Frage an Monika Belz bezüglich Recht

Portrait von Monika Belz
Monika Belz
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Monika Belz zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Peter H. •

Frage an Monika Belz von Peter H. bezüglich Recht

Werte Frau Monika Belz,

1991 hat der Bundestag die Dauer der Überprüfung von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, auf Grundlage des Stasiunterlagengesetzes, aus gutem Grund auf 15 Jahre begrenzt. Zum Rechtsstaat gehört der Rechtsgedanke der Verjährung im Strafrecht wie im Zivilrecht. Selbst die Tatbestände der gefährlichen Körperverletzung oder der schweren Freiheitsberaubung verjähren nach zehn Jahren. Bei schwerer Vergewaltigung ist die Tat ebenfalls nach zehn Jahren verjährt und darf bei einer Einstellung in den öffentlichen Dienst nicht einmal geprüft und ermittelt werden. Auch dort gibt es immer Betroffene, die diese Verjährung nicht verstehen. Der Rechtsstaat hat sie dennoch beschlossen.
Es wird überprüft ohne Verdacht, und das mindestens noch bis Ende dieses Jahres obwohl es hier in der Regel lediglich um Moral und nicht um Straftaten geht.
Ich sage: Nein denn eine weitere Verlängerung über das Jahr 2011 hinaus verstößt deutlich gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da jede Überprüfung einen gravierenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Individuums darstellt und dieser Eingriff nun nach 20 Jahren für Verhaltensweisen, die noch viel länger zurückliegen können, nicht mehr zu rechtfertigen ist. Denn wer überprüft die "Informellen Staatsschützer" die das Verbot der NPD durch ihren Verbleib in dieser verhinderten und immer noch verhindern?

Würden Sie diese meine Sicht der Problematik teilen?

Mit freundlichen Grüßen

Peter Heimann

Portrait von Monika Belz
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Heimann,

Sehr geehrter Herr XXX,

ich muss zugeben, ich habe mit dem Gedanken gespielt, die Frage nicht zu beantworten. Sie zeugt von einem Unverständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Das nachfolgende ist meine reine persönliche Ansicht.

Ihre Frage, diese Art Sachverhalte in einen nicht existierenden Zusammenhang zu bringen, um Ihre eigene Ansicht scheinbar objektiv zu begründen ist mir bekannt. Ich falle nicht darauf rein. Auch wenn ich in dieser Diktatur, die sich selbst Demokratie genannt hat, aufgewachsen bin, habe ich das Selbstdenken noch nicht verlernt.

Das Ziel der Frage ist es, Angehörige der Staatssicherheit als Opfer darzustellen, die immer noch darum fürchten müssen, entdeckt zu werden. Sie sind keine Opfer, jeder Angehörige dieser Institution hat dazu beigetragen oder es unterstützt, dass eine Diktatur der Angst und der Denunziantentums geherrscht hat. Hat dazu beigetragen, dass man kaum jemandem wirklich vertrauen konnte und Angst ein ständiger Begleiter für denjenigen war, der sich nicht angepasst hat. Sie erhalten ein klares NEIN, ich will dass diese Unterlagen weiterhin offen sind, dass weiterhin Überprüfungen stattfinden, ich will diese Netzwerke nicht zurück.

Ich stelle mich gegen das Vergessen des Unrechts, vehement. Die Bemühungen, diese unsere Vergangenheit unter den Tisch zu kehren, den Mantel des Schweigens darüber zu decken und sowohl die Diktatur als auch die Staatssicherheit mit hauptamtlichen und nebenamtlichen Mitarbeitern zu relativieren, ist für mich nur sehr schwer zu ertragen. Ich wehre mich dagegen, wo ich es kann. Wenn Sie mich fragen sollten warum?

Die Geschichte rund um die DDR muss aufgearbeitet werden und darf nicht weiter verdrängt werden. Für die Aufarbeitung selbst haben ehemalige Angehörige der Staatssicherheit bedenklich wenig getan. Die Nostalgie lässt leicht vergessen, wie dieser Staat funktioniert hat und wie rücksichtslos er gegenüber Abweichlern agiert hat. 22 Jahre Verdrängung und Abwiegelung - es war ja nicht so schlimm und überhaupt es war ja nicht alles schlecht. Doch war es, es gab keine Demokratie, es gab keine Freiheit, es gab keinen Rechtsstaat dafür das Verbreiten von Angst, der Gedanke an die ewige Überwachung, das Säen von Misstrauen… Es wird leicht vergessen, dass Vergehen und Verbrechen durch die Staatsicherheit erfolgt sind, wo soll ich beginnen, wo soll ich aufhören.

Mit anderen Worten, wenn sich die ehemaligen Angehörigen der Staatssicherheit zu ihrer Vergangenheit bekennen, ihnen bewusst wird, dass es keine Demokratie sondern eine Diktatur war, wenn diese Leute bereit sind, sich aktiv bei ihren Opfern zu entschuldigen und Rechtstaatlichkeit anzuerkennen, dann kann man mich gern wieder fragen, ob es notwendig ist, dieses Gesetz zu verlängern.

Sie schreiben: „Zum Rechtsstaat gehört der Rechtsgedanke der Verjährung im Strafrecht wie im Zivilrecht. Selbst die Tatbestände der gefährlichen Körperverletzung oder der schweren Freiheitsberaubung verjähren nach zehn Jahren. Bei schwerer Vergewaltigung ist die Tat ebenfalls nach zehn Jahren verjährt und darf bei einer Einstellung in den öffentlichen Dienst nicht einmal geprüft und ermittelt werden.“

Auch wenn ich es mir manchmal gewünscht hätte, die Angehörigkeit bei der Staatssicherheit allein führt weder strafrechtlich noch zivilrechtlich zu einem Rechtsstreit. Die geführten Verfahren haben alle den Hintergrund, dass während der Zeit der Zugehörigkeit gegen Gesetze verstoßen wurde. Also ihr Vergleich mit der Verjährung hinkt gewaltig. Die Unterlagen dienen auch dazu, solche Vergehen und Verbrechen offen zu legen - ich kann daran nichts Verwerfliches finden.

Sie schreiben: „Es wird überprüft ohne Verdacht, und das mindestens noch bis Ende dieses Jahres obwohl es hier in der Regel lediglich um Moral und nicht um Straftaten geht.“

Wie zuvor, wir befinden uns nicht im Strafrecht, die Überprüfung erfolgt, da Angestellte im öffentlichen Dienst allgemein als staatstreu gelten sollten. Jeder, der sich im öffentlichen Dienst bewirbt, ist sich dessen bewusst. Ich frage sie nochmals, warum verschweigt man weiterhin seine Vergangenheit.

Die Rechtsstaatlichkeit ist dadurch begründet, dass Gesetze überprüft werden können, ob sie angemessen sind. Ich halte das Gesetz in der jetzigen Form nicht für angemessen. Die Erweiterung des Gesetzes wird von mir im Sinne der Aufarbeitung der Vergangenheit und der Aufklärung für die Staatssicherheit und das Wirken der DDR begrüßt.

Sie schreiben:„1991 hat der Bundestag die Dauer der Überprüfung von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, auf Grundlage des Stasiunterlagengesetzes, aus gutem Grund auf 15 Jahre begrenzt.“

Ich weiß nicht, welchen „guten“ Grund sie meinen - 1991. Ich gehe davon aus, man wusste es nicht besser, man wollte Selbstjustiz verhindern und vor allem, die meisten die jenseits der Mauer und der Grenze gelebt haben, hatten keine Ahnung, was die Staatssicherheit tatsächlich in der DDR veranstaltet hat. Und leider hat man die ersten Jahre auch dazu genutzt, mehr oder weniger den Mantel des Schweigens über die Vergangenheit zu legen, statt Aufklärung zu betreiben.

Schließlich schreiben Sie : „Ich sage: Nein denn eine weitere Verlängerung über das Jahr 2011 hinaus verstößt deutlich gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da jede Überprüfung einen gravierenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Individuums darstellt und dieser Eingriff nun nach 20 Jahren für Verhaltensweisen, die noch viel länger zurückliegen können, nicht mehr zu rechtfertigen ist.“

Das Gesetz muss weiter verlängert werden, um seinen eigenen Anspruch zu erfüllen:

Zitat Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) :
„§ 1, Abs. 1 Dem Einzelnen Zugang zu den vom Staatssicherheitsdienst zu seiner Person gespeicherten Informationen zu ermöglichen, damit er die Einflussnahme des Staatssicherheitsdienstes auf sein persönliches Schicksal aufklären kann.
§ 1, Abs. 2 den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit den vom Staatssicherheitsdienst zu seiner Person gespeicherten Informationen in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird,“

Schon daher muss das Gesetz weiter Bestand haben, um jedem weiterhin diese Möglichkeit gem.§ 1, Abs. 1 zu gewähren und die Verhinderung des Missbrauchs gem. § 1, Abs. 2 sicherzustellen.

Zitat Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) :
„§ 1, Abs. 3 die historische, politische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes zu gewährleisten und zu fördern,
§ 1, Abs. 4 öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen die erforderlichen Informationen für die in diesem Gesetz genannten Zwecke zur Verfügung zu stellen.“

§1, Absatz 3 ist nicht erfüllt, wie ich Ihnen gegenüber bereits erläutert habe. Wenn dies eines Tages der Fall sein sollte, muss das Gesetz weiter Bestand haben, um §1, Abs. 4 zu erfüllen.

Als Abgeordnete kann ich im Kleinen etwas dafür tun, dass die Aufklärung über die Vergangenheit, die DDR, das Wirken der Staatsicherheit weiter betrieben wird, dass das Unrecht nicht vergessen wird, nicht relativiert wird. Das werde ich tun, dass kann ich Ihnen versprechen.