Frage an Martin Gerster bezüglich Umwelt

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Martin Gerster
SPD
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Frage von Armin S. •

Frage an Martin Gerster von Armin S. bezüglich Umwelt

Guten Tag, Herr Gerster,
die SPD setzt sich lobenswerterweise sehr für den Klimaschutz ein.
Die ergriffenen Maßnahmen sind allerdings in 2 Bereichen extrem problematisch.
1. Bei der Photovoltaik werden bereits heute 26 Mrd € innerhalb der kommenden Jahrzehnte als Aufschlag auf alle Stromrechnungen auf uns zukommen. In Plusminus kam dazu ein - für die Medien selten - sehr fundierter Beitrag:
http://www.daserste.de/plusminus/beitrag_dyn~uid,n4uoxsi0fc74klk4~cm.asp
Hier wird erläutert, daß trotz immenser Kosten durch die Umlage auf dem Strompreis kein Klimanutzen (!) erzielt wird. Durch den hohen Produktionsanteil der Module in China (Weltmarktführer) ist sogar für die von dort stammenden Module mit einer - in Summe - zusätzlichen Klimabelastung auszugehen. Ausserdem fördern wir immer mehr Arbeitsplätze in Fernost!
Wie stehen Sie zur EEG-Novelle?
Sind die bei Plusminus genannten Erkenntnisse berücksichtigt worden - und nicht richtig - oder ist hier noch eine kurzfristige Detailkorrektur möglich und nötig?!

2. Heute früh hatte ich im Zug ein interessantes Gespräch mit einer in Indonesien lebenden Übersetzerin:
Sie berichtete, daß durch den speziell in D und USA stark wachsenden Einsatz von Palmöl erhebliche zusätzliche Anbauflächen in Indosesien häufig durch Plantagenanbau entstehen. Den Kleinbauern werden ihre Äcker oft mit Druck abgekauft. Die Politiker erhalten ebenfalls von den Konzernen Schmiergelder.
Die Bevölkerung verliert Anbauflächen für Reis und es droht bei einer geringen Ernte bereits ein Reisimport!
Dieses Problem läßt sich auch durch einen - wie geplant - zertifizierten Anbau von Palmöl nicht lösen, da die Mengen und damit die Anbauflächen für die den Reisanbau trotzdem wegfallen. Sehen Sie hier ein Lösung oder sollte die EEG-Novelle auch hier noch korrigiert werden?!

Bitte um ein ehrliche, fundierte Antwort.

Freundliche Grüße
Armin Schreijäg

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SPD

Sehr geehrter Herr Schreijäg,

besten Dank für Ihre beiden Fragen zum "Erneuerbare Energien-Gesetz" (EEG), die ich gerne nach bestem Wissen und Gewissen beantworte.

1. Lassen Sie mich zunächst auf die Problematik des Einsatzes von importiertem Palm- und Sojaöl in Blockheizkraftwerken eingehen.

Diesbezüglich kann ich Sie beruhigen. Mit unseren Beschlüssen zum integrierten Energie- und Klimaprogramm haben wir in der EEG-Novelle 2009 festgelegt, dass nur solche Importe zugelassen werden sollen, deren Nachhaltigkeit nachgewiesen und zertifiziert ist. Da gegenwärtig auf europäischer Ebene an einem verlässlichen und handhabbaren System zur Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards im Bereich der Bioenergien gearbeitet wird, bleibt der Einsatz der entsprechenden Palm- und Sojaöle solange ausgeschlossen.

2. Den von Ihnen angeführten Plusminus-Beitrag habe ich zur Kenntnis genommen und möchte einige der darin getroffenen Behauptungen richtig stellen. Entgegen der Darstellung von Plusminus war es niemals das vornehmliche Ziel des EEG, Arbeitsplätze in der deutschen Industrie zu schaffen. Vielmehr geht es darum, eine - gerade vor dem Hintergrund des einsetzenden Klimawandels - notwendige Energiewende einzuleiten. Dies geschieht in Form einer "Anschubfinanzierung" für die durch das EEG geförderten Zukunftstechnologien.

Sicherlich wäre es wünschenswert, dass die deutsche Industrie die Chance ergreift und weitere Marktanteile erobert. In Teilen hat sie die Gunst der Stunde ja bereits genutzt, weshalb in den vergangenen Jahren viele tausend Arbeitsplätze in dieser Branche entstanden sind. Diese gilt es für die Zukunft zu sichern.

Vor diesem Hintergrund erscheint es mir etwas irreführend, dass der Beitrag nur die bei der Produktion der Solarzellen selbst entstandenen Arbeitsplätze thematisiert und gleichzeitig die vielen Jobs ausblendet, die bei den mit der Montage vor Ort befassten Handwerksbetrieben geschaffen werden. Aus der grundsätzlich sinnvollen Forderung, den deutschen Weltmarktanteil bei der Herstellung von Solarmodulen zu erhöhen, lässt sich - anders als es der Plusminus-Beitrag suggeriert - jedenfalls keine Begründung ableiten, das EEG an sich in Frage zu stellen.

In ihrem Schreiben kritisieren Sie vor allem die im Beitrag auftauchende Summe von 26,5 Milliarde Euro, welche die Solarmodule den Stromkunden in den nächsten zwanzig Jahren kosten sollen. Bei genauem Hinsehen sprechen wir von 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Das klingt schon weitaus weniger beeindruckend und stellt einen kleinen Bruchteil der jährlichen Gewinne der großen Energieversorger dar.

Ich denke ehrlich gesagt, dass uns der langfristig unvermeidliche Ausstieg aus den fossilen und atomaren Energien so viel wert sein muss. Dass dabei die Stromkunden die zusätzlichen Kosten tragen müssen ist insofern zu rechtfertigen, dass Vielverbraucher zusätzlich belastet und Stromsparer tendenziell belohnt werden.

Wer nun den langen Zeitraum kritisiert, in dem die betreffenden Zahlungen anfallen, sollte sich Folgendes klar machen: Die Betreiber der entsprechenden Anlagen sind für ihre Investition in Vorleistung gegangen und haben diese aus Eigenmitteln finanziert. Mit der jetzt getroffenen Regelung müssen die Kunden die Kosten nicht auf einmal ragen, sondern der anfallende Betrag verteilt sich auf zwanzig Jahre.

Gänzlich außen vor bleibt die Frage, wie sich denn die Verbraucherkosten ohne das Wachstum der erneuerbaren Energien entwickeln würden, wenn man die explodierenden Kosten der konventionellen Energien und die durch Klimaschäden zu erwartenden Schäden miteinkalkuliert.

All diese Gründe lassen mich zweifeln, ob die Darstellung von Plusminus tatsächlich so fundiert ist, wie Sie es nahelegen. Da ich aber davon ausgehen muss, dass Sie nach wie vor für den – stark im Bereich der konventionellen Energiewirtschaft verankerten – Konzern EnBW tätig sind ( http://www.enbw.com/content/de/presse/pressemitteilungen/2008/02/PM_2008_02_25-mc/index.jsp ) halte ich es für möglich, dass diese Wahrnehmungsunterschiede auch einer divergierenden Interessenlage geschuldet sind.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Gerster

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