Frage an Martin Gerster bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Martin Gerster
SPD
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Frage von Gerhard B. •

Frage an Martin Gerster von Gerhard B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Gerster,

wo liegt der Globale Pakt in deutschem Interesse ?
Und wer muss dafür zahlen?

Mit freundlichen Gruß
G.B.

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SPD

Sehr geehrter Herr B.,

Sie haben mir bezüglich des geplanten „Globalen Pakts für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ geschrieben. Darauf möchte ich gerne antworten, und bei dieser Gelegenheit zu einigen Punkten Stellung beziehen, die über den Inhalt des sogenannten Migrationspaktes derzeit gezielt und faktisch falsch verbreitet werden.

Das vorliegende Papier ist das Ergebnis der Verhandlungen und Diskussionen von Vertretern aller UN-Mitgliedsstaaten. Auch Länder wie Österreich, Polen, oder Ungarn, die sich nun überrascht und ablehnend geben, waren natürlich an diesen Verhandlungen beteiligt. Wie alle Papiere, auf denen „Vereinte Nationen“ draufsteht, ist dieses Papier nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis dessen, was die Mitgliedstaaten selbst vereinbart haben. Die Bundesrepublik Deutschland hat erfolgreich eigene Schwerpunkte in die Verhandlungen eingebracht: Ursachen irregulärer Migration sollen minimiert, also Fluchtursachen bekämpft werden. Die Bundesregierung hat das Parlament außerdem regelmäßig über den Verlauf der Verhandlungen informiert, die Dokumente dazu sind - wie auch der Pakt selbst - öffentlich einsehbar (u.a.: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/047/1904763.pdf; für den Pakt siehe: http://www.un.org/depts/german/migration/A.CONF.231.3.pdf ). Von Verschweigen - wie es vonseiten der AfD verbreitet wird - kann also keine Rede sein. Völkerrechtlich nicht bindende Abkommen werden üblicherweise auch nicht im Parlament diskutiert, da sie eben keine Bindungswirkung entfalten. Dennoch fand aufgrund des großen öffentlichen Interesses eine Debatte im Deutschen Bundestag statt (vgl.: http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/19/19061.pdf ).

Zentrales Anliegen des Globalen Migrations-Paktes: Reguläre, geordnete, legale Migration stärken, um dadurch irreguläre Migrationsbewegungen zu beenden. Der Pakt soll ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Staaten von regulärer Migration profitieren, und daher in Kooperation auf nationaler Ebene einen legalen Rahmen dafür erarbeiten. Demgegenüber sollen die negativen Folgen irregulärer Migration für die Herkunfts-, Transit- und Zielländer ebenso wie für die Migranten selbst betont werden. Die Ziele des Migrationspaktes sind dementsprechend:

- Eine bessere Datenerhebung in Kontexten von Migration (vgl. Abs. 17 und 33)
- Minderung struktureller Faktoren von irregulärer Migration (vgl. Abs. 18)
- Stärkung sicherer, geordneter und regulärer Zuwanderungswege (vgl. Abs. 21)
- Grenzüberschreitende Bekämpfung von Menschenschmuggel und -handel (vgl. Abs. 25 und 26)
- Verbesserte Kooperation im Grenzmanagement, um irreguläre Migration zu verhindern (vgl. 27)
- Stärkung und Schutz von Kinderrechten und Frauenrechten (vgl. Abs. 15)
- Gewährleistung des Zugangs zu Grundleistungen, um Fehlanreize zu vermeiden (vgl. Abs. 31)
- Internationale Zusammenarbeit zur Ermöglichung sicherer und würdevoller Rückkehr und nachhaltiger Reintegration (vgl. Abs. 37)

Ich kann nicht erkennen, inwiefern diese Ziele die Sicherheit und Freiheit unserer Gesellschaft bedrohen sollen, vielmehr sind sie im äußersten Interesse einer deutschen und europäischen Migrationspolitik, die auf Kooperation und Solidarität aufbaut. Nationale Alleingänge helfen in diesem Themenfeld - wie das Jahr 2015 gezeigt hat - nicht.

Eine vielfach verbreitete Fehlinformation zum Migrationspakt betrifft die nationale Souveränität. Deren Wahrung ist tatsächlich aber ein Leitprinzip des Globalen Pakts. Er „bekräftigt das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln“. Auch zur Verbindlichkeit des Vertrags kursieren viele Halb- und Unwahrheiten. Der Pakt ist kein völkerrechtlicher Vertrag, wird nicht unterschrieben, und ist nicht bindend. Er ist vielmehr eine Absichtserklärung, eine Gesprächsgrundlage, zu der sich die unterzeichnenden Staaten bekennen. Der Ansicht, dass der Vertrag auf lange Sicht gewohnheitsrechtlich bindende Wirkung entfalten könnte, wird von verschiedenen Völkerrechtlern widersprochen. Weiterhin möchte ich betonen, dass mit dem Globalen Pakt keine neuen rechtlichen Kategorien geschaffen werden. Schon aufgrund der rechtlichen Unverbindlichkeit verweist er lediglich auf bestehendes Völkerrecht, ein „Menschenrecht auf Migration“ wird – anders als vielfach behauptet – nicht proklamiert. Aufgrund der Nichtverbindlichkeit entstehen keine Kosten. Viele der im Pakt formulierten Ziele - etwa bei den Standards für Unterbringung, Versorgung und Integration der Migranten - sind vor allem für die anderen Staaten relevant, da sie in Deutschland bereits umgesetzt sind. Gerade diese gemeinsamen Standards senken dabei die Anreize, etwa nach Europa weiterzuziehen.

Dass der Pakt die Immigration von Millionen Zuwanderern fördern würde, ist deshalb eine Unwahrheit, die von der AfD und anderen rechtsextremen Kräften gezielt verbreitet wird. Das Gegenteil ist der Fall: Der Globale Pakt Migration möchte irreguläre Migrationsbewegungen, wie wir sie 2015 erlebt haben, verhindern, indem steuerbare Mechanismen regulärer Migration geschaffen werden. Wie diese Mechanismen konkret aussehen sollen, darüber werden wir diskutieren müssen. Migrationsprozesse aber sind eine globale Realität – so wie der Klimawandel, die Mondphasen oder die Landflucht. Diese Herausforderung zu ignorieren ist ebenso wenig erfolgversprechend wie Versuche, sie hinter Mauern und Zäunen auszuschließen. Der Globale Pakt Migration ist dagegen ein überfälliges Grundsatzpapier, das erlaubt, Migration in internationaler Zusammenarbeit nachhaltig, geordnet und zu unser aller Nutzen zu gestalten. Wer versucht, diese Chance – noch dazu unter Verwendung von Fehlinformationen und Hetze – zu torpedieren, trägt dazu bei, dass sich Migrationsbewegungen irgendwann erneut auf irregulären Wegen Bahn brechen.

Ich werde mich deshalb entschieden gegen diese Versuche und im Interesse Deutschlands und Europas weiterhin für diesen Pakt einsetzen, und hoffe, dass Sie mit meiner Antwort Verständnis, vielleicht sogar Unterstützung für diese Haltung aufbringen können.
Bitte zögern Sie nicht, sich bei offenen Fragen gerne wieder an mich zu wenden.

Herzlichst

Martin Gerster

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