Frage an Rainer Arnold von Thomas S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Rainer Arnold,
im Rahmen der Transformation 2010 der Bundeswehr sollen noch 250.000 Mann ihren Dienst in Uniform tun. Davon 35.000 in Verwendung zur Durchführung und Unterstützung von Auslandseinsätzen im Rahmen von Eingreifkräften und 70.000 im Rahmen von Stabilisierungskräften. Nach Ansicht der AG Friedensforschung der Uni Kassel eine Versteckte Aufrüstung.
Ist dementsprechend davon auszugehen, dass diese in den kommenden Jahrzehnten eingesetzt werden und dadurch hohe Mandatskosten entstehen?
Wird es so sein, dass nach dem Konzept der Einbindung der Reserve vor allem Reservisten aus bildungsfernen Schichten im Ausland stationiert werden?
Sehen Sie die Bundeswehr in der Lage Krisen zu bewältigen, zeigen die Kriege bzw. besonderen Situationen in jüngster Zeit im Irak, Afghanistan und Somalia, dass die Einsätze nicht kurz und mittelfristig geplant werden können?
Mit freundlichem Gruße,
Thomas Steinborn.
Sehr geehrter Herr Steinborn,
danke für Ihr Interesse an der Reform der Bundeswehr.
Was die AG Friedenssicherung der Universität Kassel zur sog. Transformation behauptet, ist so nicht richtig. Die Reform der Bundeswehr war ganz schlicht eine notwendige Reaktion auf eine völlig veränderte Sicherheitsarchitektur nach dem Auseinanderbrechen der ehemaligen Sowjetstaaten und dem Ende des Ost-West-Konflikts. Der Bundeswehr, ausgerichtet auf die reine Landesverteidigung an den eigenen Staatsgrenzen, kam quasi der Feind abhanden. Durch die Anschläge des 11. September 2001 in den USA und die nachfolgenden Anschläge in London oder Madrid wurde aber deutlich, dass die Sicherheitslage nicht entspannter wurde, sondern sich dramatisch veränderte. Darauf musste die Bundeswehr - wie andere NATO-Staaten auch - reagieren.
Erstmal wurde die Bundeswehr kleiner und einsatzfähiger. Das "Herzstück der Transformation" der Bundeswehr ist die teilstreitkräfteübergreifende Umstrukturierung in Eingreif-, Stabilisierungs- und Unterstützungskräfte. Die drei Teilkräfte (also Heer, Marine & Luftwaffe) werden durch die sog. "Vernetzte Operationsführung" in die Lage gebracht, im Einsatz effektiv zusammenzuwirken.
Wie Sie richtig feststellen, umfassen die Eingreifkräfte 35.000 Soldaten. Diese führen weltweit zu Lande, zu Wasser, in der Luft und im Informationsraum kurzzeitige Operationen mit hoher Intensität durch. Darunter fallen sowohl Rettungs- und Evakuierungseinsätze als auch friedenserzwingende Maßnahmen gegen einen vorwiegend militärisch organisierten Gegner. Diese Eingreifkräfte stellen auch den deutschen Beitrag zu unseren internationalen Verpflichtung in "NATO Response Force", "UN Standby Arrangement System" und "EU Battle Groups".
Die Stabilisierungskräfte bestehen aus 70.000 Soldaten. Sie führen Operationen niedriger und mittlerer Intensität durch. Diese friedensstabilisierenden Maßnahmen längerer Dauer werden gegenüber einem nur teilweise militärisch organisierten Gegner durchgesetzt. Die Personalstärke wird dabei den Einsatz von 14.000 Soldaten in bis zu fünf verschiedenen Einsatzgebieten gleichzeitig erlauben.
Die Unterstützungskräfte arbeiten in den Bereichen Logistik, Sanitätsdienst und Aufklärung den Eingreif- und Stabilisierungskräften zu. Darüber hinaus stellen sie im Inland den Grundbetrieb der Bundeswehr sicher und machen mit 147.500 Soldaten das Gros der Streitkräfte aus. Insgesamt gilt aber, dass die starre Trennung nach Unterstützungs-, Eingreif- und Stabilisierungstruppen in den Einsatzgebieten nicht stringent eingehalten werden kann.
In der Vorbereitung auf mögliche Einsatzszenarien durchlaufen die Soldaten eine mehrstufige, an der Einsatzrealität orientierte Ausbildung. Diese befähigt sie zur Teamarbeit, Einsatzbereitschaft und schnellen Verfügbarkeit. Im akuten Fall bereitet eine "Einsatzbezogene Zusatzausbildung" die Soldaten auf ein angepasstes Verhalten für den konkreten Einsatz vor. In den Eingreif- und Stabilisierungskräften dienen aufgrund der erforderlichen Aus- und Fortbildung ausschließlich Berufs- und Zeitsoldaten. In Ausnahmefällen können Reservisten eingeplant werden, besonders um deren berufliche Qualifikationen auch bei der Bundeswehr nutzen zu können. Die Einbindung erfolgt selbstverständlich freiwillig.
Das Personalstrukturmodell der Bundeswehr sieht für 2010 eine Personalstärke von 250.000 Soldaten vor. Der Personalumfang beträgt dann im Heer 162.300, in der Luftwaffe 62.700 und in der Marine 25.000 Soldaten. Anfang 2002 dienten noch 310.600 Soldaten in der Bundeswehr, derzeit sind es insgesamt 259.400. Damit sind die Planvorgaben für 2010 schon fast erfüllt.
Von einer "versteckten" Aufrüstung kann also keine Rede sein, die Bundeswehr ist kleiner, aber auch effektiver geworden. Dass die Bundeswehr in der Lage ist, Krisen erfolgreich zu bewältigen, hat sie in der Vergangenheit zur Genüge gezeigt. Der Einsatz zur Absicherung der Präsidentschaftswahlen im Kongo ist so ein Beispiel, im Kosovo und den übrigen Balkanstaaten wird die Präsenz der Truppen immer weiter verringert, selbst in Afghanistan gibt es, bei allen Schwierigkeiten, auch sichtbare Erfolge im Aufbau des kriegszerstörten Landes.
Ich hoffe Ihre Fragen zufriedenstellend beantwortet zu haben. Weitergehende Informationen zur Bundeswehr finden Sie auf meiner Homepage und auf der Seite der AG Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion.
Mit besten Grüßen
Ihr Rainer Arnold