Frage an Nicolette Kressl bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Nicolette Kressl
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Frage von Michael F. •

Frage an Nicolette Kressl von Michael F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kressl,

es ist schön, dass man nun auch direkt mit seinen Abgeordneten in Kontakt treten kann.
Vielen Dank für ihre Antwort zu dem Nichtraucherschutz, denn die hilft, die Verzögerung zu verstehen.

Nun mein Anliegen:
Können Sie mir bitte kurz darlegen, welche Position Sie zu dem Thema "Killerspiele" einnehmen? Danke hierfür.

Meine Position ist folgende:
Selten ist mir in der Politik derart schwachsinniger Aktionismus von offensichtlich komplett uninformierten Populisten untergekommen wie zu diesen Thema.

Kaum einer der Involvierten, vorneweg die Herren Schünemann und Beckstein, hat auch nur die leiseste Ahnung, zumindest was man den öffentlichen Aussagen entnehmen kann, wovon sie eigentlich sprechen. Vorneweg eine wohlbekannte Publikation mit 4 Buchstaben.

Fakt ist folgendes:
Alle die angeprangerten Killerspiele mit abgetrennten Köpfen / Gliedmassen oder Folterszenen (Schünemann) sind längst verboten.
Gut so!
Unbestritten ist auch, dass Interessierte sich derartige Machwerke trotzdem besorgen können und auch werden.

Laut einer Studie der FU Berlin ist es wohl so, dass eher gewaltbereite Jugendliche sich "passende" Spiele aussuchen und nicht, dass Jugendliche durch derartige Spiele eher gewaltbereit werden:
http://www.zdnet.de/news/software/0,39023144,39150125,00.htm

Dann möchte ich noch darauf hinweisen, dass, neben dem unerträglichen Gefühl als Erwachsener von unwissenden zensiert und als potentieller Gewalttäter abgespempelt zu werden, die Politik im Moment dabei ist sich insbesondere in der "relevanten Gruppe" gut informierter junger Männer, durch derartigen populistischen Aktionismus auch noch die letzten Sympathien zu verspielen. "Wozu Demokratie wenn von oben bestimmt wird und die Betroffenen übergangen werden?" und "Notwehr", lese ich öfter.

Zusammen mit der Kommunikationsüberwachung und insb. der Terror-Hysterie-Gesetzgebung ergibt sich ein erschreckendes Bild eines Orwellschen Staates. Traurig.

Mit freundlichem Gruß
Michael Fontner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Fontner,

vielen Dank für Ihre Mail, mit der Sie sich nach meiner Position zum Thema "Killerspiele" erkundigen. Nachdem ein 18jähriger Jugendlicher kürzlich in Emsdetten in seiner ehemaligen Schule Amok lief und sich anschließend selbst das Leben nahm, ist die Diskussion über ein Verbot von Gewaltspielen, so genannten "Killerspielen", erneut aufgeflammt.

Im Bereich des Jugendschutzes und im Strafrecht hat die Politik bereits nach dem Amoklauf eines Schülers in Erfurt in 2002 nach umfassenden Diskussionen zahlreiche Änderungen vorgenommen. Im zwischen SPD und CDU/CSU vereinbarten Koalitionsvertrag haben wir uns erneut eine Überprüfung der Jugendschutzregelungen vorbehalten. Eine Verpflichtung für ein Verbot von so genannten Killerspielen ergibt sich hieraus nicht. Es müssen die Vor- und Nachteile eines Verbotes in diesem Rahmen ausführlich diskutiert und gegeneinander abgewogen werden. Die von Ihnen vorgebrachten Argumente spielen dabei eine wesentliche Rolle.

Unklar ist in diesem Zusammenhang aber auch, welche Art von "Killerspielen" dabei gemeint ist. Aus den Erfahrungen von Erfurt und Emsdetten sowie der derzeitigen Diskussion ist jedoch zu schließen, dass vor allem Video-/Computerspiele gemeint sind. Bislang wurden unter dem Begriff der "Killerspiele" eher "Gotcha" oder "Paintball" und "Laserdrome" verstanden, zuletzt so benannt durch einen Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Jugendschutzgesetzes und des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OwiG) - Drs. 15/88 (diese finden Sie unter http://www.bundesrat.de/ ).

Im Rahmen des OWiG wird seit Jahren ein Verbot dieser Art "Killerspiele" diskutiert. Die Bundesregierung hat eine solche Gesetzesänderung bislang abgelehnt unter Hinweis auf eine Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes aus 2001, wonach solche Spiele aufgrund simulierter Verletzungs- oder Tötungshandlungen wegen Verstoßes ge­gen die Menschenwürde über die polizeiliche Generalklausel (Schutz der öffentlichen Si­cherheit und Ordnung) bereits jetzt zu verbieten sind. Dies betrifft die Veranstalter oder Betreiber solcher Spiele oder Anlagen.

Nach dem Amoklauf an einer Schule in Erfurt in 2002 wurden die bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen verschärft, die am 1. April 2003 in Kraft traten. Die Zulässigkeit und Verbreitung medialer Inhalte, die für Kinder oder Jugendliche entwicklungsbeeinträchtigend oder -gefährdend sein könnten, sind auf gesetzlicher Ebene im Jugendschutzgesetz (JuSchG) des Bundes und im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder geregelt.

Das Taktik- oder Ego-Shooter-Spiel Counter-Strike, dass sowohl der Amok-Schütze von Erfurt als auch der Täter von Emsdetten vor ihren Taten spielten, war nach der Tat von Erfurt in 2002 von der Bundesprüfstelle trotz der herrschenden politischen Stimmung nach dem Amoklauf von Erfurt nach Informationen nicht indiziert worden, da dem Spiel eine soziale Kompetenz zugute gehalten wurde.

Das seit 2002 bestehende System des Jugendmedienschutzes wird derzeit im Auftrag von Bund und Ländern evaluiert. Die wissenschaftliche Grundlage dieser Evaluation wird durch ein Forschungsprojekt des Hans-Bredow-Instituts geschaffen. Ergebnisse werden voraussichtlich Ende 2007 vorliegen. Dann werden Grundlagen für genaue Befunde zur Wirksamkeit und daraus resultierende Konsequenzen vorliegen. Die jetzt schon existierenden gesetzlichen Regelungen beinhalten ein Bündel von Maß­nahmen, wie beispielsweise Verbreitungsverbote. Es bleibt allerdings zu prüfen, ob die Vorgaben für eine Indizierung bzw. die Alterseinstufungen überprüft und evtl. angepasst werden sollten.

Ein explizierter Zusammenhang zwischen dem Spielen solcher Computerspiele und Gewaltausbrüchen von Jugendlichen lässt sich gezwungener Maßen nicht herstellen. Trotzdem sind die gesetzlichen Vorgaben zum Ju­gendschutz wichtig. Diese allein reichen jedoch nicht aus. Auch die Medienkompetenz der Jugendlichen und von Eltern muss gefördert und gestärkt werden. Eltern und auch das weitere Umfeld von Jugendlichen (Lehrer) müssen verstärkt einen Blick darauf haben, was die Jugendlichen vor dem Computer tun. Die "Bildung von Anfang an" spielt dabei eine er­hebliche Rolle.

Ich hoffe, Sie erkennen: Ich gehe dieses momentan sehr emotional diskutierte Thema als Abgeordnete mit der notwendigen Distanz und gebotenen Sachlichkeit an. Vielen Dank nochmals für Ihre Meinung, die ich gerne in den Prozess meiner Entscheidungsfindung mit einbeziehen will.

Selbstverständlich konnten Sie sich übrigens auch bislang schon jederzeit direkt an mich wenden. Die Auswertung für das Jahr 2006 hat ergeben, dass meine Website über 180.000 visits verzeichnen konnte, viele Besucherinnen und Besucher nutzen den direkten Draht und wenden sich per Mail an mich als Bundestagsabgeordnete. Schauen Sie auch mal vorbei: www.kressl.de .

Viele Grüße aus Berlin
Nicolette Kressl, MdB