Frage an Petra Pau bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Portrait von Petra Pau
Petra Pau
DIE LINKE
84 %
48 / 57 Fragen beantwortet
Frage von André D. •

Frage an Petra Pau von André D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Werte Frau Pau,

ich wende mich als Reaktion auf den gestrigen Beschluss der Innenministerkonferenz zum Thema "Killerspiele" an Sie (ein Vertriebs- und Herstellungsverbot dieser Spiele, welches meiner Meinung nach schon durch geltende Gesetze in ausreichendem Maße besteht).

Es muss doch sehr bezweifelt werden, dass in einer von Angst dominierten Gesellschaft wie der unseren, mit einem Schulsystem, welches das Ausgrenzen einzelner Schüler auf Grund totaler Überlastung der Lehrkräfte sehr leicht macht, dass das Verbot bestimmter Spiele, zukünftige Amokläufe verhindert.

Auf die Sinnhaftigkeit eines Verbots dieser Spiele in Zeiten einer globalen Medienwelt möchte ich hier nicht weiter eingehen.

Vielmehr bin ich sehr besorgt darüber, wie scheinbar gezielt durch "Scheingesetze" eine Illusion von Sicherheit für den Bürger erzeugt werden soll und auf diesem Wege die Bürgerrechte aller schrittweise eingeschränkt werden. Als Mensch mit ostdeutschen Wurzeln finde ich dies in besonderem Maße bedenklich. In Bezug auf den Jugendschutz müssen Erwachsene in Deutschland schon heute erhebliche Einschränkungen ihrer Freiheiten in Kauf nehmen, was ich akzeptiere und unterstütze.

Ich finde es jedoch Besorgnis erregend, dass es scheinbar in Deutschland eine immer stärker werdende Tendenz zu Einschränkung und Verbot gibt.

Wie stehen Sie und/oder Ihre Partei zu dieser Problematik?

Ich möchte an dieser Stelle noch erwähnen, dass ich selbst in der Videospieleindustrie beschäftigt bin und auch aktiver Spieler bin und mich dieses Thema entsprechend in besonderem Maße berührt.

Mit freundlichen Grüßen

André Dittrich

Portrait von Petra Pau
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Dittrich,

der aktuelle Ausgangspunkt der laufenden Diskussion war der Amoklauf in Winnenden. Ich war bei der Trauerfeier für die 16 Toten dabei. Sie war für alle höchst bedrückend. Parallel dazu gab es eine neue Debatte über Verschärfungen des Waffenrechtes. Ich hatte dazu im Plenum des Bundestages gesprochen. Meine Rede ist unter http://www.petrapau.de nachlesbar. Auf welche rechtlichen Regelungen sich CDU/CSU und SPD schließlich einigen werden, das ist noch ungewiss. Aber eines scheint sicher: Nutzlose Symbolik wird wohl überwiegen.
Sie können davon ausgehen, dass ich Killerspiele nicht mag: nicht im Internet, nicht in der „Sport“-Halle, nicht im Wald. Aber ihr Verbot löst kein Problem, schon gar kein gesellschaftliches.

Zudem stimme ich Ihnen zu: Gewalt hat viele Gesichter und sie wird vielfältig reproduziert. Nicht nur durch kranke Täter, sondern durch eine Gesellschaft, die systematisch Gewalt nährt. Das beginnt schon in jungen Jahren, wenn die Lebenschancen von Kindern nach den Geldbeuteln ihrer Eltern vorbestimmt werden. Die Teilung in „Nützliche“ und „Schädliche“ setzt sich fort. Jüngst wollte ein CDU-Abgeordneter das Wahlrecht für Rentnerinnen und Rentner sowie für „Hartz IV“-Betroffene kappen, weil sie eine Last und keine Leistungsträger der Nation seien.

Asyl-Suchenden ist es verboten, ihr zugewiesenes Territorium zu verlassen. Im Fachjargon heißt das „Residenzpflicht“. Tun sie es dennoch, werden sie abgeschoben, schlimmstenfalls in den Tod. „Spiel-Verbot“, „Wahl-Verbot“, „Deutschland-Verbot“, ja, diese Aufzählung ist polemisch. Aber sie beschreibt einen politischen Trend. Er frisiert die Oberfläche und er meidet die Wurzeln. Je geringer die soziale Sicherheit wird, desto stärker wird die staatliche Sicherheit ausgebaut. Sie haben als gelernter „Ossi“ dafür offenbar ein besonderes Gespür. Ich teile es.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Pau

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Petra Pau
Petra Pau
DIE LINKE