Frage an Matthias Schmidt von Stefan K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Schmidt,
Am kommenden Freitag soll das sogenannte Tarifeinheitsgesetz beraten werden. Anlaß ist der Streit zwischen DB und GDL. So gibt die DB an, keine zwei unterschiedlichen Tarifverträger verwalten zu können. Wie stehen Sie zu diesem Gesetzentwurf Ihrer Parteifreundin Nahles? Haben Sie bedacht, dass in Deutschland zig Firmen mit mehreren Tarifverträgen für gleiche Tätigkeiten umgehen können? Hier ein paar Beispiele: Handel, Renten, Eigenbetriebe der Stadt Berlin insbesondere die Erzieher, - in all diesen Firmen wird ohne Problem der "Mehraufwand" beim Handling Tarif Ost und West akzeptiert. Ist Ihnen auch das Risiko bewußt, dass die Arbeitgeber mit eigenen handzahmen Pseudogewerkschaften agieren könnten? Wollen Sie das Grundgesetz weiter ramponieren? Gern erwarte ich Ihre Stellungnahme.
Stefan Krajewski
Sehr geehrter Herr Krajewski,
vielen Dank für Ihr Interesse an meiner Einschätzung zum Tarifeinheitsgesetz.
Wie Sie wissen, wurde das Gesetz zur Stärkung der Tarifeinheit im Bundestag inzwischen in 2/3. Lesung abschließend beraten. Ich habe Verständnis dafür, dass man zu diesem Gesetz auch eine kritische Haltung einnehmen kann. Dennoch muss ich Ihnen entschieden widersprechen, dass wir mit diesem Gesetz das „Grundgesetz ramponieren“.
Selbstverständlich wurden vor der Verabschiedung des Gesetzes Einwände und Stellungnahmen verschiedenster Absender in die Ausschussberatungen einbezogen. Dazu gehörte auch eine Sachverständigenanhörung, nach deren Abschluss wir uns in unserem Gesetzesvorhaben gestärkt sahen.
Ein Punkt betraf zum Beispiel die Frage, ob der Gesetzgeber unverhältnismäßig in die Tarifautonomie eingreift. Hier waren die Experten der Meinung, dass der Gesetzentwurf bei Tarifkollisionen möglichst wenig in das Gefüge der Sozialpartner eingreift. Im Ergebnis stellen wir vielmehr mit dem Tarifeinheitsgesetz den bewährten Rechtszustand wieder her, der bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in 2010 galt: In jedem Betrieb soll für eine Beschäftigtengruppe nur ein Tarifvertrag gelten.
Auch der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Reiner Hoffmann, attestierte dem Gesetzesentwurf, dass er geeignet ist, die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie zu stützen.
Es ist keine neue Erkenntnis, dass auch für die Gewerkschaften des DGB der Grundsatz „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“ politische Grundlage des Handelns im Betrieb, in der Branche und in der Gesellschaft ist.
Ferner war es Auffassung des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts und ausgewiesene Staatsrechtswissenschaftler, Hans-Jürgen Papier, dass es keine überzeugenden Gründe gebe, dass der Gesetzgeber die Grenzen seines Gestaltungsspielraums bei einer Regelung der Tarifeinheit nicht einhielte. Vielmehr machte er deutlich, dass die vorgesehenen gesetzlichen Regelungen dem Ziel der Wahrung eines funktionsfähigen Tarifvertragssystems, des angemessenen Ausgleichs mit den konkurrierenden Belangen anderer Parteien des Tarifvertragssystems und des schonenden Ausgleichs mit den Gemeinwohlbelangen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung trügen.
Darüber hinaus wurde die Verfassungsmäßigkeit des vorliegenden Gesetzentwurfes vom Bundesarbeitsministerium, dem Bundesjustizministerium und dem Bundesinnenministerium eingehend geprüft.
Das Gesetz ist nach unserer Auffassung ein weiterer wichtiger Baustein zur Sicherung und Stärkung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Wir wollen mit dem Gesetz dafür sorgen, dass die Tarifautonomie sich auch weiterhin an den Interessen der Gemeinschaft sowie dem Wohl des Gesamtbetriebes und aller dort Beschäftigten orientiert. Wir beziehen mit ein, dass die grundgesetzlich verbriefte Koalitionsfreiheit nicht im leeren Raum steht, sondern mit der gesellschaftlichen Verantwortung aller Beteiligten verknüpft ist.
Es ist der Grundsatz der freiwilligen Kooperation von Gewerkschaften, der für uns bei der Erstellung des Gesetzes handlungsleitend war. Nach dem Gesetz kommt das Prinzip der Tarifeinheit eben nur dann zur Anwendung, wenn es den Tarifvertragsparteien nicht gelingt, durch autonome Entscheidungen Tarifkollisionen zu vermeiden. Damit verfolgt der Gesetzesentwurf eine Linie, die möglichst wenig in das Gefüge der Sozialpartner eingreift. Die Hauptverantwortung für eine verantwortungsvolle Tarifpolitik soll bei den Sozialpartnern bleiben.
Sehr geehrter Herr Krajewski, wir haben bei dem Gesetz alle Interessen gründlich abgewogen und sind der Überzeugung, dass wir im Sinne der Tarifautonomie und auch im Sinne der Beschäftigten eine gute Rechtsgrundlage geschaffen haben.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Schmidt