Frage an Oliver Gellert bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Oliver Gellert
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Sieglinde M. •

Frage an Oliver Gellert von Sieglinde M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo,

Euer Spandauer Wahlprogramm hinterlässt bei mir leider mehr Fragen als Informationen. Also frage ich hier einiges bei Euch einfach mal nach:

Bürger*innenbeteiligung
Seht Ihr es als sinnvoll an, in Eurem Wahlprogramm die von Faschisten oder Pegida-Anhängern belegten Schlagwörter und Parolen, wie „Lügenpresse“ und „Wutbürger“ in Zusammenhang mit Bürgerbeteiligung zu wiederholen?

Willkommen in Spandau
Ihr schreibt in Eurem Wahlprogramm: Die „politische Großwetterlage vor Europas Haustür bleibt angespannt“. Ist das Eure Umschreibung von Krieg, Vergewaltigung, Mord, Hunger und unglaublicher Verfolgung und Brutalität in den Herkunftsländern der Flüchtlinge? Ihr wirbt mit "zentrale Informationsstelle rund um das Thema Integration auf bezirklicher Ebene“ Meint Ihr den in Spandau vorhandenen Migrations- und Integrationsbeauftragten (heisst übrigens schon lange nicht mehr „Ausländerbeauftragter“)? Die „zentrale Informationsstelle“ ist eine CDU Forderung. Sind Euch die Gegenargumente und Gründe z.B. vom Bezirksbürgermeister überhaupt bekannt, der diese Zentralisierung ablehnt? Wie stellt ihr euch einen „schnellen und unbürokratischen Schulunterricht ab den 1. Tag für alle Flüchtlingskinder (Zitat Wahlprogramm) vor, wenn zuvor die schulärztliche Untersuchung und die Entscheidung der Ärzte abzuwarten ist? Warum lehnt Ihr Notlösungen und Massenunterkünfte für Geflüchtete ab, akzeptiert aber entgegen der UN-K.-Konvention, dem GG, unsere Berliner Verfassung und dem Berliner Schulgesetz eine Beschulung in den Notunterkünften?
Der Senat und der Bezirk Spandau sehen die Beschulung in Notunterkünften als letzte aller Möglichkeiten an. Warum seht Ihr das anders und sind Euch die anderen Möglichkeiten als Alternativen überhaupt bekannt?

Ich gebe gerne zu, dass das viele Fragen sind. Aber leider fand ich in Eurem Programm dazu nichts.

LG
Sieglinde M.

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Liebe Sieglinde,

herzlichen Dank für Deine Fragen zu unserem bezirklichen Wahlprogramm, bitte verzeih, dass ich erst so spät antworte.

Zu Deiner ersten Frage zu den Schlagwörtern „Lügenpresse“ und „Wutbürger“. Die Worte werden im Rahmen einer Stimmungsbeschreibung verwendet um im Anschluss darauf hinzuweisen, dass wir die Dinge anders sehen und dass die Bürger*innen aktiv beteiligt werden sollen in Ausschüssen, bezirklichen Strukturen und dass sie mitgenommen werden sollen bei den sie betreffenden Entscheidungen, Aktionen und Ideen.

Zu Deinem zweiten Themenfeld „Willkomen in Spandau“:

Zur Großwetterlage möchte ich Dir sagen, dass es mir leid tut, dass wir wiederholt nicht Deinen sprachlichen Geschmack getroffen haben bei der Ausarbeitung der Texte unseres Wahlprogramms. Ich weiß, dass Sprache ein wichtiger Baustein für die Gewinnung von Sympathien für Forderungen, Ideen oder Visionen ist, aber die hier gewählten Worte habe mehrheitlich die Zustimmung der Menschen gefunden, die sich an der Ausarbeitung des Programmes und der dazu stattgefundenen Programmversammlung beteiligt haben.

Nun zu den Sachfragen:

Die zentrale Informationsstelle rund um das Thema Integration, soll, nach meinem Verständnis, eine zentrale Anlaufstelle für geflüchtete Menschen sein, an der sie alle Angebote und Hilfen bekommen können, die sie für ein erfolgreiches Ankommen in unserem Bezirk benötigen. Also alle Leistungen aus einer Hand an einer Stelle mit ggf. mehreren Zweigstellen, je nach Bedarf in den Kiezen.

Wenn wir eine erfolgreiche Integration von Kindern, Jugendlichen und erwachsenen geflüchteten Menschen wollen, dann müssen wir ab dem 1.Tag tätig werden und gucken, ob wir Strukturen schaffen können die den Menschen ab dem 1. Tag helfen, hierzu kann auch gehören die Untersuchungen und die Entscheidung an einem Tag umzusetzen, um sämtliche Formalien am ersten tag geregelt zu haben, damit die Geflüchteten ab dem 2. Tag auch praktisch am Unterricht teilnehmen können. Grundsätzlich möchten wir einen Schulunterricht an Schulen für die Kinder, trotz allem halten wir Bildung und das Erlernen unserer Sprache für so wichtig, dass wir in Ausnahmefällen für eine kurze Dauer, mit der Ausnahme leben könnten. Denn Zugang zu Bildung und Sprache von Schulplätzen und/oder ggf. Schulbauten abhängig zu machen, der auch Monate oder Jahre dauern kann, wenn der zuständige Stadtrat mal wieder keine Plätze findet ist für uns auch nicht hinnehmbar. Weswegen wir nichts anderes sagen, als der Bezirk Spandau wie Du schreibst - denn wir schreiben notfalls.

Grundsätzlich zu den Fragen nach Meinungen und Haltungen der anderen Parteien. Wir machen ein Wahlprogramm für Bündnis’90/Die Grünen und nicht gegen Partei A oder B oder mit Partei C oder D. Wir machen ein Wahlprogramm um Menschen von einer Wahl der Grünen zu überzeugen, für die Dinge die wir umsetzen möchten mit den Bürger*innen in Berlin und Spandau. Wenn wir kein Thema mehr aufgreifen sollen, was bereits durch eine andere Partei besetzt ist, dann würde nicht allzu viel übrig bleiben und gerade in den aktuellen Zeiten, denke ich, werden wir mit einem klassischen Lagerwahlkampf nicht erfolgreich sein.
Viel mehr sollen und müssen wir uns den Themen und Argumenten der anderen Parteien und der Menschen die uns wählen stellen, uns damit beschäftigen und sachlich und fachlich gucken, ob es vielleicht ein guter Ansatz ist oder wie wir die möglicherweise falsche Argumentation widerlegt bekommen. Aber Dinge abzulehnen, weil sie von der falschen Partei kommen, hat uns möglicherweise auch den jetzt erstarkten rechten Rand gebracht, der die „traditionellen“ Parteien ja nicht mehr ernst nehmen kann. Also lass uns doch gemeinsam gute Sachpolitik machen, sowohl in unserer APrtei wie auch im Bezirk und in Berlin.

Viele Grüße

Oliver Gellert