Frage an Nicole Fritsche bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Nicole Fritsche
DIE LINKE
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Frage von Hildegard S. •

Frage an Nicole Fritsche von Hildegard S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Betr.: Ihre Positionen zu Migrationsfragen

Sehr geehrter Frau Fritsche,
Mich interessieren folgende Fragen:
bzgl. Migranten in unserem Land:
• Bewegungsfreiheit und Arbeitsmöglichkeiten:
Was denkt Ihre Partei bzw. Sie zu tun, um die Situation von Migranten zu verbessern und internationalen Standards anzupassen?
• bzgl Ausbeutung ausländischer Frauen in der Zwangsprostitution. Welche gesetzlichen Möglichkeiten sehen Sie, diesen makabren Menschenhandel zu bekämpfen und die Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.4.2011 umzusetzen?
• bzgl. Misshandlung von ( s.a. die umstrittene Organisation Frontex) und Lebensgefahr für Migranten auf dem Weg nach Europa in Nordafrika .
Welche politischen Maßnahmen halten Sie für nötig, dass sich die Organe an den Grenzen Europas strikt an die Menschenrechte und internationale Vereinbarungen halten?

bzgl. Ursachen der Migrationsbewegungen
• Eine graduelle Aufstockung der Entwicklungshilfe auf das versprochene Ziel von 0,7% des BIPs.
Wie gedenkt ihre Partei dieses Ziel zu erreichen?
• Finanztransaktionssteuer als Beitrag zur Lösung der Finanzkrise. Deutschland sollte sicherstellen, dass die Erträge aus der Finanztransaktionssteuer zur Bekämpfung von Armut und zum Schutz von Klima, Umwelt und Biodiversität genutzt werden.
Was ist die Position Ihrer Partei in dieser Frage?
• Schuldenkrise. Angedacht ist u.a. ein internationales Insolvenzverfahren für überschuldete Staaten.
Wird Ihre Partei diesen Ansatz unterstützen?

Mit freundlichen Grüßen

Hildegard Schreier
Missionarinnen Christi, München

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Schreier,

vielen Dank für Ihre Anfrage.
1. Bewegungsfreiheit und Arbeitsmöglichkeit von MigrantInnen: Grundrechte müssen für alle BürgerInnen gleichermaßen gelten. MigrantInnen dürfen dabei ebenso wenig, wie Hartz IV Empfänger eingeschränkt werden. Hierzu zählt sowohl die soziale als auch die kulturelle Teilhabe. Alle hier geborenen Kinder haben ein Anrecht auf die deutsche Staatsbürgerschaft - ohne die Staatsbürgerschaft de Eltern ablehnen zu müssen. Darüber hinaus fordert DIE LINKE eine leichtere Einbürgerung von in Deutschland lebenden MigrantInnen. Wir fordern das Wahlrecht für alle hier lebenden MigrantInnen unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Das Asylbewerberleistungsgesetz, die Residenzpflicht, die Unterbringung in Sammellagern müssen sofort abgeschafft werden. Asylsuchenden steht das gleiche Recht auf Arbeit, die gleiche Grundsicherung sowie Gesundheitsvorsorge zu.

2. Prostitution: Frauen, welche auf der Suche nach Verdienstmöglichkeiten oder aufgrund von Verfolgung nach Deutschland kommen und sich dann aufgrund einer ökonomischen perspektivlosen Situation für Prostitution entscheiden, sind noch immer Gewalt und Stigmatisierung ausgesetzt. Ich sehe hier eine Lösung im sogenannten schwedischen Modell, d.h. Kauf von Sex, Zuhälterei, Unterhaltung von Bordellen, Frauenhandel stellen Gewalthandlungen dar und sind somit strafbar. Begleitet werden muss dies selbstverständlich von einer öffentlichen Aufklärungskampagne und Hilfsangeboten für Prostituierte. Ebenso ist es notwendig, dass allen Frauen einen ungehinderten Zugang zu Frauenhäusern gewährt wird, unabhängig von sozialer oder ethnischer Herkunft und Staatsbürgerschaft. Hierzu muss eine bundesweit einheitliche Finanzierung sichergestellt werden.

3. Frontex: Die Agentur zur "Sicherung" der Aussengrenzen ist und bleibt Symbol der unmenschlichen Abschottungspolitik der EU gegenüber Menschen in Not. Wir wollen FRONTEX auflösen und kämpfen für eine humanere und solidarische Flüchtlingspolitik. Wir wollen ein Bleiberecht für alle Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus, die länger als 5 Jahre in Deutschland leben. Das Grundrecht auf Asyl (Artikel 16a Grundgesetz) muss in seiner Substanz wiederhergestellt werden. Nicht zuletzt der Hungerstreik von Asylsuchenden, aber auch die Rede vom Papst auf Lampedusa zeigen uns immer wieder, dass hier gesellschaftliche und gesetzliche Änderungen nötig sind. Aus diesem Grund hatte am 11. Juli eine Mahnwache zum Thema Asyl ist Menschenrecht auf dem Rindermarkt in München stattgefunden.

4. Entwicklungshilfe: Die deutschen Gelder für Entwicklungszusammenarbeit müssen endlich auf die international zugesagten 0,7? des Bruttoinlandprodukts angehoben werden. Die Finanzierung kann z.B. durch unsere Forderungen einer Millionärssteuer, Anhebung des Spitzensteuersatzes wieder auf 53?, Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, Besteuerung aller Einkommen.

5. Finanztransaktionssteuer: Finanztransaktionen müssen ebenso wie Kapitalgewinne, hohe Vermögen, Spitzeneinkommen und großen Erbschaften stärker beziehungsweise überhaupt besteuert werden. Mit einer Finanztransaktionssteuer wollen wir die Spekulationen auf den Finanzmärkten eindämmen und die VerursacherInnen der Krise deren Kosten zu beteiligen. Bei jeder Finanztransaktion soll ein Steuersatz von 0,1? fällig werden. Dies sichert Steuermehreinnahmen von 30 Milliarden Euro jährlich. Damit könnte man z.B. auch den sozialökologischen Umbau finanzieren.

6. Schuldenkrise/Insolvenzverfahren: Als erstes muss eine geordnete Entschuldung der Euro-Krisen-Staaten unter Einbindung der Banken und privater Gläubiger erfolgen. Eine europaweite Vermögensabgabe sollte die verbleibenden Risiken für die öffentliche Hand begrenzen und notwendige Investitionen in den Krisenstaaten finanzieren. DIE LINKE fordert aber auch eine Neuausrichtung der EZB, welche eng mit der grundlegenden Demokratisierung der Europäischen Union einher geht, die wiederum im Kontext der Bewegungen und Kämpfe steht, die sich gegen den weiteren neoliberalen und autoritären Umbau der EU wenden. Die EZB stellt als Teil der Troika aus EZB, IWF und EU-Kommission einen zentralen Machtakteur im gegenwärtigen EU-Krisenregime dar. Insbesondere bei der sogenannten Zypern-Rettung dürfte die zentrale Rolle der EZB auch einer breiteren Öffentlichkeit bewusst geworden sein. Darüber hinaus verbieten die gegenwärtigen Verträge Direktkredite der EZB an die Mitgliedsstaaten der Eurozone. Im Zuge der Eurokrise haben wir im Bundestag immer wieder gesagt, dass es notwendig sei, zumindest den Krisenstaaten, die gerade von den Finanzmärkten angegriffen werden, mit Direktkrediten der EZB zu unterstützen - auch, um die Staatsfinanzierung unabhängig von den Interessen der Finanzmärkte zu machen. Da die gegenwärtigen EU-Verträge das ausschließen, haben wir als Zwischenschritt die Einrichtung einer Bank für öffentliche Anleihen gefordert, die diese Funktion übernimmt. DIE LINKE forderte deshalb im Europawahlprogramm von 2009: "Die Europäische Zentralbank (EZB) muss demokratisch kontrolliert und ihr Wirken neben Preisstabilität auch auf Beschäftigung und nachhaltige Entwicklung ausgerichtet werden."

Mit freundlichen Grüßen,
Nicole Fritsche