Wie kann in Zukunft die Pflege der Menschen - angesichts einer alternden Gesellschaft - gesichert werden?

Portrait von Martina Neubauer
Martina Neubauer
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Martina Neubauer zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Ulla R. •

Wie kann in Zukunft die Pflege der Menschen - angesichts einer alternden Gesellschaft - gesichert werden?

Hallo Frau Neubauer,

leider sind sie noch nicht dazu gekommen, meine Frage von vor einer Woche - die Einzige, die hier überhaupt an Sie gestellt wird - zu beantworten. Daher erlaube ich mir ein Nachhaken und möchte dabei meine Fragestellung konkretisieren. Heute sind bereits über 4,1 Mio. Menschen in Deutschland pflegebedürftig. Davon werden 3,3 Mio. zu Hause gepflegt (Zahlen von 2019: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/187679/umfrage/anzahl-der-pflegebeduerftigen-in-deutschland/. Angesichts der geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre und der nach wie vor fehlenden Pflegekräfte ist mit einer deutlichen Steigerung der Anzahl absolut, insbesondere der zu Hause gepflegten, zu rechnen. Was tut Ihre Partei im Falle einer Regierungsbeteiligung, damit dieses "System" nicht kollabiert und zu Pflegende schlichtweg nicht mehr versorgt werden?

Portrait von Martina Neubauer
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Hallo Frau Reutner,

vielen Dank für Ihre wichtige Frage. Viele Fragen erreichen mich auch direkt via Mail. Als Berufstätige versuche ich die Fragen in den freien Stunden abzuarbeiten und bitte um Nachsicht, wenn es mal ein paar Tage dauert. Außerdem wollte ich für Sie konkret die Situation für den Landkreis Landsberg eruieren. Hier fehlen noch einige Daten, die ich - sobald sie mir vorliegen - gerne nachliefere.

Wer sich um pflegebedürftige Menschen kümmert, übernimmt eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe und verdient unsere Wertschätzung und Unterstützung.
Zur Wertschätzung privater Pflege gehört es für uns GRÜNE, diejenigen zu entlasten, die sich um pflegebedürftige Menschen kümmern und sie finanziell zu unterstützen, wenn es nötig ist. Sie haben recht, die Bundesregierung leistet das bisher nicht. Es gibt zwar mit der (Familien-)Pflegezeit gesetzlich die Möglichkeit, Arbeitszeit für Pflege zu reduzieren. Für den Verdienstausfall verweist die Regierung aber auf ein zinsloses Darlehen, das am Bedarf der Menschen vorbeigeht, wie die Zahlen beweisen: Seit 2018 haben jährlich nur etwa 200 Personen ein solches Darlehen in Anspruch genommen. Der Unabhängige Beirat zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf hat deshalb bereits 2019 die Einführung einer Lohnersatzleistung empfohlen. Die damals zuständige und mittlerweile zurückgetretene Ministerin Giffey zeigte keinerlei Initiative, dieser Empfehlung konkrete Handlungsvorschläge folgen zu lassen.

Wir GRÜNE fordern eine „PflegeZeit Plus“ um die Menschen zu unterstützen, die Verantwortung für pflegebedürftige Angehörige, Nachbar*innen oder Freund*innen übernehmen und federn Phasen der Arbeitszeitreduzierung mit einer Lohnersatzleistung ab. Hierzu haben wir im April dieses Jahres im Bundestag einen entsprechenden Antrag eingereicht. Die grüne PflegeZeit Plus ermöglicht eine bis zu dreimonatige Freistellung für Menschen (also auch Enkel), die Verantwortung für pflegebedürftige Angehörige, Nachbar*innen oder Freund*innen übernehmen. Darüber hinaus federt sie Arbeitszeitreduzierungen bis auf 20 Wochenstunden finanziell ab – insgesamt für bis zu drei Jahre. Damit wird pflegenden Angehörigen einerseits die Möglichkeit gegeben, sich um die Organisation von Pflege zu kümmern: den Pflegebedarf einzuschätzen, sich über Leistungsangebote und -ansprüche zu informieren und die jeweils notwendigen Hilfen zu organisieren. Andererseits können sie die PflegeZeit Plus nutzen, um sich zeitweise selbst um Angehörige zu kümmern oder einen sterbenden Menschen zu begleiten, ohne dabei in finanzielle Notlagen zu geraten. Mit einer steuerfinanzierten Lohnersatzleistung - ähnlich wie beim Elterngeld - werden die finanziellen Belastungen während dieser systemrelevanten Sorgearbeit aufgefangen.
Wir wollen dabei auch Menschen ohne verwandtschaftliche Beziehung sollen einen Anspruch auf Pflegezeit für pflegebedürftige Personen anmelden können und Lohnersatzleistungen erhalten, wenn sie sich etwa um die alte Freundin, den langjährigen Vereinskameraden oder die Nachbarin kümmern wollen. Wir machen uns stark für eine Gesellschaft, in der Sorgearbeit fair verteilt und breit getragen wird, statt allein auf den Schultern einzelner Personen zu lasten. Deshalb kann und soll ein Teil der PflegeZeit Plus von mindestens einer weiteren Person genutzt werden. Über die Möglichkeit der „Partner*innenmonate“ wollen wir mehr Partnerschaftlichkeit in der möglichen Aufteilung fördern. Selbst wenn alles gut organisiert ist, kann es nötig sein, kurzfristig zu reagieren. Dafür sollen pflegende Angehörige sich – im Gegensatz zum derzeit geltenden Pflegezeitgesetz – über die gesamte Dauer der Pflegebedürftigkeit hinweg jährlich bis zu zehn Arbeitstage freistellen lassen können, bei Zahlung einer Lohnersatzleistung, ähnlich wie für Eltern, deren Kind krank ist.

Mit herzlichen Grüßen

Martina Neubauer