in denen die zu zahlende Steuer die Höhe der Gewinne übersteigt, da Verluste nicht mehr gegengerechnet werden können, ist absolut richtig. Diese steuerliche Behandlung verstößt nach unserer Ansicht gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Steuersystematik und der Leistungsfähigkeit. Ebenso wurden mit der Gesetzesänderung eine Reihe von Urteilen des Bundesfinanzhofes ausgehebelt.
Die FDP-Bundestagsfraktion lehnt die Änderungen aus den genannten Gründen deutlich ab. Es kann nicht sein, dass einerseits alle Gewinne besteuert, aber andererseits Verluste nicht richtig berücksichtigt oder auf Jahre in die Zukunft verschoben werden. Gerade der Einsatz von Optionen kann eine sinnvolle Strategie zur Absicherung eines Depots auch für Privatanleger sein. Wenn sich das Depot dann in die erhoffte Richtung entwickelt, ist es logisch, dass die entgegengesetzte Absicherung verfällt.
Bei der Abstimmung im Finanzausschuss haben wir Freien Demokraten unsere Ablehnung der Gesetzesänderung bzgl. der Nichtberücksichtigung von Kapitalverlusten sehr klar artikuliert und konkrete Änderungsvorschläge eingebracht. Bedauerlicherweise wurde unser sog. Entschließungsantrag im Finanzausschuss dennoch von den Regierungsfraktionen abgelehnt. In der Folge wird Anlegern die private Vorsorge mit Hilfe von Kapitalanlagen deutlich erschwert. Die neue Regelung führt dazu, dass die eigentlich zu fördernden privaten Anlagen an Attraktivität verlieren.
Gepaart mit dem unausgegorenen und ebenfalls einseitig private Kleinanleger belastendem Konzept von Bundesfinanzminister Olaf Scholz zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung der Grundrente könnte es in den Folgejahren zum Supergau bei der privaten Vorsorge mit Kapitalanlagen kommen. Niemand wird Geld anlegen, wenn er Gefahr läuft, am Ende zu hohe oder sogar den Gewinn übersteigende Steuern abzuführen.
Angesichts dieser Gemengelage und der sich noch weiter verschärfenden angespannten Lage bei den Rentenkassen werden wir die Bundesregierung auch im neuen Jahr dazu auffordern, private Vorsorge zu stärken, anstatt sie zu schwächen. Kapitalanlagen sind dabei ein entscheidender Baustein. Deren steuerliche Bewertung muss transparent und fair erfolgen. In diesem Sinne müssen Verluste ebenso geltend gemacht werden dürfen wie Gewinne.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Herbrand MdB