Frage an Petra Sitte bezüglich Tourismus

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Petra Sitte
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Frage von Matthias M. •

Frage an Petra Sitte von Matthias M. bezüglich Tourismus

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Bundeswasserstraße "Saale – Leipzig – Kanal" (Saale-Elster- Kanal) in der Art fertig gestellt, dass ein attraktives Schiffshebewerk in Wüsteneutsch, Sachsen - Anhalt, aus Steuermitteln gebaut wird und somit auch der Hafen Leipzig - Lindenau eine Funktion erhält?

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass für die Leipziger Fliessgewässer eine Schiffbarkeitserklärung erfolgt, um einen überregionalen Motorboottourismus bis ins "Leipziger – Neuseenland" zu ermöglichen.

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Sehr geehrter Herr Malok,

vielen Dank für Ihre Frage. Die Antwort hat leider etwas auf sich warten lassen, da Ihr Anliegen außerhalb meiner üblichen Themen liegt und ich mich diesbezüglich erst gründlich informieren wollte, bevor ich Ihnen antworte.

Nun zu Ihren Fragen:

Generell sind Fragen nach dem Ausbau von Kanälen und natürlichen Flussläufen sehr komplexe Sachverhalte. Neben wichtigen ökologischen Erwägungen muss es dabei auch immer um eine ökonomische Abwägung gehen: Ist der Ausbau tatsächlich sinnvoll?
Gerade die Fertigstellung des von Ihnen genannten Saale-Leipzig-Kanals wäre eine immens kostspielige Angelegenheit. Die fehlenden ca. 8 km würden wohl etwa 100 Millionen Euro kosten. Wie der Mittellandkanal verläuft der Kanal auf einem hohen Damm. Es bedürfte also zusätzlich einer Großschleuse, Schleusenkaskade oder eines Schiffshebewerkes, um auf das Wasserspiegelniveau der Saale und zu ihr hin zukommen. Als Alternative bliebe eine "trockene" Variante mit Lastenfahrstuhl und einer Umsetzung der Wasserfahrzeuge "huckepack" auf einem terrestrischen Fahrzeug. Vielleicht ließe sich die stillgelegte und parallel zum Kanal verlaufende Bahnlinie Merseburg - Leipzig hierfür nutzen? Große Fahrgastschiffe würden in einer solchen Variante jedoch ausscheiden.
Unklar ist dabei, wie groß der Nutzen wäre: Es steht zu befürchten, dass sich das Interesse von TouristInnen, Leipzig (und Halle) vom Wasser her zu erschließen, in Grenzen hielte. Die Erfahrungen mit Wassertourismus in Mittel- und Ostdeutschland sind diesbezüglich eher ernüchternd. Überlokale Flusskreuzfahrten unter Einschluss von Potsdam und Berlin über Spree, Havel, Elbe in die Saale sind mir zumindest nicht bekannt. Nicht einmal Ausflugfahrten von Halle nach Naumburg sind eingerichtet. Der Grund hierfür ist, dass es schlicht nicht genügend Interessierte für ein solches Angebot gibt.
Das Touristik-Gutachten des Landes Sachsen-Anhalt spricht dagegen von drei Millionen potenziellen KundInnen in den Großräumen Berlin, Hannover und Hamburg für den Wassertourismus in unserer Region. Die damit einhergehenden, ambitionierten Pläne, den Harz und das südliche Sachsen-Anhalt vom "Basislager" in Nachterstedt zu erschließen, haben insbesondere durch den dortigen, verheerenden Hangrutsch einen enormen Dämpfer bekommen.
Im Stadtrat von Halle haben wir uns zuletzt im Februar 2013 mit einem eigenen Antrag an der Debatte beteiligt. Unserer Meinung nach sollte der Fokus darauf liegen, die wassertouristischen Potenziale der vorhandenen Flussläufe zu nutzen. Im Konzept des Blauen Bandes ist Halle als wichtiger Tagesknotenpunkt vorgesehen, wo die WassertouristInnen gepflegt duschen und übernachten sowie die Tanks und Akkus von Mensch und (Schiffs-)Maschine aufladen können sollen. Aus hallescher Perspektive gilt es in erster Linie, an dieser Stelle aktiv zu werden und die nötige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.

Auch aus wirtschaftlicher Perspektive scheint die Dringlichkeit der Fertigstellung des Kanals nicht gegeben. So ist der Gütertransport auf der Saale seit 1966 rückläufig und kam Ende der 90er Jahre völlig zum Erliegen, obwohl der Unterlauf bis Halle-Trotha für die 1.000 t-Europaschiff-Schiffsklasse ausgebaut ist und alle Schleusen ertüchtigt sind. Der Saaleschifffahrt droht auch mit Seitenkanal das Aus, weil 1. Schiffe der Europa-Klasse schon seit Jahren nicht mehr gebaut werden und 2.Containerverkehr nur zweilagig und deshalb nur unwirtschaftlich möglich ist.

Dass sich eine Investition in der eingangs genannten Größenordnung inklusive der damit einhergehenden Eingriffe in die Umwelt tatsächlich lohnen würde, muss daher zumindest bezweifelt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Petra Sitte

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