Frage an Rainer Arnold von Uwe M. bezüglich Wirtschaft
Hallo Herr Arnold,
ich habe die SPD jahrelang als die Partei der Familien und der Arbeitnehmer angesehen. Von der direkten Förderung ist Ihre Partei zunehmend abgerückt. Stattdessen gibt es die Strategie Fördern und Fordern (HarzIV) und den Versuch, große Unternehmen an die Region zu binden. Ein Beispiel dafür ist Ihre nachgewiesene Unterstützung des Projektes Stuttgart21, wo Sie sich auf die Unterstützerwebseite eingetragen haben.
Dieses Konzept beruht noch darauf, dass man es weitgehend der Wirtschaft überläßt, durch die Marktgesetze herauszufinden, was sinnvolle Arbeit ist. Bei Stuttgart21 also einem Projekt des öffentlichen Schienenverkehrs schließt man sich ja auch in erster Linie den Wünschen der Wirtschaft an.
Ich möchte Sie fragen, was Sie von folgendem alternativen Denkansatz halten:
1. Existenz und Bildung
Der Staat erkennt grundsätzlich das Recht auf Existenz und Bildung (auch weitergehender) seiner Bürger an und finanziert dies uneingeschränkt - durch bedingunsloses Grundeinkommen
Das heißt: nicht der Staat und nicht die Wirtschaft zwingen jemanden dazu zu arbeiten.
2. Unabhängigkeit des Bildungsbereichs
Sowohl Staat als auch Wirtschaft halten sich aus der Verwaltung und Zielsetzung des Bildungsbereiches vollständig heraus. Der Bildungsbereich hat als wichtigste Aufgabe den Menschen zu vermitteln, welches für sie die richtige Berufung also die für sie erfüllende Arbeit ist.
Das heißt: sobald Menschen herausfinden können, wozu sie berufen sind, werden sie keine Mühe scheuen sich eben dieser Arbeit zu widmen.
3. Trennung von Wirtschaft und Staat
Der Staat ist in erster Linie dazu da Gerechtigkeit unter seinen Bürgern zu garantieren. Das heißt in erster Linie, ihre Grundversorgung mit Gütern und Bildung. Die Wirtschaft hat die Pflicht, eigenständig, kooperativ und nachhaltig für Güter und Dienstleistung zu sorgen, die dem tatsächlichen Bedarf der Bürger entsprechen und nicht in erster Linie der höchsten Gewinnerwartung.
Sehr geehrter Herr Mannke,
die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens kann ich nicht befürworten, einfach weil wir Menschen nicht "stilllegen" wollen. Vielmehr sollten Menschen bei Qualifikation und Arbeitssuche gut unterstützt werden. Diese sinnvolle Aktivierung ist sicherlich besser als einfaches Versorgen. Trotzdem gilt es natürlich, auch da materielle Hilfe bereitzustellen, wo es notwendig ist. Das ist aber ein anderer Ansatz als der des bedingungslosen Grundeinkommens.
Zum Stichwort Bildung: Der Staat sollte sich keinesfalls aus der Bildungspolitik zurückziehen; vielmehr ist es einer seiner ureigensten Aufgaben, dafür zu sorgen, dass alle eine faire Chance auf Bildung haben. Würden wir das z.B. der Wirtschaft überlassen, hätten wir bald noch ungleicher verteilte Chancen. Schon jetzt hat in Baden-Württemberg ein Schüler aus einer Akademikerfamilie bei gleicher Intelligenz und gleichem Lernvermögen eine 6,6 mal höhere Chance, ein Gymnasium zu besuchen, als ein Kind aus einer Facharbeiterfamilie. Diese mangelnden Teilhabechancen für alle Schüler - unabhängig von Geldbeutel der Eltern - zu verbessern, muss sich Politik, muss sich der Staat auf die Fahnen schreiben.
Zum Stichpunkt Wirtschaft und Staat: Es ist nicht nur die Aufgabe des Staates, für eine möglichst gerechte Gesellschaft Sorge zu tragen, es zählt auch zu seinen ureigensten Aufgaben, Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln schaffen. Mit dieser Fragen haben sich aber auch die Väter und Mütter des Grundgesetzes auseinandergesetzt, welches dann auch in Art. 14 feststellt, dass "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."Würde der Staat diese Aufgabe vernachlässigen, gerieten wir in Gefahr, es bald mit Auswüchsen von Manchesterkapitalismus zu tun zu haben. Dies muss verantwortungsvolle Politik im Sinne einer gerechten Gesellschaft verhindern.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Arnold