Frage an Otto Fricke bezüglich Finanzen

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Otto Fricke
FDP
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Frage von Jan-Peter H. •

Frage an Otto Fricke von Jan-Peter H. bezüglich Finanzen

Guten Tag Herr Fricke,
Ein Kennzeichen funktionierender Marktwirtschaft ist für mich, dass es keine systemrelevanten Unternehmen gibt und ein schlecht wirtschaftendes Unternehmen im Rahmen einer Insolvenz entweder saniert wird oder von Markt verschwindet.
Im Bereich der Banken scheinen derzeit die Regeln der Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt zu sein.
Da eine funktionierende Marktwirtschaft zur Kernidee der FDP zählt, würde ich gerne wissen, welche Maßnahmen die FDP mittelfristig für notwendig hält, damit in Zukunft das Finanzsystem auch die Insolvenz einer großen Bank problemlos verkraften kann:

1) Welche Änderung benötigen wir im nationalen ordnungspolitischen Rahmen (Bankenregulierung) ?

2) Welche Änderung benötigen wir im europäischen ordnungspolitischen Rahmen (Bankenregulierung) ?

3) Benötigen wir auch für den Bereich der Privatbanken ein verbessertes Sicherungssystem, welches z.B. dem der genossenschaftlich organisierten Banken entspricht ? (Die im Sicherungssystem zusammengeschlossenen Banken übernehmen und sanieren überschuldete Institute bevor es zu einer Insolvenz kommt)

4) Wo finde ich weitergehende Infomationen von der FDP zu diesen Themen ?

Herzliche Grüße
Jan-Peter Homann

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Homann,

Ihre einzelnen Fragen betreffen einen äußerst komplexen Themenbereich, weshalb ich mir erlaube, diese im Zusammenhang und auch etwas ausführlicher zu beantworten. Gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, dass niemand behaupten sollte, in diesem Gebiet über eine einfache Patentlösung zu verfügen. Diese gibt es schlicht und ergreifend nicht. Die umfangreichen und schwierigen Verhandlungen im Rahmen von G20 zeigen dies eindrucksvoll.

Leitsatz für alle Maßnahmen, die in dieser schweren Krise zu ergreifen sind, muss die Bewahrung der sozialen Marktwirtschaft sein. Sie alleine ist Voraussetzung dafür, dass auch morgen noch Sozialleistungen ausbezahlt und der soziale Frieden in unserem Lande bewahrt werden kann. Das Bankensystem als solches ist in diesem Zusammenhang systemrelevant, weil die Finanzierung der Wirtschaft insgesamt (insbesondere des Mittelstandes) ohne ein funktionierendes Bankensystem zusammenbrechen würde. Insofern besteht ein Unterschied zu einzelnen Wirtschaftsunternehmen.

Unser Land befindet sich in einer sehr ernsten Situation. Die Krise der internationalen Finanzmärkte droht auch erhebliche Auswirkungen auf unsere Realwirtschaft zu haben. Die Finanzkrise wird zur Wirtschaftskrise. Deutschland befindet sich in einer Rezession. Statt Aktionismus braucht unser Land ein ordnungspolitisches Aktionsprogramm.

Der Staat ist in der Verantwortung, durch schnelles, kluges und wirksames Handeln die Auswirkungen der Krise zu begrenzen. Das Vertrauen der Menschen in die soziale Marktwirtschaft muss jetzt gestärkt werden: durch Reformen in der Finanzarchitektur, durch bessere Aufsichts- und Kontrollmechanismen und durch eine Stärkung des Verantwortungsprinzips.

Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Stabilisierung der Finanzmärkte war im vergangenen Herbst ohne Alternative. Auch als Opposition haben die Liberalen aus patriotischem Verantwortungsgefühl die notwendigen Entscheidungen mitgetragen. Umso wichtiger ist jetzt aber eine Rückbesinnung auf die Grundprinzipien unserer sozialen Marktwirtschaft. Wir brauchen einen starken Staat, der klare und verlässliche Regeln aufstellt, überwacht und ggf. sanktioniert, der aber nicht Mitspieler ist, weil er dann zur Partei wird. Falsch ist die Behauptung, in Deutschland existiere ein System des schrankenlosen Kapitalismus. Weder der Idee noch gar den Tatsachen nach haben wir einen freien, „ungezügelten“ Markt ohne Ordnungsrahmen. Wer anderes behauptet, blendet die bestimmende Rolle des Staates in der sozialen Marktwirtschaft einfach aus.

Der Finanzsektor ist wegen seiner ihm eigenen Unwägbarkeiten und Unsicherheiten traditionell stark reguliert. Wer einen Kredit einräumt, gewährt einen Vertrauensvorschuss – ohne Vertrauen kein Kredit. Die Informationen gerade auf den Finanzmärkten sind unterschiedlich verteilt. Kunden, die ihrer Bank Geld anvertrauen, wissen im Detail nicht, was mit ihrem Geld geschieht. Die Bank hat dem Einleger gegenüber, wie jeder Kreditnehmer seinem Geldgeber gegenüber, einen Informationsvorsprung. Wegen dieser asymmetrischen Verteilung von Informationen ist die Regulierung in keinem anderen Wirtschaftszweig derart akzeptiert wie in der Finanzwirtschaft.

Ziel jeder Regulierung ist ein funktionsfähiger Wettbewerb. Die Marktteilnehmer müssen – auch als Verbraucher – Vertrauen in das System und eine objektive Information über Risiken der Anlageprodukte haben können. Dieses Vertrauen ist derzeit verloren gegangen. Grund dafür ist nicht nur mangelhafte Regulierung an verschiedenen Stellen, sondern vor allem die unzureichende Kontrolle durch den Staat und seiner Bankenaufsicht oder international durch die Staatengemeinschaft. Regulierungsversagen ist aber Staatsversagen, nicht Marktversagen. Die Folgen daraus können nur Überprüfung und Anpassung der Regulierungen und natürlich nachhaltige Verbesserungen bei der Aufsicht sein.

Die Krise der internationalen Finanzmärkte ist nicht nur eine Krise der Regulierer, sondern auch eine Krise der Geldpolitik in den USA. Der Sachverständigenrat hat in einem aktuellen Gutachten zur Stabilität des internationalen Finanzsystems sehr deutlich auf die falsche Geldpolitik abgestellt. Zielrichtung muss es daher sein, in der Tradition der Deutschen Bundesbank auf seine Politik der Geldwertstabilität zu setzen.

Die Aufgabe der Wirtschaftsprüfer bei der Finanzkrise ist kritisch zu hinterfragen. Dabei sind insbesondere der Umfang des Prüfungsinhaltes sowie der Umfang der Risikobewertung zu überprüfen und anzupassen. Unabhängig davon kann mangelhafte Politik persönliches Fehlverhalten Einzelner nicht entschuldigen. Wer als Manager im Finanzmarkt unverantwortliche Risiken eingegangen ist, muss zur Rechenschaft gezogen werden und personell wie finanziell die Konsequenzen tragen. Keinesfalls gerechtfertigt ist allerdings die pauschale Kritik an in der Wirtschaft verantwortlich handelnden Personen, die in der letzten Zeit in Politik und Medien erhoben wurde.

Hieraus ergeben sich für die FDP-Bundestagsfraktion insbesondere folgende Einzelforderungen:

1. Die nationale Finanzaufsicht muss bei der Deutschen Bundesbank konzentriert werden.

Die Zersplitterung der Bankenaufsicht zwischen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank hat sich nicht bewährt. Eine Konzentration der Aufsicht bei der unabhängigen Deutschen Bundesbank verhindert Reibungsverluste und strafft die Arbeitsabläufe. Die geldpolitische, volkswirtschaftliche und aufsichtsrechtliche Expertise ist dann in einer Institution gebündelt und kann effizienter aufeinander abgestimmt werden. Gerade bei einem Frühwarnsystem hat diese Verzahnung ihre Vorteile, wenn sich nicht zwei Präsidenten und damit zwei Bürokratien abstimmen müssen.

2. Die europäische Finanzaufsicht muss verbessert werden.

Die Struktur der Bankenaufsicht muss endlich der bereits sehr weit fortgeschrittenen Europäisierung der Bankenlandschaft Rechnung tragen. In der Finanzmarktkrise ist deutlich geworden, dass es bei grenzüberschreitenden Aktivitäten von Banken zu bedrohlichen Aufsichtslücken kommen kann, etwa dann, wenn Tochtergesellschaften in einem anderen EU-Mitgliedsland der Aufsicht unterliegen als das Mutterunternehmen. Die Tatsache, dass in der EU mehr als 70 Finanzmarktaufsichtbehörden tätig sind, die nur sehr unzureichend untereinander vernetzt sind, stellt eine Bedrohung für die Stabilität der Finanzmärkte und zudem ein schwer wiegendes Integrationshindernis dar. Erstes Ziel ist deshalb die unverzügliche Etablierung eines European System of Supervisory Authorities nach dem Modell der Europäischen Zentralbank. Mittelfristig muss eine einheitliche EU-weite Bankenaufsicht geschaffen werden, die bei der Europäischen Zentralbank anzusiedeln ist und in den EU-Verträgen verankert werden muss.

3. Neue Rahmenbedingungen für Rating-Agenturen müssen eingeführt werden.

Die Rating-Agenturen, die durch ihre laxen Bewertungen ihren Teil zur Finanzmarktkrise beigetragen haben, bewegen sich bis heute im aufsichtsfreien Raum. Außerdem gibt es nur US-amerikanische Rating-Agenturen, was ein enges Oligopol vermuten lässt. Es muss die Errichtung einer unabhängigen europäischen Einrichtung geprüft werden. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, muss außerdem eine gleichzeitige Beratung und Rating unterbunden werden. Die von der EU-Kommission gemachten Vorschläge sind dabei eine gute Verhandlungsgrundlage.

4. Mindesteigenkapitalquote für Finanzinstitute

Für Finanzinstitute ist eine höhere Mindestquote für das Kernkapital zu prüfen, wobei eine international einheitliche Definition des Begriffs gefunden werden muss. Die Höhe der Mindestquote sollte international abgestimmt werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

5. Instrument der Kreditverbriefung auf den Prüfstand stellen

Der Sachverständigenrat schrieb schon in seinem letzten Jahresgutachten im Jahr 2007 von der „Alchemie der Kreditverbriefung“. Er hat mit seinen Warnungen leider Recht behalten. Die unter der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung eingeführten Möglichkeiten der Kreditverbriefung gehören auf den Prüfstand. Verbriefungen sind anerkannte Instrumente zur Refinanzierung der Banken. Das Risiko, das sich hinter den Papieren verbirgt, muss transparent werden, Risikoverlagerungen aus der Bilanz heraus darf es nicht mehr geben. Zu prüfen sind darüber hinaus Selbstbehalte der Emittenten. Pfandbriefe haben sich in Deutschland bewährt. Bei Pfandbriefen wird nur der sicherste Teil des Kredits als Sicherheit verwendet. Der gesamte Kredit bleibt aber auf der Bilanz der Bank. Ausfälle kamen bisher nicht vor.

6. Managerhaftung neu ausrichten

Bemerkenswert an der Bankenkrise ist: Privatbanken mit persönlich haftenden Gesellschaftern scheinen weniger unkalkulierbare Risiken an den Finanzmärkten eingegangen zu sein als insbesondere Staatsbanken und börsennotierte Kapitalgesellschaften. Für die Vorstände dieser Gesellschaften gilt aber bereits heute ein im internationalen Vergleich sehr scharfes Haftungsrecht. Die Betroffenen haften bereits bei leichter Fahrlässigkeit mit ihrem gesamten Privatvermögen für Schäden in unbegrenzter Höhe. Schadenersatzansprüche der Gesellschaft müssen von den Aufsichtsräten geltend gemacht werden. Dies geschah aus falsch verstandener Rücksichtnahme in der Vergangenheit zu selten und zu zögerlich. Sollten diese Ansprüche auch künftig nicht konsequent geltend gemacht werden, sind Verschärfungen des materiellen Rechts in Betracht zu ziehen.

7. Aufsichtsräte stärken

Die bankeninternen Kontroll- und Überwachungsfunktionen müssen modernisiert werden. Dazu gehört die Einführung kleinerer Aufsichtsräte von maximal zwölf Mitgliedern, eine Mindestwartefrist von drei Jahren für ehemalige Vorstandsvorsitzende beim Wechsel zum Aufsichtsratsvorsitzenden desselben kapitalmarktorientierten Unternehmens sowie die Begrenzung auf höchstens fünf Aufsichtsratsmandate pro Person. Dies sorgt für effizientere Aufsichtsstrukturen innerhalb der Unternehmen. Um die Kontroll- und Überwachungsfunktion weiter zu stärken muss auch eine Professionalisierung der Aufsichtsräte und deren Arbeitsweise stattfinden.

8. Vorstandsvergütung

Die Gesamtbezüge des Vorstandes einer Aktiengesellschaft müssen bereits nach geltender Rechtslage in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen. Dafür zu sorgen, ist Aufgabe des Aussichtsrates. Der Verantwortung dieser Aufgabe muss sich der Aufsichtsrat verstärkt bewusst sein. Der Einfluss der Hauptversammlung auf die Vergütung von Vorständen muss gestärkt werden.
Die Aktienoptions- und Bonimodelle haben mit dazu beigetragen, dass die Finanzdienstleister unkalkulierbare Risiken eingegangen sind. Sondervergütungen müssen sich daher stärker an dauerhaften Erfolgen des Unternehmens orientieren, nicht z. B. am Stand des Aktienkurses an einem Stichtag. Durch das Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen wurde die Pflicht zur Offenlegung von Vorstandsbezügen und Aktienoptionen börsennotierter Aktiengesellschaften erweitert, so dass auch Einzelbezüge mit Namensnennung, aufgegliedert nach erfolgsabhängigen und -unabhängigen sowie langfristig anreizwirkenden Bestandteilen anzugeben sind. Es ist aber zu prüfen, ob alle am Vergütungsprozess beteiligten Personen und Gremien detailliert aufgelistet werden sollten und eine Berichterstattung im Geschäftsbericht darüber stattfinden sollte. Diese Maßnahmen würden für mehr Transparenz sorgen.

9. Bilanzierungsvorschriften

Die anzuwendenden Bilanzierungsvorschriften müssen so ausgestaltet sein, dass sie in Krisensituationen nicht zu einer extremen Verschärfung der Situation führen. Die Zeitwertbewertung (Fair Value) hat prozyklische Wirkung und erweist sich damit als krisenverstärkend. Daher sind wieder konservativere Bewertungsmethoden zuzulassen, die sich am Vorsichtsprinzip als Maßstab des Handelsgesetzbuches orientieren.

Weitere Informationen können Sie unter http://www.fdp-fraktion.de abrufen.

Ihr Augenmerk möchte ich dabei insbesondere auch auf folgenden Antrag lenken: http://www.fdp-fraktion.de/files/538/1608771.pdf

Bereits 2007 haben wir in unserem Deutschlandprogramm eine Verbesserung der Bankenaufsicht gefordert. Diesen Teil können Sie hier nachlesen:

http://www.deutschlandprogramm-2007.de/webcom/show_page.php/_c-542/_nr-1/i.html

In der Hoffnung, Ihnen ausreichend Informationen geliefert zu haben, verbleibe ich

Mit freundlichen Grüßen

Otto Fricke, MdB

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