Frage an Otto Fricke bezüglich Finanzen

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Otto Fricke
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Frage von Frank M. •

Frage an Otto Fricke von Frank M. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Fricke,

ich frage mich, warum die Finanzierung öffentlicher Leistungen eigentlich immer ein Widerspruch zu Markt und Wohlstand sein muss. Gibt es Thesen- oder Strategiepapiere in der FDP, die sich einer größeren Popularität von Mehrwert- und Vermögenssteuern zuwenden?

Zu meiner Frage verleiten mich zwei Denkansätze: Steuern sollten nur von jenen genommen werden, die erfolgreich waren, um weniger Erfolgreichen helfen zu können. Außerdem gilt: nichts auf der Welt kann Geld so wohlstandsfördernd einsetzen, wie das Individuum.
Einkommenssteuern verstoßen gegen beide, aus meiner Sicht wichtigsten Paradigmen. Sie werden VOR Feststellung des Erfolges fällig. Den Menschen wird Geld genommen, BEVOR sie es wohlstandssteigernd in den Markt einbringen konnten.

Können sie vielleicht noch den anderen Nebeneffekten zustimmen? Einkommenssteuern (ES) verschärfen die Standortdebatte zum Nachteil der Löhne und öffentlichen Haushälter: besteuert werden nur Arbeitsprozesse hier ansässiger Unternehmen - ausländische Unternehmen nutzen aber ebenfalls die gesellschaftlichen Strukturen zum Verkauf ihrer Produkte, ohne Steuern des Wohlfahrtsstaates zahlen zu müssen. Die Prüfung der ES ist kompliziert, kostspielig und heutzutage mangelhaft, und Tricks gibt es viele. Arbeitsmotivation: je weniger Netto, umso höher der Ärger. Moralisch: die Gutheißung jedweden Arbeitsprozesses aufgrund der Abhängigkeit des Steueraufkommens von den Unternehmen, hat der Gesellschaft nachträglich geschadet.

Ich bin bei meiner Betrachtung zu keinem Ende gekommen, weshalb ich für Tipps oder Empfehlungen zu den Nachteilen von Mehrwertsteuern und Vermögenssteuern dankbar wäre. Um eines vorweg zu nehmen. Die Kollegen von der SPD behaupten immer, die Mwst belaste niedrige Einkommen über Gebühr. Lächerlich, wenn man allein die Flexibilität der Steuern betrachtet.

Mit freundlichen Grüßen
Frank Martischewski

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Sehr geehrter Herr Martischewski,

vielen Dank für Ihre interessante, zum Nachdenken anregende, Frage zu den Themen Mehrwert- und Vermögenssteuer. Anders als Sie, bin ich nicht der Überzeugung, dass die Finanzierung öffentlicher Leistungen heute völlig im Widerspruch zu Markt und Wettbewerb steht (Welche Funktion hat der Staat als Rahmengeber einer sozialen Marktwirtschaft?). Natürlich sehe auch ich, dass viele Regeln und Praktiken des deutschen Steuersystems nicht besonders effizient, gerecht oder wettbewerbsorientiert sind. Ausgehend von den beiden Paradigmen, die Sie formulieren, komme ich aber im Hinblick auf die Einkommenssteuer zu einer anderen Bewertung.

Ihrer Argumentation folgend, sollten Einkommenssteuern nur erhoben werden, damit die wirtschaftlich Erfolgreichen den weniger erfolgreichen Menschen unter die Arme greifen. Bis auf das Wort ‚nur‘ stimme ich Ihnen dabei soweit zu. Allerdings komme ich nicht zu dem Schluss, dass Einkommenssteuern heute vor Feststellung des individuellen Erfolges erhoben werden. In meinen Augen ist die Höhe des Einkommens ein guter Indikator für wirtschaftlichen Erfolg, der den Anteil des Individuums am ökonomischen Gesamtgeschehen einfach und meist einleuchtend zusammenfasst. Schließlich wird derjenige, der mehr oder eben besser arbeitet, mehr leistet und mehr Erfolg für sich verbuchen kann, in aller Regel auch ein höheres Einkommen erzielen als jener der weniger arbeitet, weniger leistet und sich weniger Erfolg zuschreiben kann. Dabei gehört zur Leistung natürlich in einer Wissensgesellschaft auch die Wissensaneignung. Dementsprechend ist es durchaus legitim, die Höhe des Einkommens als einen Richtwert für den wirtschaftlichen Erfolg des Einzelnen heranzuziehen und einen Teil des staatlichen Steuerkonzepts daran auszurichten. Damit aber Dritte, die diese Zeilen lesen, mich nicht missverstehen: Dies ist eine grobe Skizzierung. Im Detail wird es – wie immer – sehr schwierig.

Außerdem bin ich fest davon überzeugt, dass unsere Gesellschaft ohne steuerliche Solidarität aus den Fugen geraten würde. Diese Solidarität drückt sich darin aus, dass starke Schultern – prozentual am Einkommen gemessen – einen größeren Anteil zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte beitragen sollten, als schwächere. Das ist heute der Fall und wird von mir nicht in Frage gestellt. Nun haben wir aber das Problem, dass persönliches Einkommen und Vermögen in aller Regel einen gewissen Grenznutzen haben. Das heißt, dass Personen mit niedrigem Einkommen einen deutlich größeren Anteil ihres Einkommens allein zur grundlegenden Finanzierung ihres Lebensunterhalts ausgeben (müssen), während gut verdienende Menschen einen größeren Teil ihres Vermögens sparen oder anlegen können. Diesen Teil ihres Geldes stellen sie der Wirtschaft also nicht direkt zur Verfügung und würden daher einer indirekten Besteuerung wie der Mehrwertsteuer nicht unterliegen. Dennoch muss man bedenken, dass selbst dieses „Sparen“ an anderen Stellen im Finanzsystem, leider auch beim Staat, dazu dient kreditiert zu finanzieren.

Selbst bei einer Vielzahl von, unter sozialen Gesichtspunkten angepassten Mehrwertsteuersätzen, worauf Sie ja anspielen, würden wir diesem Problem nicht entgehen. Kleinere und Mittlere Einkommen würden hier deutlich „stärker“ belastet. Die zusätzlich entstehende Bürokratie, die ja teilweise schon heute mit nur zwei verschiedenen Mehrwertsteuersätzen unerträglich ist, würde sich noch stärker ausbreiten. Das ist ein Effekt, den ich auf keinen Fall herbeiführen möchte.

Auch im Hinblick auf Ihre zweite These gebe ich Ihnen als Liberaler natürlich grundsätzlich Recht: Selbstverständlich kann nichts auf der Welt Geld so wohlstandsfördernd einsetzen, wie das Individuum. Leider gilt das aber nicht für alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens: Gerade im Hinblick auf die viel diskutierten Kollektivgüter (öffentliche Sicherheit, Bildung, Infrastruktur, Umwelt u.Ä.) werden Sie mir hier sicher zustimmen. Dabei ist es für den Einzelnen leider viel zu oft nicht rational begründbar, das eigene Vermögen für etwas zu investieren, von dem die gesamte Gesellschaft profitiert. Diese Dinge muss dann der Staat, als Zusammenschluss von Bürgern, öffentlich finanzieren.

Dabei kann er theoretisch sehr verschiedene Wege verfolgen – von Einkommens-, über Mehrwert- bis hin zu Vermögenssteuern. Eine Vermögenssteuer hätte dabei den Vorteil, dass sie das gesamte Vermögen des Einzelnen zur Besteuerung heranzieht, also nicht nur das aus abhängiger und unabhängiger Arbeit erworbene Einkommen. Theoretisch ist sie also sehr fair. Unfair und wirtschaftlich von Nachteil gestaltet sich aber immer ihre praktische Umsetzung: Da bei Vermögenssteuern jedwedes Vermögen – egal ob Geld, Immobilien oder Grundbesitz – zur Besteuerung herangezogen werden muss, kommt es häufig vor, dass eine Person auf dem Papier zwar über ein großes Vermögen verfügt, dieses aber nicht in Liquidität umwandelbar ist. Ein Haus im Wert von 500 000 Euro würde also genauso besteuert wie ein Bargeldbestand von 500 000 Euro. Während man vom Bargeld nun leicht einen gewissen Teil abzweigen könnte, wäre der Hausbesitzer im Extremfall sogar gezwungen sein Haus zu verkaufen, nur um seiner Steuerpflicht nachzukommen. Ein vergleichbares Problem erleben wir immer wieder bei der Vererbung von Familienunternehmen. Hier hat man in der Vergangenheit durch die unterschiedliche Besteuerung von Geldbeständen und Grund- bzw. Liegenschaftsbesitz entgegengewirkt, was das Bundesverfassungsgericht 1995 jedoch im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes für verfassungswidrig erklärt hat. Aktuell gibt es aufgrund eines Verfassungsgerichtsurteils eine weitere Diskussion.

Was in diesem Falle für den Immobilienbesitz gilt, hat natürlich die gleichen Auswirkungen auf Unternehmen. Die Vermögenssteuer würde also gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten dafür sorgen, dass Unternehmen vom Staat zu stark belastet und Arbeitsplätze vernichtet würden. Das kann man nicht gutheißen. Im Hinblick auf den von Ihnen angesprochenen Wettbewerbsaspekt des Wirtschaftsstandortes Deutschland bin ich deshalb davon überzeugt, dass wir eventuelle Nachteile durch eine niedrigere, einfachere und gerechtere Besteuerung der Einkommen erreichen müssen, um damit die Lohnnebenkosten zu senken und den Menschen wieder mehr von dem Geld zu lassen, das sie erwirtschaften. Einkommenssteuern gibt es beinahe in ganz Europa, weshalb wir unsere Wettbewerbsposition hier nicht unbedingt durch Abschaffung, sondern auch schon durch Senkung bei gleichzeitiger Streichung von Ausnahmen verbessern können.

Abschließend möchte ich Sie noch darauf hinweisen, dass ein solch radikaler Wandel von der Einkommens- zur Vermögenssteuer natürlich auch dazu führen würde, dass Vermögen nochmals besteuert würden, die aus bereits versteuerten Einkommen entstanden sind. Dies kann und darf keine Möglichkeit sein, denn so würden wir dem Staat für die Zukunft Tür und Tor öffnen, auch mehrfach steuerlich auf das Vermögen der Bürger zurückzugreifen.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage ein wenig beantworten, auch wenn die Teilaspekte noch viel differenzierter sind.

Es grüßt Sie herzlich, gegenwärtig aus Krefeld,

Ihr Otto Fricke

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