Frage an Metin Hakverdi bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

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Metin Hakverdi
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Frage an Metin Hakverdi von Werner S. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Hakverdi,

Ende 2019 wurde eine Ergänzung zu § 20 EStG beschlossen ( Abs. 6 Satz 5), mit der die Verlustverrechnung bei Termingeschäften sowohl unterjährig als auch jahresübergreifend auf 10.000 Euro begrenzt wird. Der zuständige Ausschuss im Bundesrat hat nun bereits festgestellt, dass das Gesetz verfassungsrechtlich äußert zweifelhaft ist, weil es gegen das Nettoprinzip verstößt, dass es Rechtsunsicherheit schafft, dass es inkompatibel zur Abgeltungssteuer ist und dass es Finanzspekulation nicht eindämmt, sondern Privatanleger an sinnvollen Absicherungsstrategien hindert.

Siehe Seite 21 des Dokumentes:

https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0501-0600/503-1-20.pdf?__blob=publicationFile&v=1&fbclid=IwAR0A891scUwYWZl6V_2yAy0Vr5XlgcGLlqLFeyxSwZgkfu362uDbtjn-BpM

Nehmen Sie als Mitglied des Finanzausschusses diese Kritik des Bundesrates ernst?

Mehrere kleine Anfragen an das BMF haben ergeben, dass dem BMF die Anzahl der betroffenen Anleger, die Wirkung auf die Steuerlast dieser Anleger und der Einfluss auf das Gesamtsteueraufkommen nicht bekannt sind. Ist es üblich, dass bei der Verabschiedung von Steuergesetzen die Konsequenzen unbekannt sind?

Eine Verfassungsklage durch einen Privatanleger ist in Vorbereitung und wird in Kürze eingereicht. Mehrere Petitionen laufen gegen das Gesetz. Eine davon hat bereits über 33.000 Befürworter. Spielt das eine Rolle für Sie?

https://www.openpetition.de/petition/online/initiative-ruecknahme-der-steuerlichen-benachteiligungen-privater-anleger

Mit freundlichen Grüßen,

Werner Schiele

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Sehr geehrter Herr Schiele,

vielen Dank für Ihre Frage. Nach dem objektiven Nettoprinzip können solche Aufwendungen, die zur Einnahmeerzielung getätigt werden steuerlich geltend gemacht werden. Das sind die Werbungskosten. Dazu können auch solche Aufwendungen zählen, die bei den Überschusseinkünften entstehen, z.B. Einkünften aus Kapitalvermögen (§20 EStG). Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich 2016 mit der Verfassungskonformität der Verlustabzugsbeschränkungen bei betrieblichen Termingeschäften in § 15 Abs. 4 EStG befasst. In seinem Urteil vom 28. April 2016 (IV R 20/13) stellt der BFH fest, dass die Regelung verfassungsgemäß ist, weil den Steuerpflichtigen eine entsprechende Verlustnutzung in zukünftigen Jahren grundsätzlich noch möglich ist. Verfassungsrechtlich ist es nicht geboten, dass sich ein Verlust steuerlich schon im Veranlagungsjahr seiner Entstehung auswirken muss.
Darüber hinaus ist auch die Schlechterstellung betrieblicher Verluste aus Termingeschäften gegenüber sonstigen betrieblichen Verlusten gerechtfertigt. Denn bei Termingeschäften handelt es sich um hochspekulative und damit besonders risikobehaftete Geschäfte, bei denen der Eintritt von Verlusten deutlich wahrscheinlicher ist als der Eintritt von Verlusten bei sonstigen betrieblichen Tätigkeiten. Die Begründung des BFH lässt sich auch auf die Regelung zu steuerlichen Behandlung von Verlusten aus privaten Termingeschäften übertragen. Auch hier ist ein unterjährig begrenzter Verlustabzug innerhalb der gleichen Einkunftsart möglich und auch hier gilt, dass ein Verlust sich steuerlich nicht schon im Veranlagungsjahr seiner Entstehung auswirken muss. Daher geht die neue Regelung aus § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG konform mit dem objektiven Nettoprinzip und entspricht dem Leistungsfähigkeitsprinzip.

Zu dem Thema nach möglichen finanziellen Auswirkungen der gesetzlichen Regelungen:

Durch die genannten Regelungen können Verluste aus Termingeschäften, insbesondere aus dem Verfall von Optionen, nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit den Erträgen aus Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden. Dabei ist die Verlustverrechnung beschränkt auf 10 000 Euro. Jedoch können nicht verrechnete Verluste jeweils in Höhe von 10.000 Euro auf Folgejahre vorgetragen werden, wenn nach der unterjährigen Verlustverrechnung ein verrechenbarer Gewinn verbleibt.
Verluste von Privatanlegern aus dem Verfall von Optionen und Forderungen zwischen 1999 und 2018 wurden zudem von der Finanzverwaltung nicht anerkannt. Im hierfür relevanten BMF-Schreiben zur Abgeltungsteuer vom 18. Januar 2016 wurde die Berücksichtigung der Verluste aus dem Optionsverfall versagt. Auch in der vorherigen Regelung in § 23 EStG fanden die Verluste aus dem Verfall von Optionen keine Berücksichtigung. Die neue Regelung ermöglicht hingegen eine steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus jeder Art von Termingeschäften.
In Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschuss des Deutschen Bundestags zum Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen wurde festgehalten:

„Es ist gemeinsames Ziel der Koalitionsfraktionen, dass durch die Berücksichtigung zusätzlicher Verluste bei den Einkünften aus Kapitalvermögen keine neuen steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet werden. Daher werden die Regelungen nach Ablauf von zwei Jahren seit ihrem Inkrafttreten evaluiert.“

Im Kern dieser Regelungen geht es um die Handhabung des strategischen Umgangs mit Verlusten. Die unter die Regelung fallenden Geschäfte sind durch ihre begrenzte Laufzeit und durch Hebeleffekte stark spekulativ. Dies ist bei anderen Kapitalanlagen nicht in vergleichbarem Ausmaß der Fall. Daher werden die Verluste aus diesen Geschäften in einem besonderen Verlustverrechnungskreis berücksichtigt. So können das Investitionsvolumen und die daraus für Anleger entstehenden Verlustrisiken aus diesen spekulativen Anlagen begrenzt werden. Es ist eines der Ziele dieser Regelung Risiken zu begrenzen, die aufgrund der Komplexität einigen privaten Anlegerinnen und Anlegern in ihrer Dimension gar nicht bewusst sind. Das ist auch ein Beitrag zur Sicherung der Finanzstabilität. Die Erzielung von Steueraufkommen steht hier nicht an erster Stelle.

Mit freundlichen Grüßen
Metin Hakverdi

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