Frage an Michael Roth bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Michael Roth
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Frage von Tim G. •

Frage an Michael Roth von Tim G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Roth,
warum wird in den Beziehungen zu Russland aufgrund von Sanktionen ausgerechnet die Resiefreiheit geopfert und die Verhandlungen über die Abschaffung der Visumspflicht ausgesetzt? Diese betrifft doch vor allem viele zehntausende von Reisenden, die ihre Freunde und vor allem auch Verwandte in der EU besuchen wollen. Was hat Visumspolitik mit den Regierungsbeziehungen zu tun?
Früher haben Regime wie jenes der SED in der DDR von Erich Honnecker und Co. Reiseerleichterungen nur im Gegenzug von politischen Zugeständnissen gewährt. Sollten sich demokratische Staaten wie jener der EU serselben Methoden bedienen und Reiseerleichterungen nur gewähren, wenn ausländische Regierungen andere politische Anforderungen erfüllen, die garnichts mit den Erfordernissen des Reiseverkehrs zu tun haben?
Soll man ein aufwendiges Verwaltungsverfahren weiter betreiben, obwohl dessen eigentlicher Zweck wie im Falle Russlands längst entfallen ist? Es trifft doch zu, dass das Verfahren einzig der Verhinderung illegaler Zuwanderung dient und die Russische Föderation längst die diesbezüglichen Voraussetzungen für eine Aufhebung erfüllt? Wenn es denn die Ukraine schon tut?
Warum werden derzeit in der Russischen Föderation keine Besuchsvisa erteilt auch nicht an solche Personen, die seit vielen Jahren Mehrjahresvisa für den häufigen und regelmäßigen Besuch bei Familienangehörigen erhalten haben und solche Visa jetzt verlängern wollen, um bei Wegfall der Beschränkungen sofort reisen zu können und nicht erst dann noch ein Verfahren an den dann sicher überlasteten Konsulaten durchlauifen zu müssen?
Haben Sie den Eindruck, dass sich der Auswärtige Dienst ausreichend auf den Wegfall der derzeitigen Beschränkungen und den zu erwartenden Andrang von Familienangehörigen vorbereitet, die seit gut einem Jahr ihre Verwandten nicht besuchen konnten?
Vielen Dank für Ihre Antworten, mit freundlichen Grüßen

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Sehr geehrter Herr Gerber,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne beantworte.

Richtig ist, dass die Verhandlungen über eine Visaliberalisierung zwischen der Europäischen Union und der russischen Regierung nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und dem Beginn des Krieges in der Ostukraine gemäß dem Beschluss des Europäischen Rats vom 06.03.2014 ausgesetzt wurden. Für die Abschaffung der Visumspflicht bedarf es Vertrauen, und dieses Vertrauen wurde durch den eklatanten Bruch des Völkerrechts leider zerstört.

Bereits bestehende Visumerleichterungsabkommens zwischen der EU und Russland sind davon jedoch nicht betroffen. Aufgrund des Visumerleichterungsabkommens von 2007 genießen russische Staatsangehörige bereits jetzt erhebliche Vorteile im Visumverfahren, hierunter Erleichterungen bei den Nachweisen über den Reisezweck sowie reduzierte Antragsgebühren bzw. Gebührenbefreiungen. Diese Vorteile gelten insbesondere für enge Verwandte, die z.B. von der Antragsgebühr gänzlich befreit sind. Die deutschen Auslandsvertretungen schöpfen bestehende Erleichterungsmöglichkeiten und Spielräume dabei vollumfänglich aus.

Gerade in schwierigen Zeiten wie diesen ist umso wichtiger, dass es zu einem Austausch zwischen den Menschen unserer Länder kommt. Deswegen fördert das Auswärtige Amt gezielt Austauschprojekte im Bereich Medien, Wissenschaft, Bildung inkl. beruflicher Bildung, Kultur, und Sprache zwischen den Ländern. Auch dem Jugendaustausch kommt eine entscheidende Brückenfunktion zu, den wir deswegen auch gezielt fördern.

Um den Austausch zwischen den Menschen weiter zu fördern, hat sich das Auswärtige Amt auch bereiterklärt, die Frage möglicher Visaerleichterungen für Menschen aus Russland weiterzuverfolgen und im Kreise der Schengen-Partner zu erörtern.

Die Pandemie verlangt uns allen viel ab. Zur Pandemiebekämpfung war es leider auch zeitweise notwendig, die Einreise nach Deutschland zu begrenzen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Seit dem 02.07.2020 ist die Einreise aus Russland unter bestimmten Voraussetzungen wieder möglich. Dazu zählen insbesondere Besuchsreisen von Kernfamilienangehörigen (Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, minderjährige Kinder und Eltern minderjähriger Kinder), Besuchsreisen von Verwandten ersten oder zweiten Grades bei Vorliegen eines zwingenden familiären Grundes sowie Besuchsreisen unverheirateter Partnerinnen und Partner. Einreisen zu rein touristischen Zwecken oder sonstige Besuchsreisen, bei denen kein wichtiger Einreisegrund besteht, sind demgegenüber aus Gründen der Pandemiebekämpfung derzeit noch nicht zulässig.

Die deutschen Auslandsvertretungen in Russland erteilen dabei derzeit Visa – auch Mehrfachvisa – nur dann, wenn die (Erst-)Einreise im Rahmen der pandemiebedingten Einreisebeschränkungen auch zulässig ist. Sobald die pandemiebedingten Einreisebeschränkungen aufgehoben sind, werden die deutschen Auslandsvertretungen auch wieder (Mehrjahres-)Visa zu sämtlichen Reisezwecken erteilen können.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Auskünften weitergeholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Michael Roth

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