Frage an Norbert Baunach bezüglich Bildung und Erziehung

Norbert Baunach
SPD
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Frage von Verena R. •

Frage an Norbert Baunach von Verena R. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Baunach,
Sie haben für das neue Schulgesetz gestimmt! Sie haben JA gesagt zu: deutlich größeren Klassen, größeren Schulen, nicht vLängeres gemeinsames Lernen in erlängerter Grundschulzeit sondern Wechsel aller an die Regionalschule mit neuen Lehrern und neuen Kindern aus anderen Grundschulklassen, nach 2 Jahren wieder neu gemischte Klassen mit neuen Lehrern für die verbleibenden Regionalschüler und zusätzlich ein weiterer Schulwechsel für die Gymnasiasten! Alle Schulexperten hatten dazu größte Bedenken geäußert. Weshalb wird diese für alle Kinder erschwerte Schullaufbahn in zusätzlich sehr großen Klassen , wieso sollte dies ausgerechnet den zahlreichen Kindern aus sozial schwachen und aus Migrantenfamilien helfen, besser in unsere Gesellschaft integriert zu werden? Wieso soll diese schwierige Schullaufbahn unter schlechteren Rahmenbedingungen als bisher (28 Kinder in der 1. und 5. Klasse! UND eine Förderstunde weniger in der 5.Klasse) schwachen Schülern mehr Chancen und bessere Grundlagen für eine gute Berufsausbildung bringen? Gerade diese Schüler brauchen doch besondere Zuwendung, überschaubare Lernbedingungen in kleinen Klassen und dauerhafte und verlässliche Bezugspersonen.
Mit freundlichem Gruß
Verena Riemer

Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Riemer,
Sie haben eine Vielzahl von Feststellungen getroffen und entsprechend viele Fragen formuliert, auf die ich mich bemühen werde, einzugehen. Die SPD steht für die Wahrung der Chancengleichheit für alle Kinder unabhängig von ihrer Herkunft und zur qualitativen Verbesserung von Bildung und Erziehung für unsere Kinder!
Internationale Vergleiche wie PISA und jetzt ganz aktuell der neue OECD-Bildungsbericht haben uns darin bestärkt, den Weg zur Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems konsequent fortzusetzen. Zu viele Kinder werden zu früh ausgegrenzt und von weiterführenden Bildungsgängen ausgeschlossen. Das behindert in erster Linie gerade auch den Bildungsweg von Kindern mit Migrationshintergrund. Wir haben schrittweise mit der Einführung der Orientierungsstufe, der Regionalen Schule 2002/2003 und des längeren gemeinsamen Lernens bis Klasse 6 an den Regionalen Schulen, den Gesamtschulen und den anerkannten Sport- und Musikgymnasien ab diesem Schuljahr an der Überwindung dieser Struktur gearbeitet. Die gesetzliche Grundlage bildet das neue Schulgesetz vom 13. Februar 2006. Das längere gemeinsame Lernen stärkt die Chancengleichheit und erhöht die Entscheidungsfähigkeit für die weiterführenden Bildungsgänge ab Klasse 7.
Eine Verlängerung der Grundschulzeit – wie Sie sie vorschlagen – entspricht nicht den Bedingungen im Land. Die besseren Parameter für die Grundschule hätten wir nicht aufrechterhalten können. Einzügige Systeme würde es in dieser Fülle nicht mehr geben, weil wir den Fachunterricht ab Kasse 5 effizient abdecken müssten. Ein erhöhter Lehrertourismus und längere Schulwege wären die Folge schon für die Kleinsten. Auch unter pädagogischen Gesichtspunkten befürworten wir die vierjährige Grundschule und die Regionale Schule ab Klasse 5 als eigenständige Schularten.
Ein zweifacher Schulwechsel ist meiner Meinung nach für einen leistungsstarken Schüler leichter als für leistungsschwächere Schüler zu verkraften, die leider bisher in zu großer Zahl (durchschnittlich 25%) das Gymnasium wieder verlassen mussten. Außerdem stellt das längere gemeinsame lernen für die SPD nur eine Etappe auf dem Weg zum längeren gemeinsamen Lernen bis Klasse acht dar. Für dieses Ziel werden wir unsere Bemühungen auf KMK-Ebene für ein bundesweites einheitliches Zentralabitur fortsetzen und verstärken, denn an erster Stelle steht für uns der Erhalt der bundesweiten Anerkennung der Bildungsabschlüsse. Die individuelle Förderung ist integrierter Bestandteil der Einführung des längeren gemeinsamen Lernens. Alle fünften und sechsten Klassen erhalten dafür je vier Förderstunden. Wir haben hier für die Orientierungsstufe, die eine Einheit bildet, eine Verbesserung um drei Förderstunden erreicht.
Die individuelle Förderung schließt die Begabtenförderung und die Überwindung von Defiziten ein. 1400 Lehrkräfte wurden dazu intensiv geschult. Sie arbeiten ab diesem Schuljahr in Lehrerteams in den fünften Klassen, wobei sie - und insbesondere die Klassenlehrer -, möglichst viele Stunden in „ihrer“ Klasse unterrichten. Neben dem Frontalunterricht sollen vor allem geöffnete Formen wie Tages- und Wochenplanarbeit, freie Arbeit, Projektarbeit und Epochalunterricht insbesondere für Fächer mit geringer Wochenstundenzahl stärker genutzt werden. Eine neue Rhythmisierung der Unterrichtszeiten oder die Bildung von zeitlich begrenzten und klassenübergreifenden Lerngruppen schaffen neue Freiräume für individuelle Förderung. Das Lehrerteam plant und steuert diesen Prozess und übernimmt eine besondere Verantwortung für die individuelle Entwicklung der einzelnen Schülerin und des einzelnen Schülers. Individuelle Förderung braucht Rückzugsräume für die Kinder.
Für die räumliche und sächliche Ausstattung wurden vor allem die Möglichkeiten der Förderung durch das Bundesinvestitionsprogramm für Ganztagsschulen (IZBB) genutzt. Grundsätzlich haben in diesen Fragen die Schulträger ihre Verantwortung wahrzunehmen.
Sie benennen die maximalen Klassengrößen von 28 in den 1. und 5. Klassen. Das stimmt. Richtig ist aber auch, dass diese maximalen Größen bei weitem nicht in allen Klassen erreicht werden. Sie wissen, dass wir im Bundesdurchschnitt mit über die kleinsten Klassen verfügen, das hat sich nach wie vor nicht geändert. Im Übrigen erlauben Förderstunden und die höhere Selbständigkeit der Schulen ein flexibles Arbeiten bis hin zu klassenübergreifenden Lerngruppen. Diese Möglichkeiten sollten von den Lehrerinnen und Lehrern noch stärker genutzt werden. Außerdem sieht die neue Schulentwicklungsplanung geringere Eingangsschülerzahlen bzw. Zügigkeiten für Einzelstandorte vor, damit für alle Kinder auch auf dem flachen Land die Schulwegzeiten nicht länger als die bisherigen 40 Minuten für Grundschülerinnen und Grundschüler und 60 Minuten für den Sekundarbereich I betragen.

Ich bin mir sicher, dass sich die Bildungslandschaft – gerade auch wegen der Flächen- und Bevölkerungssituation in Mecklenburg-Vorpommern - hin zu mehr integrierten Systemen wie Schulzentren, Integrierten und Kooperativen Gesamtschulen mit leistungsdifferenzierten und flexiblen Angeboten entwickeln muss, die sich an den individuellen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler ausrichten.

Sehr geehrte Frau Riemer,
da ich in meinem unmittelbaren familiären Umfeld Lehrerinnen und eine „gymnasiale Tochter“ habe, weiß ich auch, dass in der Umsetzung vor Ort manches noch nicht so klappt, wie es von Seiten des Landes angedacht wurde.

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Baunach