Frage an Matern von Marschall bezüglich Menschenrechte

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Matern von Marschall
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Frage von Sabine B. •

Frage an Matern von Marschall von Sabine B. bezüglich Menschenrechte

Sehr geehrter Herr von Marschall,
das seit 1981 gültige Transsexuellengesetz regelt, wie Vornamen und Geschlechtseinträge geändert werden können. Das Gesetz ist vierzig Jahre alt und hat zu viele trans- und intergeschlechtliche Menschen bewertet, pathologisiert und diskriminiert. Es hat viel Leid, lange Wartezeiten und viele Kosten verursacht. Viele trans- und intergeschlechtliche Menschen haben lange auf eine Reform des veralteten Transsexuellengesetzes gewartet. Im letzten Jahr wurde eine Verschlimmbesserung verhindert, als das Bundesinnenministerium und das Justizministerium ihren Reformentwurf binnen zwei Tagen durchpeitschen wollten.
Bündnis 90/Die Grünen morgen den Gesetzentwurf zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes und zur Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes in den Bundestag bringen. Leider wird es aber auch einen Gegenentwurf der SPD (in Zusammenarbeit mit dem BMI) geben.
Deshalb möchte ich Sie fragen, ob Sie für Selbstbestimmung einstehen und sich für den Gesetzentwurf zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes und zur Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes in den Bundestag einsetzen werden?
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Bürgermeister

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Bürgermeister,

Sie haben sich bezüglich der Aufhebung des Transsexuellengesetzes und der Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes an mich gewandt. Hierfür danke ich Ihnen, denn der direkte Kontakt zu den Bürgern aus meinem Wahlkreis ist mir als direktgewähltem Bundestagsabgeordneten sehr wichtig. Im Umgang mit der gegenwärtigen Corona-Krise lege ich besonderen Wert auf eine transparente Kommunikation mit den Bürgern, Vereinen, Organisationen und Unternehmen meines Wahlkreises und der Region. Dabei erreichen mich zahllose E-Mails, Briefe und Nachrichten, weshalb ich um Verständnis bitte, dass ich Ihnen erst heute schreibe.

Am 19.06.2020 debattierten wir im Deutschen Bundestag in erster Lesung zwei Gesetzentwürfe der Opposition zum Thema der geschlechtlichen Selbstbestimmung und damit die sehr sensible Frage, welches Verfahren im Falle eines Wunsches zur Änderung des rechtlichen Geschlechts gelten soll. Dies ist für die Betroffenen eine sehr persönliche und emotionale Angelegenheit. Beide Gesetzentwürfe wurden nach der Debatte durch die Mitglieder des Deutschen Bundestages zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen. Gerne möchte ich Ihnen im Folgenden darlegen, weshalb ich der Meinung bin, dass die Gesetzentwürfe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP mit vielfältigen Problemen einhergehen und der Thematik nicht gerecht werden.

Zuerst möchte ich betonen, dass das Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz - TSG) überarbeitungsbedürftig ist. Das Recht auf Selbstbestimmung ist unzweifelhaft ein hohes Gut, gerade in solchen höchstpersönlichen Dingen. Aber auch das Recht auf Selbstbestimmung muss ausnahmsweise dort seine Grenzen finden, wo gewichtige Belange der Allgemeinheit berührt sind. In den beiden Gesetzentwürfen der Opposition wird das Interesse der Allgemeinheit an einem validen Personenstandsregister jedoch überhaupt nicht thematisiert. Personenstandsregister sind die einzigen personenbezogenen Register in Deutschland, die Beweiswert haben und mit denen das „rechtliche Geschlecht“ festgelegt wird. Die Verknüpfung von der Geschlechtszugehörigkeit mit Rechten und Pflichten ergibt nur dann Sinn, wenn diese nicht beliebig geändert und ein Missbrauch ausgeschlossen werden kann. Das Feld der Frauenförderung und die (derzeit ausgesetzte) Wehrpflicht sind hierbei nur zwei Beispiele, die dies verdeutlichen. Das Geschlecht eines Menschen ist maßgeblich für die Zuweisung von Rechten und Pflichten, weshalb es für die Bevölkerung insgesamt von Interesse ist, dem Personenstand Dauerhaftigkeit und Eindeutigkeit zu verleihen und häufige Personenstandswechsel zu vermeiden. Aus diesem Grund ist an objektivierten Kriterien (wie beispielsweise Sachverständigengutachten oder ärztlichen Bescheinigungen) zur Eingrenzung des Personenkreises der Betroffenen in einer solch sensiblen Frage festzuhalten. Dies sah auch das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 so (BvR 3295/07).

Ein beliebiges wahrnehmbares Selbstbestimmungsrecht aller Menschen hinsichtlich ihres Geschlechts und ihrer Vornamen wird diesem Erfordernis nicht gerecht. Auch die im Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgesehene Frist von einem Jahr vor einem erneuten Wechsel des Geschlechts und der Vornamen ist nicht geeignet, einen Missbrauch zu verhindern. Außerdem bestimmt die vorgesehene Regelung zum Verbot von geschlechtsangleichenden Operationen den Betroffenenkreis des Verbots nicht hinreichend präzise und verstößt damit möglicherweise gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot.

Sehr geehrte Frau Bürgermeister, der Staat hat eine Schutzfunktion und muss diese wahrnehmen. Deshalb muss Diskriminierung selbstverständlich abgebaut werden. Gleichzeitig hat der Staat den Anspruch und das Recht, staatliche Interessen zu wahren. Dazu zählt auch ein aussagekräftiges Personenstandsregister. Deswegen müssen wir weiter beraten und den Dialog fortführen. Aus den oben genannten Gründen erachte ich die Gesetzesentwürfe jedoch lediglich als Beratungshilfen und Grundlage für die weitere Debatte.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Matern von Marschall