Frage an Otto Fricke bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Otto Fricke
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Frage von Hans-Oskar S. •

Frage an Otto Fricke von Hans-Oskar S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Fricke,
die morgige Bundesversammlung gibt mir Anlass zu meiner Frage: In Artikel 54 (3) GG ist die Zusammensetzung der BV festgelegt aus allen (gesetzlichen) Mitgliedern des BT sowie -in gleicher Anzahl- aus von den Länder-Volksvertretungen (nach dem Verhältniswahlrecht) zu wählenden "Mitgliedern". Es sind aber z. B. für diese zweite Hälfte der BV ausgesuchte sog. Prominente alles andere als etwa gewählte Volksverteter. Während allen gewählten Volksvertretern aus BT und LT`n, wenn diese den Bundespräsidenten wählen, eine Legitimatrion durch den Souverän (!) -vgl.Artikel 20 (2) GG) eigen ist, nur dadurch auch dem gewählten Staatsoberhaupt, eignet so ausgesuchten Bürgern ohne ein solches Mandat des Volkes diese Legitimierungs-Bevollmächtigung in keiner Weise! Sie kann auch nicht - durch welche Anordnung wessen immer- delegiert werden. Volksvertreter haben empfangenes Mandat des Wahlvolkes auszuüben, sie können es auf keinen Bürger abseits des Volkes übertragen !

Bitte, verraten Sie mir die Herkunft dieser Handhabung, in die BV Nicht-Mandatsinhaber hineinzunehmen, und verraten Sie mir bitte dazu, woher für solche ein nachzuvollziehender Legitimations-Akt stammen soll. Eine Verfassung, deren eigene Legitimation mit 1990 nicht erfüllter Gesamt-Verfassungsgebung plus Gesamt-Referendum durch alles deutsche Volk seit 20 Jahren zweifelhafte ist, darf nicht noch zusätzlich Zweifel aufwerfen, wie es mit dem Ernstnehmen der für rechtsstaatliche Demokratie unerlässlichen Legitimation von jeglicher ausgeübten Staatsmacht hierzulande stehe. Wenn schon die Bürger das Staatsoberhaupt nicht direkt wählen dürfen, wieso dann dürfen es nach gusto ausgesuchte dennoch?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Sittart,

die Frage der Zusammensetzung der Bundesversammlung richtet sich, wie von Ihnen angeführt nach Artikel 54 Grundgesetz.

Die Mitglieder des Bundestages sind hierbei gesetzt, es wird in diesem Zusammenhang auch von "geborenen Mitgliedern" gesprochen. Die Anzahl der "geborenen Mitglieder" legt fest, wie viele Mitglieder die Landesparlamente entsenden dürfen. Bereits der Wortlaut des Art. 54 III GG sieht eindeutig vor, dass die "Volksvertretungen der Länder" ihren Anteil an Mitgliedern "nach den Grundsätzen der Verhältniswahl wählen". Schon durch den Verfassungstext wird also deutlich, dass die demokratische Legitimation abgeleitet wird. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie gänzlich fehlt.

Der Artikel 54 (VII) verweist hier zudem auf ein Bundesgesetz, das Näheres regelt. Dieses Bundesgesetz ist das Bundespräsidenten-Wahlgesetz (BPräsWahlG) Hier regelt Artikel 4, wie die Landesvertretung zu wählen ist. In Artikel 4 Absatz I ist geregelt, dass die auf ein (Bundes-) Land entfallenden Vertreter aus einer vom Landtag zu erstellenden Vorschlagsliste zu wählen. Jeder Abgeordnete hat bei der Nominierung eine Stimme.

Hierbei gibt es keine Einschränkung hinsichtlich der Frage wer eigentlich vorgeschlagen werden kann. Auf diese Weise gibt es die Möglichkeit, die von Ihnen angesprochenen Nichtmandatsträger zu nominieren. Die Wahl der Landeswahlmänner erfolgt somit nach dem Grundsatz indirekter Demokratie. Die Wahl ist insofern legitimiert, als dass die Landvertreter, die ihrerseits durch Wahlen des Volkes legitimiert sind, die Mitglieder zur Bundesversammlung entsenden.

Der von Ihnen vorgebrachte Vorwurf, dass die Nominierung von nicht Mandatsträgern ohne nachvollziehbaren Legitimationsakt erfolgt trifft insoweit nicht ganz ins Ziel.

Die FDP-Fraktion befürwortet jedoch eine Direktwahl des Bundespräsidenten, denn der Bürger sollte das Recht haben selbst über den höchsten Staatsvertreter abzustimmen. Mit dieser Forderung, die unter anderem auch vom Amtsinhaber Horst Köhler postuliert worden ist, steht die FDP aktuell allerdings (noch) alleine dar.

Auf einen weiteren, von Ihnen vorgebrachten Punkt möchte ich jedoch noch eingehen.

Sie stellen in den Raum, dass Sie an der Legitimation des Grundgesetzes an sich zweifeln, da es 1990 durch eine gesamtdeutsche Verfassung ersetzt und so neu legitimiert hätte werden müssen.

Dieser Einschätzung kann ich nicht folgen, denn die in Artikel 146 Grundgesetz formulierte Transformationsmöglichkeit in eine gesamtdeutsche Verfassung wurde 1990 aus freien Stücken und ganz bewusst nicht gewählt. Es handelt sich also um eine bewusste Entscheidung zu Gunsten des Grundgesetzes, insofern ist das Grundgesetz nach wie vor legitimiert.

Es grüßt Sie freundlich und wünscht ein frohes Pfingstfest

Otto Fricke, MdB

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