Frage an Petra Sitte bezüglich Familie

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Petra Sitte
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Frage von Steffen G. •

Frage an Petra Sitte von Steffen G. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Dr. Sitte,,

meine Fragen an Sie zum Entwurf des Sorgerechtsgesetz:

1.)Werden Sie dem Gesetzentwurf in der jetzigen Fassung zustimmen?
2.)Werden Sie eine Änderung des § 1626a Abs. 1 Satz 1 mit folgendem Wortlaut: „wenn der Vater die Vaterschaft nach $ 1594 BGB anerkannt hat und erklärt die gemeinsame Sorge zu übernehmen.“ befürworten?
3.)Werden Sie eine Definition des Gesetzgebers zur Begrifflichkeit „Wohl des Kindes“ einfordern?

Der nun vorliegende Gesetzentwurf für das Sorgerecht für die „nicht mit der Kindesmutter verheirateten Väter“ beinhaltet zwar kleine Veränderungen, die auf den ersten Blick hin positiv klingen, dieser ist aber leider eine von Lobbyarbeit indoktrinierte Mogelpackung und benachteiligt und diskriminiert unverheiratete Väter immer noch gegenüber den Müttern und verheirateten Vätern.

2010 wurden in der BRD 452.475 Kinder ehelich und 225.472 Kinder (somit jedes 3.) unehelich geboren. Unehelich geborene Kinder und deren Eltern sind also keine Randgruppe.

Unverheiratete Väter erhalten das gemeinsame Sorgerecht nur, wenn die Mutter dem zustimmt, das macht den Vater vom Wohlwollen der Kindsmutter abhängig.

Die Regierung wurde 2009 vom EGMR und 2010 vom Bundesverfassungsgericht auf die Ungleichbehandlung von verheirateten und nichtverheirateten Vätern hingewiesen.

Der Gesetzentwurf sieht nur ein Antragsverfahren für den Vater vor, wenn die Mutter sich dem gemeinsamen Sorgerecht verweigert. Dies benachteiligt den unehelichen Vater unangemessen degradiert somit den unehelichen Vater weiterhin zum Vater 2. Klasse.

Für eine konsequente Gleichstellung der Väter gibt es nur eine Lösung:

„Im Zuge der Vaterschaftsanerkennung nach §1594 BGB erhält der Vater automatisch das gemeinsame Sorgerecht.“

Auch wird im Gesetzesentwurf auf Begriff des Kindeswohles verwiesen. Diesen gilt es, als Begriff juristisch zu definieren, damit er nicht weiter von Anwälten, Richtern und Ämtern missbraucht werden kann.

Vielen Dank
Steffen Giersch.

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Giersch,

ich teile Ihre Auffassung, dass der diskriminierende Inhalt der bestehenden Sorgerechtsregelungen für nichteheliche Väter aufgehoben werden muss, und dass der Gesetzgeber hierzu Neufassungen vorzulegen hat, die den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichtes in dieser Frage entsprechen.

Es darf weder Kinder erster und zweiter Klasse noch Väter erster und zweiter Klasse geben und eine gemeinsame Sorgeverpflichtung sollte nach meiner Auffassung mit der Geburt des Kindes beginnend bestehen, und zwar unabhängig vom familienrechtlichen Status der Eltern. Ich habe mich auch in Halle zu diesen Fragestellungen bereits öffentlich positioniert. So habe ich in meinem Grußwort an die Sorgerechtskonferenz des Väteraufbruch für Kinder im Herbst 2010 in Halle die Auffassung unterstützt, dass die §§ 1626 a-e auch ersatzlos gestrichen werden könnten.

Lebenskonzepte, Partnerschafts- und Familienmodelle jenseits der klassischen Trauscheinform dürfen nicht auf dem Rücken von Kindern beeinflusst oder benachteiligt werden. Sorgerecht hat aber natürlich in erster Linie das Kindeswohl in den Fokus zu nehmen. Ich stimme Ihnen auch zu, dass der Gesetzgeber auch hier für entsprechende Normenklarheit zu sorgen hat. Die UN-Kinderrechtskonvention sollte dabei die selbstverständliche Richtschnur bilden. Gleichwohl teile ich zumindest in der sprachlichen Zuspitzung Ihre Einschätzung dass der Begriff des Kindeswohls von Anwälten, Richtern und Ämtern missbraucht werde, nicht. Eine sehr weitreichend enge Definition per Gesetz könnte auch hier individuelle Gegebenheiten, Lebensentscheidungen usw. stark einschränken. Diese sollten immer die Möglichkeit anwaltlicher Vertretung, richterlicher Beurteilung und Ermessensräume in Ämtern und Verwaltungen finden können.

Die Frage einer konkreten Ja/Nein-Entscheidung zum vorliegenden Gesetzentwurf richtet sich, nachdem in den Ausschüssen Änderungsinitiativen beraten und entschieden sind, nach der Abwägung, ob die entstehenden Vorteile zu mehr Gleichberechtigung in gemeinsamer Sorgeverantwortung für nichteheliche Väter führen oder die verbleibenden Benachteiligungen überwiegen oder ob jenes dieses nichtig macht. Sie merken an dieser Formulierung, dass ich Ihrer Zuspitzung „eine von Lobbyarbeit indoktrinierte Mogelpackung“ nicht ganz folge und die Verbesserungen im Umgangs- und Auskunftsrecht und im Verfahren zumindest sorgsam abwägen will.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Sitte

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