Frage an Rainer Arnold bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Frage von Thomas B. •

Frage an Rainer Arnold von Thomas B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Lieber Rainer Arnold,

als langjähriges SPD-Mitglied verfolge ich die Verwicklung Deutschlands
in den Afghanistan-Einsatz mit wachsendem Unbehagen. Insbesondere
die Eskalation von Gewalt in den Zuständigkeitsbereichen der Bundeswehr, die wachsende Zahl von getöteten deutschen Soldaten sollten m.E. Anlass geben, die ursprünglichen Ziel dieser "Mission" und
die tatsächlich eingetretene Entwicklung einmal kritisch gegenüberzustelllen. Von Dir höre/sehe ich hingegen gerade in den letzten Tagen Äußerungen dahingehend, man müsse mit verbesserter
Ausrüstung (Kampfhubschrauber etc.) auf die militärische Herausforderung reagieren.

1. Siehst Du nicht auch eine Entwicklung einer sich immer vertiefenden Verstrickung in ein militärisches Abenteuer mit horrenden
menschlichen und wirtschaftl. Belastungen?

2. Kann man guten Gewissens behaupten, die Bundeswehr sei dort
zur Absicherung eines demokratischen, zivilen Aufbauprozesses
dort ? Gibt es nicht vielmehr den Eindruck, daß eine Bevölkerungs-
mehrheit dem ISAF-Einsatz ablehnend oder zumindest indifferent
gegenübersteht?

3. Ist es nicht vielmehr so, daß der Anspruch, dort ein rechtsstaatl.,
demokratisches Staatsgebilde zu etablieren, völlig an der
kulturellen + mentalen Verfasstheit der Menschen dort vorbeigeht
und wir dort eine Form von "Zwangsbeglückung" praktizieren?

4. Die Verteidigung der Interessen Deutschlands am Hindukusch
ist wohl schwerlich herzuleiten. Geht es nicht eher um den Nachweis einer "Vasallentreue" gegenüber den USA, um nicht
(weiter) aus deren Gunst herauszufallen?

5. Wäre es nicht eher an der Zeit, daß wir unsere ureigenen deutschen
Interessen ähnlich klar definieren und verfolgen, wie es unsere
Bündnispartner ihrerseits stets ohne Zögern tun? (Dies entspräche
auch dem Amtseid dt. Regierungen...)

Mit freundlichen Grüßen,

Thomas Brenner

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Lieber Thomas Brenner,

die derzeitige Eskalation in Afghanistan macht auch mir Sorgen. Die Zahl der Taliban oder anderer militanter Gruppierungen, die über Pakistan einsickern, wächst. Auch ihre Taktik wird immer militärischer. Während sie noch vor einem halben Jahr "nur" Sprengfallen legten und aus sicherer Distanz mit Raketen schossen, gehen sie jetzt offensiv vor. Die Soldaten der Bundeswehr werden angegriffen und in regelrechte Gefechte verwickelt. Verwendung findet das ganze infanteristische Arsenal: Granaten, Panzerfäuste, Gewehre, Pistolen. Diese Entwicklung ist äußerst beunruhigend. Deshalb stehe ich auch zu meiner Forderung nach Hubschraubern, weil sie schnell zur Stelle sind, wenn eine Patrouille der Bundeswehr angegriffen wird und sich wehren muss. Außerdem können sie den ´Luftraum aufklären´ sprich, sich einen Überblick verschaffen. Bei den übrigen Punkten aber teile ich deine Ansicht nicht:
2. bei dem Einsatz der mittlerweile 43 ISAF- Nationen handelt es sich um kein militärisches Abenteuer. Die Lage für die Menschen in Afghanistan hat sich eindeutig verbessert. Es gibt wieder Strom und sauberes Wasser, es gibt Schulen, Universitäten und Krankenhäuser. Nach über 40 Jahren Bürgerkrieg und Zerstörung gibt es die Anfänge wirtschaftlicher Erholung und den Aufbau der Infrastruktur. Die überwältigende Mehrheit der Afghanen begrüßt diesen Aufbauprozess und ist gegen die Rückkehr unter die Schreckensherrschaft der Taliban. Deshalb ist es einfach nicht richtig, dass die Mehrheit der Bevölkerung den ISAF-Einsatz ablehnt. Natürlich ist die Bevölkerung unzufrieden über die Sicherheitslage im eigenen Land. Aber wir können sie doch ausgerechnet jetzt, wo es brenzlig wird, nicht einfach im Stich lassen. Wir können den militärischen Teil des Einsatzes erst dann beenden, wenn die Afghanen selbst in der Lage sind, für ihre Sicherheit zu sorgen.

3. Die afghanische Gesellschaft ist im Kern eines Stammes-Gesellschaft geblieben. Du hast recht, hier hat die internationale Staatengemeinschaft vielleicht zu sehr eigene Maßstäbe für den Aufbau einer Demokratie angelegt. Wenn aber über 90 % der Wähler sich registrieren lassen, zum Teil tagelange Fußmärsche in Kauf nehmen, um zu den Registrierungsstellen zu gelangen, kann man von "Zwangsbeglückung" nicht sprechen.

4. + 5. Bei dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan geht es auch um deutsche Interessen! Dieser Punkt ist mir ganz wichtig. Es geht um den Wiederaufbau eines kriegszerstörten Landes und es geht um strategische Interessen unserer Sicherheit. Ich will nicht, dass aus diesem Land wieder Terroristen nach Europa kommen. Ich will nicht, dass Taliban oder andere terroristische Gruppierung wieder die Herrschaft über den Hindukusch übernehmen und von dort Anschläge in der übrigen Welt vorbereiten. Um dies zu verhindern, sind die ISAF-Mitgliedsländer dort. Das ist das ureigenste Interesse von 43 beteiligten Nationen. Kein deutscher, britischer oder türkischer Parlamentarier würde diesen Einsatz sonst billigen, er kostet Geld und leider auch Menschenleben. Und, glaube mir, darüber zu entscheiden machen wir uns nicht einfach.

Ich hoffe, ich konnte Dir meine Ansichten näherbringen und bin

mit freundlichen Grüßen
Dein

Rainer Arnold